Sammelband mit Lenin-Texten zur Russischen Revolution

Vom Februar zum Oktober – neu beim Manifest-Verlag

Der Manifest-Verlag hat dieses Jahr eine Reihe von alten und neuen Texten herausgebracht, die sich mit der Russischen Revolution 1917 befassen. Mit dieser Sammlung von Lenin-Texten von 1917 jetzt noch ein Buch zu veröffentlichen, war keineswegs überflüssig, denn niemand hat so scharf wie Lenin die Fragen analysiert, die sich damals der Arbeiterbewegung und der revolutionären Partei stellten, und die politischen Wendepunkte der Revolutionsentwicklung und die von ihr geforderten taktischen Kurswechsel herausgearbeitet.

Von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Entsprechend kann man in diesem Buch verschiedene rote Fäden finden, die sich durch eine ganze Reihe von Texten ziehen. Das Buch beginnt mit der Warnung vor einer Unterstützung der im Februar gebildeten neuen Regierung und endet mit der Feststellung des Sturzes der Regierung. Angesichts der Bedeutung, die die Auseinandersetzung über die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen heute in der Linken und LINKEN hat, ist die damalige Haltung der Bolschewiki, die entscheidend für ihren Aufstieg zur Massenpartei war, sehr lehrreich.

Weiter zieht sich die Analyse des bürgerlichen Staats und die Notwendigkeit seiner Ersetzung durch einen auf den Räte aufgebauten Staat durch den Band. Ebenfalls skizziert sind wirtschaftliche Übergangsmaßnahmen, die über den Kapitalismus hinausführen, wie Arbeiterkontrolle und Verstaatlichung der Banken und Syndikate, vor allem in seiner Schrift „Die drohende Katastrophe…“. Das Aufstellen von Übergangsforderungen gilt oft als etwas spezifisch „Trotzkistisches“, aber diese Schrift Lenins war das erste „Übergangsprogramm“.

Natürlich spielten im Ersten Weltkrieg auch der Kampf gegen den Krieg und im Bauernland Russland die Agrarfrage eine wichtige Rolle.

Etappen der Revolution

Schon im ersten größeren Text („Briefe aus der Ferne“) beschäftigt sich Lenin mit den Etappen der Revolution. Nach dem Sturz des Zaren begann die Doppelherrschaft: auf der einen Seite die bürgerliche Regierung, auf der anderen Seite die Räte, deren Mehrheit diese Regierung aber unterstützte. Lenin erklärte, dass in dieser Situation das einzige Mittel der „Kampf mit geistigen Waffen“, die „kameradschaftliche Überzeugung“ war, um die Mehrheit in den Räten für eine andere Politik zu gewinnen bzw. die Mehrheiten zu ändern. Damals wäre eine friedliche Weiterentwicklung der Revolution möglich gewesen.

Stattdessen bildete die „Kompromissler“- Mehrheit der Räte, die Menschewiki und Sozialrevolutionäre, eine Koalitionsregierung mit den Bürgerlichen und ließ sich auch durch Massendemonstrationen ihrer WählerInnen (im Juni und Juli) nicht zu einem Kurswechsel bewegen. Das ermöglichte eine konterrevolutionäre Offensive. Die Räte wurden faktisch entmachtet, eine friedliche Übernahme der ganzen Macht durch sie wurde unmöglich, wie Lenin scharf hervorhob.

Die logische Fortsetzung dieser Offensive war der Putschversuch des Generals Kornilow, der aber an der massiven Gegenbewegung zusammenbrach. In der Folge gewannen die Bolschewiki die Mehrheit in immer mehr Räten, die Parole „Alle Macht den Räten“ wurde in neuer Form wieder aktuell. In den folgenden zwei Monaten stand diese neue Form – die Machteroberung der Räte durch einen Aufstand – im Mittelpunkt von Lenins Schriften.

Lenin und das „Archiv alter Bolschewiki“

Ein wichtiger Aspekt von Lenins Tätigkeit 1917 war der Kampf gegen diejenigen in den eigenen Reihen, die hinter den scharfen Wendungen der objektiven Lage zurückblieben und nach Lenins Worten in ein „Archiv für ,bolschewistische‘ vorrevolutionäre Raritäten“ oder „Archiv alter Bolschewiki“ gehörten.

Ungewöhnlich an dem Sammelband ist, dass er sich auf die Übersetzungen und informativen Anmerkungen der 1928 und 1931 erschienenen Bände 20 und 21 der „Sämtlichen Werke“ stützt. Damit bieten die Texte auch für LeserInnen, die ihre braunen Lenin-Bände im Bücherregal haben, etwas Neues, nämlich Versionen aus der Zeit, als der Stalinismus seine Geschichtsfälschungsarbeit erst begonnen hatte und von der später erreichten „Perfektion“ noch weit entfernt war.

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