„Es geht nicht um Transformation, es geht um Profit“


15.000 Metaller*innen gegen Arbeitsplatzvernichtung und Lohnraub protestieren am 22.11.2019 in Stuttgart

Beschäftigte von Daimler, Audi, Bosch, Mahle, Conti, ZF, Progress Werke Oberkirch (PWO), Schaeffler, Modine folgten dem Aufruf der IG Metall zu einer Protestkundgebung am Nachmittag des 22.11.2019 auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Es war die erste gemeinsame Aktion der Metaller*innen auf die seit Monaten immer schärferen Angriffe aus den Chefetagen der Autokonzerne und Zulieferern.

Von Ursel Beck, Stuttgart

Die Bewegung Fridays for Future hatte an die protestierenden Metaller*innen eine Solidaritätsadresse geschickt in der sie erklärt, dass Arbeitsplätze nicht gegen Klimaschutz ausgespielt werden dürften. Noch besser wäre es gewesen, wenn die IG Metall ihren Protest auf den nächsten Streiktag von FFF am 29.11.2019 gelegt und es eine gemeinsame Kundgebung von streikenden Schüler*innen und streikenden Metaller*innen gegeben hätte.

Personalabbau und Werksschließungen

In 160 Unternehmen der baden- württembergischen Autoindustrie wurden in den letzten Monaten Sparprogramme bis hin zu Personalabbau und Werksschließungen angekündigt. Am härtesten trifft es dabei die Beschäftigten der Zulieferindustrie. Selbst bestehende Tarifverträge werden zur Disposition gestellt.

In den Berichten aus Betrieben, wurde deutlich: Verzicht lohnt sich nicht. Denn gerade dort, wo es in den letzten Jahren durch Ergänzungstarifverträge Opfer gab, gibt es jetzt noch härtere Angriffe. „Wut und Unverständnis“ herrsche in der Belegschaft, so der Betriebsratsvorsitzende von Continental, Jörg Schwarz, in seiner Rede bei der Kundgebung. Der Autozulieferer Conti will allein in Deutschland bis 2029 7000 Arbeitsplätze vernichten und die Werke im südhessischen Babenhausen mit 3700 Beschäftigten und im württembergischen Oppenweiler mit 340 Beschäftigten schließen. Dabei hat die Conti-Belegschaft in der Vergangenheit auf Tariferhöhungen verzichtet und sogar unbezahlt länger gearbeitet. Dadurch seien die Investitionen in moderne Klimatechnik finanziert worden, die auch für E-Autos gebraucht werde. Jetzt soll die Produktion nach Rumänien, Tschechien und China verlagert werden. Die Schlussfolgerung von IGM-Betriebsrat Jörg Schwarz: „Es geht nicht um Transformation, es geht um Profit“.

Auch der Betriebsrat von Bosch, Frank Sell erklärte, er könne das Wort „Transformation“ nicht mehr hören. Denn auch bei Bosch werden mit dem Argument der E-Mobilität 2600 Arbeitsplätze in der Region Stuttgart vernichtet. Im Werk Schwäbisch Gmünd hatte der Betriebsrat 2017 einem Standortsicherungsvertrag mit Altersteilzeit, „freiwilligen“ Aufhebungsverträgen zum Abbau von 760 Arbeitsplätzen zugestimmt. Dafür sollte es bis Ende 2022 keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Die 760 Arbeitsplätze wurden inzwischen abgebaut. Von einer Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2022 ist keine Rede mehr. Die Bosch-Werksleitung droht mit betriebsbedingten Kündigungen, wenn der Betriebsrat nicht dem Abbau weiterer eintausend Arbeitsplätze zustimmt. Ein Teil dieser Jobs wird ins Niedriglohnland Ungarn verlagert.

Besonders hart trifft es die Beschäftigten bei PWO in Oberkirch. „Wir hatten nur ein Jahr die 35-Stunden-Woche“, so die Betriebsrätin Eva Meier. Ansonsten wurde über einen Ergänzungstarifvertrag bis zu vierzig Stunden gearbeitet und nur 35 Stunden bezahlt. Hundert Millionen Euro hätte PWO dadurch auf Kosten der Belegschaft gespart. Damit seien hohe Gewinne an die Aktionäre und Boni an die Geschäftsführer bezahlt worden. Im September 2019 hat PWO den Austritt aus dem Arbeitgeberverband bis Ende 2019 erklärt. Das wollen sich die PWO-Kolleg*innen nicht bieten lassen. Eva Meier sagte: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei PWO sei in den letzten Wochen beachtlich gestiegen.

Daimler will die Personalkosten für die 170.000 Beschäftigten in Deutschland bis Ende 2020 um eine Milliarde Euro senken. So sieht der Horrorkatalog der Geschäftsleitung aus: keine Tariferhöhung in 2020, Freischicht statt Krankentage, Freischichttage für Qualifizierung, kein bezahlter halber Tag für Silvester und Heiligabend.

IG Metall

Neben den Beschäftigten der Autoindustrie sind auch die Beschäftigten von WMF in Geislingen und des Pressenbauers Schuler in Göppingen von Arbeitsplatzvernichtung durch Produktionsverlagerung betroffen. Deshalb schlossen sie sich der Protestkundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz an. Der IGM-Bezirksleiter, Roman Zitzelsberger und auch Betriebsräte verlangten in ihren Reden von den Arbeitgebern „gemeinsam durch die Krise“ zu gehen und „gemeinsam mit den Beschäftigten eine Zukunftsperspektive zu entwickeln“. Während die Arbeitgeber zum offenen Klassenkampf übergegangen sind, verbreitet die IG- Metall-Führung Illusionen in die Sozialpartnerschaft. Bei der Protestkundgebung gab es keine Ansage, wie der Kampf weiter geführt werden soll. Wenn Belegschaften sich selbst überlassen werden, drohen Spaltung und Niederlagen. Aus den Betrieben und der Basis der IG Metall muss ein Kurswechsel durchgesetzt werden. Die Gewerkschaftslinke in Stuttgart ruft für Donnerstag 5.12. 2019 um 18.00 Uhr zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Keine Abwälzung der Krise auf unseren Rücken“ auf. Hier soll ein Solidaritätskomitee gegründet werden „um gemeinsam betriebsübergreifend aktiv zu werden, Kräfte zu bündeln und die betrieblichen Aktiven zu vernetzen“. Das Treffen findet in den Räumen von DIDF in der Marktstr. 61 A in Bad Cannstatt statt.

Ein weiterer wichtiger Termin für kämpferische Gewerkschafter, ist die bundesweite Strategiekonferenz „Für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik am 25./26. Januar 2020 in Frankfurt/M. Das Programm der Konferenz und weitere Infos gibt es hier

https://drive.google.com/open?id=19E1iQm0ejDHfG0WlAckPpo0D07xFsxVN