Ein Gesundheitssystem für Menschen statt Profite
Heute sterben arme Menschen in Deutschland im Durchschnitt zehn Jahre früher als Reiche. So einfach lässt sich kapitalistische Gesundheitsversorgung zusammenfassen. Daran haben dutzende „Gesundheitsreformen“ nichts geändert, im Gegenteil: Immer wieder wurden Banken und Konzerne verschont, mussten Arbeitslose, RentnerInnen und Beschäftigte mehr bezahlen. Grund genug für einen radikalen Kurswechsel zu kämpfen.
An der Gesundheit wird schon lange gespart: Seit Anfang der neunziger Jahre wurde ein Zehntel aller Krankenhäuser in Deutschland geschlossen, zwanzig Prozent aller Betten abgebaut. Die durchschnittliche Verweildauer der PatientInnen ist um dreißig Prozent zurückgegangen. Die Patientenfälle sind um zwanzig Prozent gestiegen. Gleichzeitig wurden weit mehr als 60.000 Arbeitsplätze abgebaut.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schätzt die Zahl der Todesfälle durch falsche Medikamentenverordnung und -einnahme in Deutschland auf 5.000 bis 8.000 pro Jahr. Über 200.000 Menschen kommen jährlich wegen unerwünschter Nebenwirkungen von Arzneimitteln ins Krankenhaus.
Kostenexplosion?
Alle etablierten Parteien argumentieren, dass sie die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zwinge, weitere Leistungskürzungen vorzunehmen. Die Sol lehnt es dagegen ab, dass Fragen von Leben und Tod in Kostenschemata gezwängt werden. Außerdem beweisen statistische Berechnungen, dass der Anteil der Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) am Bruttoinlandsprodukt seit den achtziger Jahren nahezu konstant bei sechs Prozent liegt.
Trotzdem ist der durchschnittliche Beitragssatz von 1970 (8,2 Prozent) bis heute (15,5 Prozent) stark angestiegen. Die tatsächliche Ursache für das Defizit der GKV und die steigenden Beitragssätze ist die Implosion der GKV-Einnahmen durch Arbeitsplatzabbau, Ausweitung des Niedriglohnsektors und Lohnraub. Dies drückt sich zum Beispiel darin aus, dass die Nettolohnquote (was ArbeitnehmerInnen netto in der Tasche haben vom gesamten Volkseinkommen) im selben Zeitraum von 55,8 auf 39,4 Prozent gesunken ist.
Unsinnige Medikamentenflut
Aber es stimmt, dass einige Kosten gestiegen sind: 2012 wurden rund 29,2 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgegeben, 1998 waren es noch 17,7 Milliarden Euro. Nur leider sind die Menschen heute nicht gesünder als 1998.
„50.000 Medikamente sind in Deutschland auf dem Markt“, sagt Peter Sawicki, bis 2010 Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Völlig unsinnig nennt Sawicki diese Medikamentenflut: „Man braucht keine 70 verschiedenen Beta-Blocker.“
„Rund 15 bis 20 Prozent der in Deutschland erzielten Medikamentenumsätze entfallen auf Scheininnovationen“, schätzt Professor Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Bei einem Verschreibungsvolumen von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr allein bei den gesetzlichen Krankenkassen fließen also 4,5 bis sechs Milliarden Euro in die Mogelpackungen. „Alles für Arzneien, die wir nicht brauchen“, sagt Pharmakologe Glaeske. (Handelsblatt 13.6.2012)
Auf rund 144.000 ambulant arbeitende Ärzte kommen in Deutschland 16.000 Pharmareferenten. Täglich erhält die einzelne Arztpraxis durchschnittlich Besuch von einem Pharmareferenten – der in der Regel nichts anderes im Sinn hat, als seine Produkte in den höchsten Tönen anzupreisen. Jeder Arzt erhält nach Untersuchungen etwa 2,5 Kilogramm Werbung pro Monat zugesandt (siehe ISW-Report Nr. 48).
Pharmakonzerne verdienen sich dumm und dämlich, den Grund hat Glaeske ausgemacht: „Die Fortbildung liegt praktisch nur in den Händen der Industrie.“ Kongresse, Podiumsdiskussionen oder Seminare fördern die Hersteller. Hinzu kommt: Trotz vieler Versuche, die Kosten für Medikamente zu dämpfen, hat die Pharmaindustrie immer wieder Auswege gefunden, um die Kosten erneut in die Höhe zu treiben. Die Umsatzrendite der Pharmabranche beträgt in Deutschland rund zwanzig Prozent. Kein Wunder, hat doch – so Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber der Zeitschrift „Arznei-Telegramm“ – „der Preis für ein Medikament […] nichts mit den Produktions- und Entwicklungskosten zu tun“.
Lösung „Reform“?
Keine „Gesundheitsreform“ der Vergangenheit diente dazu, die Defizite der Sozialkassen zu sanieren. Die Sozialkassen sind nicht zufällig leer, sie wurden bewusst zu Gunsten der Kapitalisten geleert. Diese waren es, die Massenentlassungen durchgeführt, Löhne gedrückt und Billigjobs geschaffen haben. Zur „Belohnung“ werden die Arbeitgeber jetzt noch stärker aus der paritätischen Finanzierung der Gesundheitskosten entlassen.
Was wir jetzt mit Hartz IV und einer „Gesundheitsreform“ nach der anderen erleben, ist die Abschaffung der bisherigen Sozialversicherung. Wer krank, alt oder arbeitslos wird, soll selber zusehen, wie er klar kommt. Letztlich soll die staatliche Gesundheitsversorgung immer weiter eingeschränkt werden – am Ende einer solchen Entwicklung könnte ihre weitgehende Zerschlagung stehen. Mit der Senkung der staatlichen Zuschüsse, der diskutierten Freigabe der Beitragssätze und den Vereinfachungen bei Zusatzbeiträgen soll der Weg weiter in Richtung rein durch ArbeitnehmerInnen finanzierte Krankenversicherung gehen. Ein Prozess, den wir nicht nur in Deutschland, sondern international beobachten können. In den USA, wo der Prozess weiter fortgeschritten ist als hier, sinkt die Lebenserwartung in den ärmeren Bevölkerungsschichten erheblich. Daran wird auch die jetzt dort beschlossene Gesundheitsreform nichts ändern.
Solidarität mit den Charité-Beschäftigten
Die Zeichen stehen an der Charité wie an anderen Krankenhäusern auf Notruf. Die Aktiven von ver.di Charité haben sich auf den Weg gemacht und fordern einen Tarifvertrag für feste Personalmindestquoten auf den Stationen und in Funktionsbereichen. Noch wird mit dem Arbeitgeber verhandelt. Wenn sich dieser nicht bewegt, soll gestreikt werden. Dadurch soll auch der Druck für eine gesetzliche Regelung für alle KollegInnen erhöht werden.
Die Auseinandersetzung an der Charité ist bundesweit beispielhaft. Auf der Website des Bündnisses „Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus“ haben bereits 450 Menschen „Gesicht gezeigt“. Zudem haben mehr als 500 Ärzte und Ärztinnen und Medizinstudierende die Solidaritätserklärung „Mehr Personal für gute Gesundheit“ unterzeichnet.
Solidarität gibt es auch von vielen Pflegekräften bundesweit. So meint der Konzernbetriebsrat der SANA Kliniken AG: „Aus eigener leidvoller Erfahrung wissen wir, wovon gesprochen wird. Ihr habt eine Vorreiterrolle übernommen. Wir setzen auf einen Dominoeffekt für alle Krankenhäuser.” Der Betriebsrat und die ver.di-Betriebsgruppe am Klinikum Saarbrücken erhoffen sich einen gemeinsamen Kampf: „Alle Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen haben tagtäglich mit dem Personalproblem zu tun. Wenn Euch in dieser Sache ein Erfolg gelingt, kann das wegweisend sein für alle anderen und ihr seid die Helden. Gemeinsam für eine bessere Finanzausstattung der Krankenhäuser verbunden mit einer gesetzlichen Personalquote!“
Unterstützung kommt auch von anderen GewerkschafterInnen und vielen aus der LINKEN. Was hier von unten wächst, ist ein Beispiel dafür, was ver.di und andere Gewerkschaften bundesweit an Solidarität mobilisieren könnten. Gemeinsam muss Druck gemacht werden dafür, dass Menschen vor Profite kommen.
Im Kapitalismus kein Ausweg
Die Unternehmer wollen die so genannten Lohnnebenkosten (also die Beiträge zu den Sozialversicherungen) senken, die Krankenhauskonzerne und die privaten Versicherungen wollen neue Geschäftsfelder, die Pharma- und Geräteindustrie verlangt immer höhere Kapitalrenditen. Es geht nicht darum, Kranken und Hilfsbedürftigen zu helfen. Es geht um Geld, Profit und Macht. Der Patient wird zum Kunden. Nicht seine Gesundheit interessiert, sondern die Ausbeutung seiner Krankheit für den Profit. Absurderweise wird es „profitabel“, wenn ein Mensch krank wird.
Die Folge dieser Politik? Bereits heute werden in der Bundesrepublik mehr als 60 Prozent der Kosten für Gesundheit von den Beschäftigten und RentnerInnen getragen. Ein armer Mensch stirbt sieben Jahre früher, ein Reicher lebt zwölf Jahre länger als der Durchschnitt. Deutschland ist ein Land, in dem der Geldbeutel über Leben und Tod entscheidet.
Für eine sozialistische Gesundheitspolitik
Wer dafür kämpfen will, dass Gesundheit keine Ware ist und Menschen nicht zum Opfer von schlechten Arbeitsbedingungen und gesellschaftlichen Verhältnissen werden, muss für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft eintreten.
Eine echte Reform im Interesse der arbeitenden Bevölkerung müsste bedeuten, allen einen kostenlosen Zugang zu allen Gesundheitsleistungen zu gewährleisten. Wir brauchen schließlich keinen „Gesundheitsmarkt“, auf dem Gesundheitsleistungen wie Waren gehandelt werden.
Gute Gesundheitsversorgung für alle – finanzierbar?
Es ist ganz offensichtlich, dass es den Herrschenden überhaupt nicht um Gerechtigkeit geht. Ansonsten würden sie sofort die Pflichtversicherungs- sowie die Beitragsbemessungsgrenze und auch die Privatversicherungen abschaffen, um die Reichen ebenfalls in die Gesetzliche Krankenversicherung einzahlen zu lassen.
Ginge es wirklich darum, Kosten zu senken, müsste man sich die horrenden Gewinne der Pharmaindustrie vornehmen, der Produktion nutzloser Mittel einen Riegel vorschieben und die Gehälter der überbezahlten Manager in Krankenhäusern und Krankenkassen deutlich reduzieren.
Die letzten 25 Jahre wurde massiv von unten nach oben umverteilt, die paritätische Finanzierung der Gesundheitsversorgung immer stärker ausgehöhlt. Daher brauchen wir unmittelbar eine einseitige Erhöhung der Krankenkassenbeiträge, die nur von den Arbeitgebern bezahlt werden müssen. Im Gegenzug setzt sich die Sol dafür ein, dass alle Eigenbeteiligungen und Zuzahlungen gestrichen werden.
Gesundheit fördern
Eine Gesundheitspolitik im Interesse der Mehrheit bedarf einer optimalen und ganzheitlichen Behandlung aller PatientInnen entsprechend den medizinischen Möglichkeiten.
Solange an Krankheiten Geld verdient werden kann, gibt es beim Kapital kein wirkliches Interesse an der Vermeidung von Krankheiten. Dabei existiert ein großes Potenzial bei der Prävention. Eine Forschungsarbeit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermittelte ein Kostenvolumen für die direkte Behandlung von Krankheiten, bedingt durch körperliche Belastungen bei der Arbeit, in Höhe von 29 Milliarden Euro und in Folge von psychischen Belastungen bei der Arbeit in Höhe von 27 Milliarden Euro jährlich. In Ländern wie Frankreich und Japan sind die nachweislich auf Arbeitsbedingungen und mit dem drohenden Verlust des Arbeitsplatzes zusammenhängenden Suizide deutlich angestiegen. Deshalb ist ein massiver Ausbau von präventiver Gesundheitsversorgung in allen Bereichen der Gesellschaft – von der Schule bis zum Arbeitsplatz – nötig. Gleichzeitig sollte der Zustand, dass Millionen zu wenig Arbeit haben, während Millionen bei der Arbeit krank werden, durch eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich abgestellt werden.
Aber wir brauchen auch eine bessere Verzahnung der ärztlichen Versorgung. Die künstliche Trennung in ambulante und stationäre Versorgung oder Fachärzte und Hausärzte hilft nicht weiter. Wer einmal ernsthaft krank oder verletzt war, kennt die Folgen: Erst zum Hausarzt und warten, dann zum Facharzt und wieder warten, dann wieder zum Hausarzt, dann vielleicht ins Krankenhaus, in die ambulante Anschlussbehandlung, dann wieder zum Hausarzt und vielleicht muss auch noch mal der Facharzt ran. Alles verbunden mit Mühen, Zeitaufwand und Kosten. Und dabei ist noch nicht einmal sicher gestellt, dass alle Ärzte die gleiche Therapie vorschlagen oder dass Untersuchungen nicht doppelt und dreifach gemacht werden.
Daher ist die Schaffung von integrierten, staatlichen Gesundheitszentren (Polikliniken) als Angebot für die PatientInnen nötig, um so eine bessere Zusammenarbeit von ÄrztInnen, Pflege und TherapeutInnen zu erreichen. Flächendeckend wären sie eine Alternative, sich im Dschungel der Gesundheitsversorgung nicht zu verirren.
Dies alles kann nur durch ein massives staatliches Investitionsprogramm zur Sanierung von Krankenhäusern, zum Aufbau eines Netzes von Polikliniken, zur Verbesserung und Förderung der Gesundheitsvorsorge und Forschung erreicht werden. Ein solches Programm muss durch eine deutliche Besteuerung von Banken und Konzernen finanziert werden.
Aus Krankheiten keinen Profit schlagen
Privatisierung, Fallpauschalen und Outsourcing bedrohen die Qualität der Gesundheitsversorgung. Mit den Fallpauschalen wird der Preis der Gesundheit eines Menschen genau wie jede andere Ware kalkuliert und berechnet. Der damit verbundene Wettbewerb führt zu Überversorgung bei Behandlungen, die sich „lohnen“ und Unterversorgung bei Behandlungen, die sich nicht „lohnen“. Lohnend sind immer Entlassungen von PatientInnen innerhalb eines kürzeren Behandlungszeitraums, als für den Behandlungspreis berechnet. PatientInnen werden noch schneller durchs Krankenhaus geschleust und auch entlassen, wenn sie noch nicht geheilt sind („quicker and sicker“).
Die bereits eingeführten Mittelkürzungen in den Krankenhäusern müssen zurückgenommen werden. Seit 1993 werden die Tariferhöhungen nicht mehr durch Budgeterhöhungen refinanziert, sondern durch Stellenabbau, Überstunden und Tarifflucht kompensiert. 60.000 Arbeitsplätze sind so in den letzten zehn Jahren in den Krankenhäusern vernichtet worden. Dringend notwendig ist ein Ausbau statt des Abbaus der Personalversorgung. Dazu bedarf es der Durchsetzung einer Personalmindestbesetzung, wie sie von ver.di und der LINKEN per Gesetz gefordert wird und von den Beschäftigten an der Charité gerade per Tarifvertrag erkämpft werden soll. Alle geplanten Privatisierungsschritte gehören gestoppt. Bereits privatisierte Klinken müssen wieder in öffentliches Eigentum überführt werden.
Wettbewerb zwischen Kassen, Pharmaunternehmen und privaten Versicherungen geht immer zu Lasten der Versicherten. Daher setzt sich die Sol für die Zusammenführung aller Krankenkassen (auch aller Privatversicherungen) zu einer einzigen öffentlichen Krankenkasse bei Arbeitsplatzgarantie für alle Beschäftigten ein. Dadurch ließe sich auch viel Geld sparen. Gleichzeitig wäre es ein erster Schritt hin zur Umwandlung des Gesundheitswesens – bei Abschaffung aller Arbeitnehmerbeiträge – zu einem kostenlosen, staatlichen, also steuerfinanzierten, Gesundheitswesen. Gesundheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen, sondern ist aus unserer Sicht ein unverzichtbares Grundrecht.
Wir lehnen es ab, dass Beschäftigte einen Teil ihres Lohnes dafür bezahlen müssen, ihre Gesundheit zu erhalten. Menschen werden vor allem krank, da sie arbeiten oder keine Arbeit haben, weil sie in krankmachenden Wohnungen leben oder Opfer von Umweltzerstörung werden. Alles Ursachen, die sich auf den Kapitalismus zurückführen lassen. Daher wollen wir, dass die bezahlen, die von diesen Umständen profitieren: Die großen Banken und Konzerne. Unmittelbar treten wir dafür ein, dass die Unternehmervertreter aus den Verwaltungsräten der Krankenkassen entfernt werden. Wir brauchen auch keine überbezahlten und korrupten Manager in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Krankenkassen und sonstigen Gesundheitseinrichtungen! Die Alternative besteht in der demokratischen Wahl aller Personen mit Leitungsfunktionen durch die arbeitende Bevölkerung. Ein Kontrollrecht und das Recht zur jederzeitigen Abwahl muss gewährleistet sein.
Zur Abschaffung des Wettbewerbs und des Profitemachens mit der Gesundheit von Menschen gehört auch, dass die Pharma-, Bio-, und Gentechnikkonzerne sowie die Medizingeräteindustrie in Gemeineigentum – unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch gewählte VertreterInnen der arbeitenden Bevölkerung – überführt werden. Profitorientiertes Wirtschaften hat in der Gesundheitsversorgung nichts zu suchen.
Aber es geht nicht nur um eine bessere Gesundheitsversorgung, sondern auch um die Bekämpfung von krank machenden Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen, von Arbeitslosigkeit und Armut. Der Kampf um eine optimale Gesundheitsversorgung ist gleichzeitig ein Kampf um Arbeit, vernünftige Löhne und Umwelt-, wie Wohnbedingungen für alle Menschen.
Mit der kapitalistischen Wirtschaft lässt sich dies nicht vereinbaren. Deshalb muss die Macht der Banken und Konzerne gebrochen, Großunternehmen in öffentliches Eigentum überführt und nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt produziert werden. Nötig ist eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft. Erst dann können Bedingungen entstehen, die Krankheiten vermeiden und optimal heilen.
Beschäftigte und PatientInnen gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken
Die Beschäftigten der Krankenhäuser schlagen Alarm. Personalmangel und unerträgliche Arbeitsbedingungen gefährden sowohl die PatientInnen als auch die Gesundheit der Pflegenden.
Die Ursachen liegen auf der Hand. Während die Zahl der behandelten PatientInnen zunimmt, geht die der Pflegenden dramatisch zurück. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) lag die Zahl der Fälle 1999 bei 17,1 Millionen. Zehn Jahre später waren es bereits 17,8 Millionen. Das nicht-ärztliche Personal nahm im gleichen Zeitraum von 735.500 auf 676.600 ab. Aber schon 1993 fehlten rund 100.000 Stellen in der Pflege. Zu Recht setzt sich ver.di daher für die Schaffung von 160.000 Stellen in Krankenhäusern ein. Zugleich werden die PatientInnen immer schneller durchs Krankenhaus „geschleust“. Das hat zwar zur Folge, dass die Zahl der Belegungstage etwas abgenommen hat, die Betreuungsintensität wird aber deutlich größer.
Als erstes auf der Strecke bleiben die „ATL“, die „Aktivitäten des täglichen Lebens“. Mundpflege, Hilfe beim Gang zum Klo, Eincremen der Haut, das regelmäßige Wenden bettlägeriger PatientInnen unterbleiben, weil schlicht nicht genügend Pfleger und Schwestern auf Station sind. Offene Wunden und langsamere Genesung sind die Folge. Auch in den sogenannten Servicebereichen hat der Personalmangel drastische Auswirkungen, zum Beispiel bei der Hygiene: Jedes Jahr infizieren sich laut ver.di zwischen 500.000 und 800.000 Menschen in deutschen Kliniken mit neuen Krankheitserregern. Rund ein Drittel dieser Fälle wird als vermeidbar eingestuft. ver.di nennt den Personalmangel daher „Sicherheitsrisiko Nummer eins“.
Auch die Pflegenden selbst werden unter diesen Bedingungen zunehmend krank. Neben den weit verbreiteten Skeletterkrankungen greift das Burn-Out-Syndrom um sich. Das liegt auch daran, dass die Beschäftigten ständig verfügbar sein müssen. Aus der Freizeit zur Arbeit gerufen zu werden, ist Alltag. Das soziale Leben bleibt so auf der Strecke. Statt der in Westdeutschland tariflich vereinbarten 38,5 Stunden arbeiten Vollzeitkräfte in den Kliniken durchschnittlich 44 Stunden in der Woche. Teilzeitbeschäftigte arbeiten im Schnitt sechs Stunden mehr als in ihrem Arbeitsvertrag festgelegt. Insgesamt schieben die Klinikmitarbeiter einen Berg von 1,2 Milliarden Überstunden vor sich her – und dabei ist die hohe Dunkelziffer nicht dokumentierter Mehrarbeit nicht einmal enthalten.
Unterfinanzierung
Die Krankenhausfinanzierung ruht auf zwei Säulen: Der laufende Betrieb wie Personal und Sachaufwendungen soll von den Krankenkassen, die Investitionen in Gebäude und Großgeräte von den Ländern übernommen werden. Doch die Kliniken stehen von beiden Seiten unter Druck: Die Länder kommen ihrer Finanzierungsverpflichtung vielfach nicht nach, so dass den öffentlichen Kliniken das Geld für notwendige Modernisierungen fehlt. Oft werden diese dann aus dem laufenden Budget finanziert – sprich: Aus dem Geld, das für Pflege und Beschäftigte gedacht ist.
Das System der sogenannten Fallpauschalen (DRG) verschärft die Lage. Seit 2004 bezahlen die Krankenkassen den Kliniken nicht mehr den tatsächlich entstandenen Behandlungsaufwand, sondern einen Branchendurchschnittspreis, der sich nach der Schwere des Falls und den jährlich ausgehandelten „Landesbasisfallwert“ richtet. Dieser Mechanismus enthält einen Druck zur permanenten Kostensenkung.
Privatisierung
Besonders betroffen sind die Krankenhäuser der Maximalversorgung wie beispielsweise Unikliniken. Während diese jede und jeden aufnehmen müssen, betreiben private Krankenhäuser Rosinenpickerei: Sie spezialisieren sich auf besonders lukrative Fälle, bei denen keine Komplikationen und damit geringe Kosten zu erwarten sind. Das bringt fette Profite.
Hinzu kommt die Ausgliederung und Privatisierung von Betriebsteilen in staatlichen Häusern. Laut einer Umfrage der DKG haben mehr als 53 Prozent aller Krankenhäuser zwischen 2004 und 2007 den Bereich Reinigung und über 40 Prozent die Küchen ausgegliedert. Die Wäschereinigung wird vielfach schon länger von Fremdfirmen betrieben. Auch Labore und Einkauf werden zunehmen ausgelagert. Selbst wenn das nicht unmittelbar mit Privatisierung einhergeht, sind diese Maßnahmen zumeist mit Tarifflucht verbunden – eklatantes Beispiel hierfür die 2006 am Berliner Uniklinikum Charité gegründete Servicetochter CFM. Wir meinen: Krankenhäuser und Gesundheitsversorgung sind Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge und gehören in öffentliche Hand. Wenn PatientInnen nur noch als „Kunden“ und Beschäftigte als „Kostenfaktor“ wahrgenommen werden, haben beide das Nachsehen. Um die unhaltbaren Zustände in den Krankenhäusern zu verbessern, bedarf es einer grundsätzlichen Umkehr.
Die Sol fordert:
- Sofortige und nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern durch die Schaffung von 160.000 Stellen bundesweit.
- Kampf für eine Mindestpersonalbesetzung per Tarifvertrag. Dadurch kann der Druck für eine einheitliche gesetzliche Regelung gesteigert werden.
- Wettbewerbs- und Profitprinzip haben in Krankenhäusern und im Gesundheitswesen nichts zu suchen. Weg mit den Fallpauschalen. Alle Kosten müssen ersetzt werden
- Keine Privatisierung. Rekommunalisierung privatisierter Häuser und Wiedereingliederung ausgegliederter Betriebsteile. Überführung privater Klinik- und Pharmakonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und PatientInnen