Harland & Wolff: Beschäftigte besetzen Werft in Belfast und fordern Rückverstaatlichung

Besetzung zeigt Macht der Beschäftigten

Dieser Artikel über die Besetzung der Harland & Wollf Werft durch Hafenarbeiter*innen in Belfast wurde zuerst am 30. Juli in englischer Sprache auf socialistworld.net veröffentlicht.

Harland und Wolff ist der einzige verbliebene Schiffbau auf der Werft in Belfast. Die Schiffbauindustrie in Belfast hat eine vierhundertjährige Geschichte und wurde vor allem mit dem Bau der unglücklichen Titanic in Verbindung gebracht.

Auf dem Höhepunkt, im Zweiten Weltkrieg, waren 35.000 Arbeiter*innen bei dem Unternehmen beschäftigt, aber wie der Rest der britischen Schiffbauindustrie ist die Zahl der Beschäftigten im Laufe der Jahrzehnte zurückgegangen. Heute sind 130 Mitarbeiter*innen am Standort beschäftigt – obwohl er seinen legendären Status als nordirischer Arbeitgeber beibehält und seine berühmten gelben Samson- und Goliath-Krane die Skyline von Belfast dominieren.

Das Unternehmen wurde 1975 von der britischen Regierung verstaatlicht, 1989 dann aber an den norwegischen Schifffahrtsmagnaten Fred Olsen verkauft. Der neue Eigentümer versprach große Dinge, aber seine Geschäfte gerieten in Schwierigkeiten und er versuchte, sich in Energie und erneuerbare Energien zu diversifizieren, indem er eine weiter verkleinerte Harland & Wolff in seinen Energieflügel, Fred Olsen Energy, überführte.

In den letzten Jahren waren die Mitarbeiter*innen von Harland & Wolff hauptsächlich in der Montage und Endbearbeitung von riesigen metallischen Scheiben beschäftigt, die Seeturbinen für erneuerbaren Energien unterstützen. Aber die jüngsten Verträge dafür liefen aus, als Fred Olsen Energy wegen der Unfähigkeit, seine Schulden zu refinanzieren, in Konkurs ging.

Die Versuche, einen Käufer für Harland und Wolff zu finden, gerieten in den letzten Wochen in Schwierigkeiten und ließen die Arbeiter*innen in eine zunehmend unsichere Zukunft blicken. Erst letzte Woche enthüllte „Unite the Union“ (zweitgrößte Gewerkschaft in England und Nordirland, Anm. d. Übers.), dass die Unternehmensleitung nicht in der Lage war, die Löhne der Beschäftigten für mehr als die nächste Woche zu zahlen.

Angesichts dieser Bedrohung wurde von den Gewerkschaften Unite und GMB eine Kampagne gestartet, um von der britischen Regierung sofortige Maßnahmen zu fordern. Die Gewerkschaften wiesen darauf hin, dass die Rückverstaatlichung als die einzige Möglichkeit zur Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen notwendig ist.

Die Arbeiter*innen waren schnell dabei, die Worte des neuen Tory-Premierministers Boris Johnson hervorzuheben. In seiner Rede auf den Stufen von 10 Downing Street (Sitz des Premierministers an dessen Eingangsstufen Reden gehalten werden, Anm. d. Übers.) lobte er die Bedeutung der britischen „Produktivkräfte“. Die Belegschaft forderte ihn natürlich öffentlich auf, ihre „Produktivkraft“ durch die Renationalisierung der Werft zu sichern.

Am Montag den 29. Juli schlossen die Arbeiter*innen aus Protest die Tore zur Fabrik. In einem Schritt, der in der Stadt an die Besetzung der Fabrik von Visteon vor einem Jahrzehnt erinnert, haben die Arbeiter*innen nun gesagt, dass sie bis zum Tätigwerden der britischen Regierung bleiben werden.

Macht der Beschäftigten

Dieser Schritt hat die Arbeiter*innenklasse aus ganz Nordirland elektrisiert und zeigt, welche Macht die Arbeiter*innen haben, wenn sie entschlossen zur Tat schreiten.

Die Gewerkschaften haben zu einer Kundgebung aufgerufen, zu der die Öffentlichkeit für Dienstag, den 30. Juli, auf der Werft einlädt. Die Stärke dieser Aktion hat lokale Politiker*innen, darunter die Demokratische Unionistische Partei (DUP, konservative, protestantische Partei in Nordirland, Anm. d. Übers.) – die Ost-Belfast, wo die Werft und die meisten ihrer Beschäftigten leben, vertreten – gezwungen, sich hinter sie zu stellen.

Boris Johnson hat bereits bestätigt, dass die Werft der erste Anlaufpunkt für seinen geplanten Besuch in Nordirland sein wird.

Während der neue rechte Tory-Premierminister wahrscheinlich keine Werft verstaatlichen will – schon deshalb, weil dann ähnliche Forderungen von anderen bedrohten Werftarbeiter*innen gestellt werden würden – gibt es für ihn einige Möglichkeiten, diese Krise zu lösen und seine DUP-Verbündeten auf der Seite zu halten.

Eine der wichtigsten Forderungen der Arbeiter*innen und ihrer Gewerkschaften wird sein, dass sich die neue Regierung verpflichtet, die laufenden Verträge der Royal Navy – jeweils im Wert von mehreren Milliarden – an die britischen Werften zu vergeben.

Die vorherige Tory-Regierung entschied, dass Verträge über die Lieferung von Fregatten vom Typ 31e und Flotten-Solid-Support-Schiffen als nichtmilitärische Ausgaben angesehen werden sollten, die es dem Verteidigungsministerium ermöglichen, eine globale Ausschreibung durchzuführen, um die Kosten zu minimieren.

Sollte der Premierminister der Tory eingreifen, um sie doch als Militärausgaben einzustufen, wäre die Regierung nach EU-Recht in der Lage, diese Aufträge an bietende Konsortien britischer Werften, einschließlich Belfast, zu vergeben.

Die Arbeiter*innen glauben, dass ein solches Engagement, vielleicht in Verbindung mit der Übertragung anderer Arbeiten von einer anderen britischen Werft im Vorfeld solcher Aufträge, wahrscheinlich ausreichen würde, um die Werft in Belfast zu erhalten.

Ungeachtet dessen fordern die Arbeiter*innen weiterhin, dass die Regierung direkt eingreift und das Unternehmen wieder verstaatlicht.

Mit dem Beginn ihrer Besetzung haben die Arbeiter*innen von Harland & Wolff gezeigt, was von den Arbeiter*innen erreicht werden kann, wenn sie sich organisieren und zurückschlagen. Den Werftarbeiter*innen wurde durch andere Arbeiter*innen, darunter Aktivist*innen von NIPSA, der größten Gewerkschaft Nordirlands, Solidarität entgegengebracht. Die Beamten der NIPSA sind derzeit in Arbeitskämpfe verwickelt. Der Irische Gewerkschaftskongress sollte alle bestehenden Arbeitskampfmaßnahmen bündeln und die Harland & Wolff-Arbeiter*innen maximal unterstützen, beginnend mit der Aufforderung zu einem Massenprotest.

Vom Kapitalismus haben die Arbeiter*innen in der Werft von Belfast offensichtlich nichts zu erwarten, wie er auch andere, die kürzlich geschlossen wurden, wie Appledore in Devon. Anstatt ihre Zukunft in einer geplanten #JustTransition (Slogan der englischen Gewerkschaftsbewegung alte Industriezweige in eneuerbare Energen umzuwandeln, um Arbeitsplätze zu erhalten. Anm. d. Übers.) zu einer nachhaltigeren grünen sozialistischen Wirtschaft zu sichern, zeigt der Kapitalismus keinerlei Fürsorge oder Loyalität gegenüber diesen Arbeiter*innen.

Die Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen in Belfast sind perfekt auf den Bau von Bauwerken für Wind- und Gezeitenenergie abgestimmt. Der Hafen von Belfast ist ein natürlicher Tiefwasserhafen und zentral gelegen für die Entwicklung dieses Sektors vor der Küste Irlands und Großbritanniens. Eine sozialistische Wirtschaft würde in diese Arbeitskräfte und die zukünftige Ausbildungsbasis investieren.

Die Macht der Besetzung bei Harland & Wolff und die sofortige Reaktion der britischen Regierungspartei zeigen die Macht der gewerkschaftlich organisierten industriellen Arbeiter*innenklasse. Er bestätigt die Notwendigkeit, dass die Sozialist*innen ihren Fokus auf die Arbeiterklasse richten, insbesondere auf die Industriearbeiter*innen, die einzigen Akteure des historischen Wandels.