Zur Debatte über Entschädigung im Kampf gegen Immobilienkonzerne
Wir unterstützen die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen&Co enteignen“. Während die Initiative Gutachten vorlegt, wie das mit möglichst wenig Entschädigung passieren kann, will der Berliner Regierende Bürgermeister Müller, Wohnungsbestände zu horrenden Summen zurückkaufen.
von Michael Koschitzki, Berlin
Die jahrelange Aufklärung über Deutsche Wohnen und der Widerstand gegen den Immobilienkonzern wirkt: Als die Mieter*innen der traditionsreichen Karl-Marx-Allee erfuhren, dass ihr Haus von der Deutschen Wohnen gekauft werden soll, schlugen sie Alarm. Kurz darauf wehten Transparente und bunte Fahnen an der Häuserfassade. Auf Mieter*innenversammlungen wurde intensiv diskutiert, wie der Verkauf zu verhindern sei.
Noch rechtzeitig wurde eine Lösung gefunden: Die Mieter*innen nutzten ihr Vorkaufsrecht und reichten die Wohnung an die landeseigene Gewobag weiter. Pünktlich reichten im Januar ausreichend Mieter*innen ihre Unterlagen ein, um das möglich zu machen.
Rückkauf ist teuer
Doch der Haken ist: auch die Gewobag musste für die Wohnungen viel Geld bezahlen. Von circa 90 bis 100 Millionen Euro für 316 Wohnungen ist die Rede. Mit der Miete des jetzigen (überteuerten) Mietspiegels dauert es allein 52 Jahre, bis das wieder abgezahlt ist.
Deshalb ist der Rückkauf keine Strategie dafür, wie ausreichend Mietwohnungen der Spekulation entrissen werden und Mieten endlich wieder gesenkt werden können. Das gilt auch für den vom Berliner Regierenden Bürgermeister eingebrachten Rückkauf von Deutsche Wohnen Immobilien, die bis 2004 dem Land Berlin gehörten. Die 60.000 Wohnungen sind damals für 405 Millionen Euro verkauft worden – jetzt werden dafür sechs Milliarden Euro Kaufpreis gehandelt. Jeder Rückkauf zum Marktwert garantiert den großen Immobilienkonzernen ihre Gewinne zum jetzigen Zeitpunkt. Und das möglicherweise noch vor einer Abkühlung oder sogar Krise des Immobilienmarktes.
Enteignung
Wir fordern die Enteignung von Immobilienkonzernen wie Deutsche Wohnen, Vonovia, Akelius und ihre Überführung in kommunales bzw. Landeseigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung. Da diese Immobilienkonzerne gigantische Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit gemacht haben, sind wir der Meinung, dass Entschädigung nur im Falle von erwiesener Bedürftigkeit und für Kleinaktionär*innen erfolgen sollte. Das würde zum Beispiel für Blackrock, den zweitgrößten Aktionär von Deutsche Wohnen nicht zutreffen. Den über tausend Beschäftigten von Deutsche Wohnen müssen gleichwertige Arbeitsplätze im landeseigenen Wohnungsgesellschaften garantiert werden.
Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen
Die Initiator*innen von”Deutsche Wohnen Enteignen” haben eine Volksinitiative gestartet, die den Berliner Senat dazu verpflichten soll, ein Enteignungsgesetz zu erarbeiten, mit dem alle Immobilienfirmen mit mehr als 3000 Wohnungen in öffentliches Eigentum überführt werden. Das stützt sich auf den §15 des Grundgesetzes: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“
Wie die Initiative in einem Rechtsgutachten darlegt, muss diese Entschädigung auch im Rahmen dieses Gesetzes keineswegs dem Marktwert entsprechen, sondern kann weit darunter liegen. (siehe dwenteignen.de)
Rechtsfragen = Machtfragen
Obwohl mit der jetzigen Gesetzeslage keine entschädigungslose Enteignung durchgeführt werden kann, unterstützen wir die Initiative. Alle Rechtsfragen sind auch Machtfragen und hängen vom Stand der Kämpfe, des politischen Drucks und der Kräfteverhältnisse ab. Deshalb organisieren wir Mieterinnen und Mieter, helfen mit, Proteste zu organisieren fordern die Gewerkschaften auf, die Initiative mit allen Kräften zu unterstützen. Denn was nutzt eine Lohnerhöhung, wenn sie mit der Mieterhöhung wieder genommen wird? Auch bei der LINKEN Berlin wurde die Unterstützung im Dezember beim Landesparteitag von unten durchgesetzt, als kein Wort davon im Leitantrag stand. Nur mit einem massenhaften Aufstand von Mieter*innen kann der Kampf gegen Deutsche Wohnen & Co erfolgreich geführt werden.
Die Mieter*innenbewegung sollte sich auf den Standpunkt stellen, dass mit Wohnraum kein Profit gemacht werden darf und sich gegen überteuerte Rückkäufe und Entschädigungen über Bedürftigkeit und Kleinaktionäre hinaus stellen. Die Unterschriftensammlungen für das Volksbegehren können ein Hebel sein, Mieter*innen zu organisieren und Diskussionen über Enteignungen voranzutreiben. Doch der Druck muss über ein Volksbegehren hinaus gehen und organisiert werden. Und Enteignungen sind nicht nur bei Wohnraum eine gute Idee.