Sol an Organisierung der Großdemonstration beteiligt
Seit fünf Jahren gehen in Dresden die rassistischen Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) auf die Straße. Diese fünf Jahre sind eine Geschichte rassistischer Hetze, steigender Übergriffe, aber auch des Widerstandes gegen die Truppe um Lutz Bachmann.
Von Sol-Mitgliedern aus Dresden
Als am 20.10.19 die Rassisten von Pegida ihren Geburtstag feiern wollten, blieben sie nicht allein. Die Ansammlung von, laut der „Sächsischen Zeitung“, gut 2500 rechten Demonstranten auf dem Dresdner Neumarkt wurde von etwa 8000 Gegendemonstrant*innen erheblich gestört. In drei Demonstrationszügen waren die antirassistischen Aktivist*innen in die Innenstadt gezogen und hatten sich unmittelbar neben Pegida positioniert, um mit einem Pfeifkonzert die Kundgebung der Rassisten zu stören.
5 Jahre Pegida
Der Anlass für die Gründung von Pegida 2014 war nicht die gestiegene Zahl von Geflüchteten oder ein spürbarer Zuzug von Muslimas und Muslimen in die sächsische Landeshauptstadt. Der frühere Kokainhändler und Autodieb Lutz Bachmann, der für diese Taten einschlägig vorbestraft ist, rief die Bewegung ins Leben, nachdem er Zeuge einer Demonstration wurde. Die Aktion war in Solidarität mit den Kurd*innen, die in Nordsyrien gegen den IS kämpfen, organisiert worden. Bachmann filmte den Aufzug und stellte das Video, versehen mit rassistischen Kommentaren auf die Plattform youtube, von der es später gelöscht wurde. Bachmann faselte von Glaubenskriegen auf deutschem Boden. Sein angeblicher Kampf gegen den rechten politische Islam begann also mit einer Aktion ausgerechnet gegen jene, die in vorderster Front den IS bekämpften.
In der Jahreswende von 2014 auf 2015 stiegen die Aufmärsche auf mehr als 15.000 Leute an. Zeitweise reiste sogar eine Burschenschaft aus Wien an. Die Identitäre Bewegung gehörte und gehört mit Rednern und Teilnehmern zum festen Bestandteil der Demonstrationen.
Die folgenden Jahren reihten Skandal an Skandal: Da waren Polizeibeamte, die den Aufzug von Bachmann begleiteten und während ihres Dienstes Geld in die Spendentonnen der Aufzüge warfen. Da war der Autor Akif Pirincci, den dessen Katzenkrimis bekannt gemacht hatten, der von der Pegida-Bühne herunter bedauerte, dass die KZs „gerade nicht in Betrieb“ seien. Da war Tatjana Festerling, Kandidatin der Pegida für das Bürgermeisteramt, die Gruppenvergewaltigungen durch Geflüchtete herbeiphantasierte. Da war der Pegida-Redner Nino Köhler, der einen Bombenanschlag auf eine Moschee verübte. Und da war die Pegida-Demonstration vom 7. Oktober diesen Jahres, auf der Bachmann seine politischen Gegner*innen als „Volksfeinde“ bezeichnete, die in einen Graben geworfen gehörten. Wollte man die Aufzählung vervollständigen, würde ein Artikel nicht ausreichen.
Widerstand gegen Pegida
Doch zur Geschichte von Pegida gehört auch der Widerstand gegen deren Aufmärsche. Bereits am ersten Jahrestag organisierte das Bündnis „Herz statt Hetze“ mehrere Großdemonstrationen gegen Pegida und blieb in der Mehrheit. Während Pegida deutschlandweit mobilisierte und 20.000 Menschen auf dem Dresdner Schlossplatz versammelte, folgten dem Aufruf von „Herz statt Hetze“ 22.000 Leute. Überschattet waren die Proteste damals von teils brutalen Angriffen durch rechte Hooligans, von denen die Polizei schon am Tag darauf erklärte, es habe sie nicht gegeben. Mitglieder von Sol haben die Proteste gegen Pegida häufig mit organisiert.
Proteste wieder erfolgreich
In diesem Jahr zogen drei Gegendemonstrationen in die Dresdner Innenstadt. Eine, organisiert von der Gruppe „HOPE – Fight racism“ und den Dresdner „Fridays for Future“ zog mit 5.000 Leuten vom Bahnhof Neustadt zum Neumarkt. Eine lief vom Hauptbahnhof mit 1.500 Menschen los. Der dritte Aufzug, an dessen Organisation sich Sol stark beteiligte, lief vom Bahnhof Mitte los. Gut 300 Personen – darunter mehrere Gewerkschaftsgliederungen, das „Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus und in der Pflege“, DIE LINKE, SPD und Grüne – liefen unter dem Slogan „Dresden pegidafrei – solidarisch gegen Rassismus, Sozialabbau und Mietenwahnsinn“ durch die Innenstadt.
In den Reden forderten insbesondere die Redner*innen von SPD und Grünen Toleranz ein. Allerdings wurden im Sondierungspapier von CDU, SPD und Grünen, die ab Februar die neue Landesregierung stellen wollen, Abschiebungen und die sogenannte freiwillige Rückkehr vereinbart. Auch sind SPD und Grüne mitverantwortlich für Sozialabbau und Mietenwahnsinn – und damit für die sozialen Verhältnisse, die Rechtspopulisten ausnutzen können.
Soziale Kämpfe nötig
Einen Sieg über rassistische Gruppen wie Pegida oder die AfD werden lediglich soziale Kämpfe bringen können. In diesen Kampagnen, in denen Mieter*innen oder Krankenhausbeschäftigte unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, Sprache oder Religion, gemeinsam gegen Mietenwahnsinn oder für ein öffentliches Gesundheitswesen finanziert durch die Milliardengewinne der Konzerne kämpfen würden, könnten Menschen schnell erkennen, dass Rassismus schwächt, während Solidarität stärkt.
In einer kapitalistischen Gesellschaft werden Konkurrenz und rassistische Spaltung immer eine Rolle spielen. Außerdem werden alle Erfolge sozialer Kämpfe immer wieder durch die nächste Kürzungswelle gefährdet werden. Daher müssen wir auch im Kampf gegen Rassismus die Frage stellen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Einer Gesellschaft, der es um Profite geht oder einer Gesellschaft, die demokratisch und sozialistisch organisiert ist. Einer Gesellschaft also, in der Mensch und Umwelt zählen.
Redebeitrag von Steve Hollasky, Mitglied der Sol auf der Demo vom Bahnhof Mitte:
Hallo, ich bin Steve von der Sozialistischen Organisation Solidarität – Sol.
Vor fünf Jahren standen wir schon einmal hier. Damals protestierten wir gegen den ersten Geburtstag der rassistischen Pegida. Eine Rednerin sagte damals hier, am Bahnhof Mitte, dass sie keinen zweiten Pegida-Geburtstag erleben wolle. Nun haben wir den fünften. Und das heißt wir haben fünf Jahre rassistisches Gehetze, rechte Übergriffe und Wahlerfolge rechter Parteien.
Was hat man in diesen fünf Jahren nicht alles an Unerträglichem hören müssen. 2015 bedauerte Akif Pirincci von der Pegida-Bühne aus allen Ernstes, dass die KZ‘s nicht in Betrieb seien und am 07. Oktober diesen Jahres bezeichnete Pegida-Gründer Lutz Bachmann seine politischen Gegnerinnen und Gegner als Volksfeinde.
Und seit fünf Jahren werden Geflüchtete beschimpft, seit fünf Jahren behauptet Pegida, die Gründe für die Flucht seien nur vorgeschoben; Kürzungen von sozialen Leistungen, steigende Krankenkassenbeiträge und Mietenwahnsinn – für all das machen Gruppen wie Pegida und AfD Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten verantwortlich.
Doch die Wahrheit sieht eben anders
aus! Gerade das Profitstreben deutscher Konzerne produziert
tagtäglich Fluchtursachen! Deutschland ist der viertgrößte
Waffenexporteur und die EU, die einen Friedensnobelpreis bekommen
hat, die sich abschottet und für den tausendfachen Tod im Mittelmeer
verantwortlich ist, diese EU ist der größte
Waffenexporteur.
Deutschland lieferte Milan-Panzerabwehrraketen an
das iranische Regime und verschenkte in den neunziger Jahren
Kalaschnikows aus Beständen der NVA an die Türkei. Die türkische
Armee setzt diese Waffen nun auch gegen Kurdinnen und Kurden in
Nordsyrien ein.
Seit die deutsche Waffenschmiede Heckler &
Koch ihre tödlichen Produkte exportieren darf sind weltweit mehr als
2 Millionen Menschen durch deutsche Sturmgewehre getötet worden.
Allein am deutschen G3-Sturmgewehr sterben jeden Tag mehr als 100
Menschen.
Das sind sie, die Fluchtursachen, von denen rechte
Hetzer gern behaupten, es gäbe sie gar nicht. Fluchtursachen
geschaffen aus Profitinteressen.
Deutschland ist das viertreichste Land
der Erde. Der Reichtum, den unsere Gesellschaft angehäuft hat,
reicht aus, um Schulen zu bauen und zu sanieren. Dieser Reichtum
genügt, um uns ein öffentliches Gesundheits- und Pflegewesen zu
leisten, in dem Pfleger und Schwestern nicht hoffnungslos
überarbeitet sind. Wir haben genug Geld, um uns kommunales
Wohneigentum und Wohnraum für alle hier lebenden Menschen zu
leisten.
Nur erleben die Menschen eben ständig etwas Anderes:
Steigende Mieten, Überlastung am Arbeitsplatz und niedrige
Löhne.
Pegida, AfD und Co. ist es gelungen diese Wut von rechts
aufzuladen und sie gegen jene zu lenken, die nichts für diese
Zustände können: Gegen Migrantinnen und Migranten und
Geflüchtete.
Doch Migrantinnen und Migranten haben weder alle
Dresdner Wohnungen privatisiert, noch haben sie durch die Einführung
der Fallpauschalen das Gesundheitswesen ökonomisiert oder
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen privatisiert oder gar
geschlossen. Und sie sind nicht für die Einführung von Hartz IV
oder steigende Mieten verantwortlich. Im Gegenteil: Auch sie leiden
darunter!
Das rassistische Gehetze von Pegida, AfD und Co. hindert die deutsche Mieterin daran sich gemeinsam mit ihrem syrischen Nachbarn gegen überhöhte Nebenkostenabrechnungen zu wehren oder gemeinsam für die Rekommunalisierung der Vonovia-Wohnungen auf die Straße zu gehen. Genau deshalb stehen Rassisten eben nicht auf der Seite der Beschäftigten, der Arbeitslosen oder der Mieterinnen und Mieter.
Rassismus hilft immer den Mächtigen!
– Wenn Lutz Bachmann
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter als Volksfeinde bezeichnet;
–
wenn die AfD in ihrem Landtagswahlprogramm die Schaffung von
„Sonderwirtschaftszonen“ nach chinesischem Vorbild für den Fall
des Wahlsiegs ankündigte;
– und alle Sozialausgaben des Landes
Sachsen auf den Prüfstand stellen wollte;
dann ist das nichts
Anderes als „Klassenkampf von oben“, der sich gegen alle
lohnabhängig Beschäftigten, Arbeitslosen und Rentnerinnen und
Rentner richten soll, egal woher sie kommen, welche Sprache sie
sprechen oder welche Religion sie haben.
Und deshalb ist der
einzige Weg zum Sieg über den Rassismus a la Bachmann, Höcke und
Co. der gemeinsame Kampf aller hier lebenden Menschen für soziale
Verbesserungen: Für die Rekommunalisierung von Wohnungen und
Krankenhäusern! Für einen gesetzlichen Personalschlüssel in der
Pflege! Für eine Ende von Waffenexporten und für eine Ende des
Sterbens im Mittelmeer. Für ein sofortiges Ende von Abschiebungen,
die fataler Weise auch in den Sondierungspapieren der zu erwartenden
neuen sächsischen Landesregierung wieder als ausgemacht gelten.
Mit
anderen Worten: Setzen wir dem rassistischen und spalterischen
Klassenkampf von oben durch Pegida, AfD und Co. den solidarischen
Klassenkampf von unten entgegen.
Dresden pegidafrei –
solidarisch gegen Rassismus, Sozialabbau und Mietenwahnsinn!
Für
eine Gesellschaft, in der Mensch und Umwelt und nicht Profite zählen.
Für eine Gesellschaft, in der der Kapitalismus, der hier
wie überall in der Welt Armut bedeutet; der das Klima zerstört und
Kriege, Rassismus und Fluchtbewegungen zu verantworten hat, nicht das
letzte Wort der Geschichte ist.
Für mich kann diese Gesellschaft
nur demokratisch und sozialistisch organisiert sein. Insofern, lasst
uns auf die Straße gehen gegen den Rassismus von Pegida, AfD und Co.