Arbeiten bis zum Umfallen? – Rentenwahnsinn stoppen!

Zum Vorschlag der Bundesbank, das Renteneintrittsalter auf 69,4 Jahre zu erhöhen

Durch mehrere Angriffe auf das Rentensystem wird die gesetzliche Rente in zehn Jahren dreißig Prozent geringer sein. Nach vierzig Jahren malochen für Konzernprofite, bleibt im Durchschnitt eine Rente von 906 Euro. Nachdem die Rente mit 67 durchgezogen wurde und nun nach und nach ältere Lohnabhängige deren Auswirkungen zu spüren bekommen, konnte es das Kapital kaum abwarten noch weitere Erhöhungen zu fordern.

Alexandra Arnsburg, Mitglied im ver.di -Landesfrauenrat Berlin-Brandenburg

Rente mit 69 – jeder 5. erreicht sie nicht!

Bereits 2016 forderte die Versicherungswirtschaft die Rente ab 69 Jahren und seit dem gibt es jedes Jahr ein Revival. Aktuell forderte das auch die Bundesbank. Der DGB-Vorsitzende Buntenbach wies diesen erneuten Vorstoß zurück und meldete gegenüber der Presse, dass bereits die Rente mit 67 Jahren ein Fehler gewesen wäre und viele das Rentenalter gar nicht erst erreichen würden. Das Eintrittsalter für die Rente hat sich in den letzten Jahrzehnten sogar abgesenkt: 1965 lag das durchschnittliche Renteneintrittsalter in der BRD bei 64,8 Jahren; 2017 jedoch nur noch bei 64,1 Jahren. Dass eine höhere Lebenserwartung auch zu einer längeren Erholungsphase führen könnte, lehnt auch der Arbeitgeberverband einfach mal pauschal ab.

Denn: Arme sterben früher

Die Süddeutsche Zeitung schrieb schon in der Debatte 2016: „Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage Zimmermanns (DIE LINKE) hervogeht, starben von 2005 bis 2014 rund 1,4 Millionen Menschen (16 Prozent) vor dem Erreichen des 65. Lebensjahres. (…) Die Statistiken geben auch Hinweise darauf, dass vor allem Geringverdiener das Rentenalter nicht erreichen. Zu den häufigsten Todesursachen der 50- bis 75-Jährigen zählen Herzinfarkt, Magen- und Lungenkrebs. Das sind zugleich Krankheiten, unter denen Menschen mit niedrigen sozioökonomischen Status häufiger leiden als sozial Bessergestellte, wie aus einer Darstellung des Robert-Koch-Instituts hervorgeht“. Aktuell geht das Institut davon aus, dass die Lebenserwartung von Menschen an oder unter der Armutsgrenze bei Frauen 8 Jahre und bei Männern 10 Jahre geringer ist als bei den Wohlhabenden. Diejenigen, die die Rentenkürzungen umgesetzt haben – die Politiker*innen im Bundestag – können ihre Lebensarbeitszeit Jahr für Jahr verkürzen und ohne Abzüge schon mit 56 Jahren in Rente gehen, nach nur 18 Jahren im Parlament, wobei andere Einkünfte nicht auf die Pension angerechnet werden. Solche Privilegien genießen sonst nur Jetpilot*innen der Bundeswehr (Rente mit 41 Jahren), Berufsoffiziere (54 Jahre), Oberstleutnants (59 Jahre) und Bundespolizeibeamt*innen (62 Jahre) und natürlich! – Menschen, die es sich leisten können.

Angriffe auf die Rente

Das Rentenniveau wurde bereits in den letzten zwanzig Jahren von siebzig Prozent auf 48 Prozent gesenkt. Erstmals geschah eine Absenkung durch die sogenannten Riester-Pläne. Der Vorschlag beinhaltete sogar einen Pflichtbeitrag für private Altersvorsorge. Der Name Riester ist heute ein Synonym für enorme Gewinne privater Versicherungskonzerne durch private Altersvorsorge. Nun soll unsere Enteignung noch weitergehen und immer mehr Ältere sollen weniger Jahre Renten beziehen oder Abschläge hinnehmen müssen. Bereits jetzt ist jede*r neunte Renter*in dazu gezwungen, einen Nebenverdienst zu finden.

Märchen: Sozialstaat

Nach den drastischen Einschnitten bei der Rente, der Demontage des Gesundheitswesens und weiteren Plänen, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall anzugreifen, der massiven Absenkung von Löhnen, die Aushöhlung der Tarifvertragssysteme und der Kürzungen bei den Ansprüchen von Arbeitslosen sollen wir den Gürtel immer enger schnallen, um den „Sozialstaat“ nicht zu gefährden. Dieser sogenannte „Sozialstaat“ wurde in der Nachkriegszeit in Westdeutschland mit Streiks und Massenprotesten erkämpft.

Mehr Geld für private Profite

Bereits 1989 gab es umfassende Anpassungen der Renten durch Umstellung der Berechnung der Rentenhöhe von Brutto- auf Nettolöhne und die Erhöhung auf 63 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer. Jede weitere Rentenkürzung bedeutet eine Mehrbelastung für die arbeitende Bevölkerung und eröffnet Banken und Versicherungen neue Profitquellen, nicht umsonst kommen die neuen Vorschläge genau aus diesem Sektor. Mit unserem Geld betreiben diese Konzerne vor allem eins: Spekulation. Schon seit den 80er Jahren steigen die Werte an den Börsen mehr als das weltweite Sozialprodukt.

Märchen: Demografierisiko

Große Angst vor weiteren Absenkungen der Renten wird dadurch geschürt, dass in den nächsten Jahren mehr Menschen in Rente gehen werden, als neue Einzahler*innen nachkommen, Stichwort: Babyboom-Jahrgänge. Schon Norbert Blüm (CDU) erkannte das Problem des Kapitals: „Früher sind die Leute mit 35 Jahren fröhlich gestorben, heute jammern sie sich bis 80 durch.“ Dabei ist eine höhere Lebenserwartung eigentlich ein Fortschritt. Wichtig ist aber nicht wie viele Menschen alt werden, sondern wie produktiv die Gesellschaft ist und ob sie alle ernähren kann. Die Produktivität ist seit der Zeit, wo die Menschen nur 35 Jahre alt wurden um ein Hundertfaches gestiegen. Das Bruttosozialprodukt versiebenfachte sich seit 1950, obwohl sich die Arbeitszeit um 20 Stunden verringerte. Wenn die vorhandene Arbeit auf alle verteilt würden und alle Erwerbslosen eine Anstellung finden würden und mehr sinnvolle Produktion stattfinden würde, würde die Produktivität sicherlich noch weiter steigen. Wenn diese sogenannte soziale Marktwirtschaft dazu nicht in der Lage ist, dann spricht das nicht für weiteren Verzicht, sondern gegen dieses kapitalistische System.

Gegenwehr organisieren!

Die Frage ist nicht, ob genug Reichtum vorhanden ist – denn das ist er-, sondern wie gerade er zu unseren Lasten umverteilt wird. Bei der aktuellen Debatte um die Rente mit 69 geht es vor allem darum, die Renten weiter abzusenken. Schon bei den Riester-Plänen im Jahr 2000 wollte die DGB-Führung sogar gleich noch die 50-Stunden-Woche drauf packen; bei der Erhöhung auf die Rente mit 67 verschickte ver.di Werbung für private Altersvorsorge. Die IG Metall machte Druck und rief dreihunderttausend Beschäftigte Anfang 2007 gegen die Rente mit 67 auf die Straße und führte Kundgebungen während der Arbeitszeit durch. Danach beschränkte sie sich auf die Teilnahme an Anhörungen im Bundestag, anstatt die große Kampfbereitschaft zu nutzen und den Widerstand zu erhöhen. Sie verlegte den Kampf auf die betriebliche Ebene, um Altersteilzeitregelungen in einigen größeren Betrieben auszuhandeln. Fast zehn Jahre später – zeitgleich mit den neuen Rufen nach einer Erhöhung des Rentenalters – rief der DGB eine Rentenkampagne auf den Plan und forderte den Ausstieg aus der Riester-Rente und Verbesserungen der gesetzlichen und betrieblichen Rente, was aber vor allem eine erneute Lobbyarbeitsinitiative und nur vereinzelt kleinere Aktionen vor Ort bedeutete. Mit einer kämpferischen Kampagne, wo Kolleg*innen über Forderungen diskutieren, die mobilisierend sind und branchenübergreifenden Aktionen sowie Streiks, könnte Druck auf die Konzerne und die Politik ausgübt werden. DIE LINKE, die eine grundlegende Rentenreform im Sinne der Beschäftigten fordern sollte, könnte gemeinsam mit den Gewerkschaften erreichen, dass Proteste sich ausweiten und die Frage des politischen Streiks auf die Agenda kommt. Schluss mit Klassenkampf von oben – ob alt, ob jung: Rente mit sechzig und die Rücknahme aller Kürzungen erkämpfen!

Die Sol fordert zudem:

  • Eine Monatliche Mindestrente von 750 Euro plus Warmmiete
  • Die Sofortige Erhöhung des allgemeinen gesetzlichen Rentenniveaus auf 63 Prozent (OECD-Durchschnitt 2017) als erster Schritt hin zu 75 Prozent

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