Ameos-Klinikleitung auf Erpresserkurs

Was der Krankenhauskonzern Ameos in Sachsen-Anhalt tut, erinnert an finstere Zeiten. Die Belegschaft braucht dringend bundesweite Solidarität!

Schon seit Oktober versucht die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in den vier Ameos-Kliniken in Sachsen-Anhalt einen Tarifvertrag zu erkämpfen (soildaritaet.info berichtete). Die Beteiligung an den Warnstreiks im Dezember war enorm. Nach Angaben von ver.di sollen 1800 von 3500 Beschäftigten an verschiedenen Tagen in den Ausstand getreten sein. Die Unternehmensleitung antwortet mit Entlassungen und massiven Drohungen.

Von Steve Hollasky, Dresden

Holger Waack ist leitender Oberarzt bei der Ameos-Klinik in Aschersleben-Staßfurth. Am 30. Dezember flatterte ihm die Suspendierung durch seinen Arbeitgeber ins Haus. Begründung: Angeblich soll Waack anlässlich eines Warnstreiks im Dezember die Expertise zweier ärztlicher Kollegen in Zweifel gezogen haben. Waack bestreitet das und sieht, laut eines Interviews mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (mdr) am 09.01., seine Funktion als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender als ursächlich für die Maßnahme des Arbeitgebers an.

Auch ver.di sieht die Entlassung als Reaktion auf Waacks Engagement während des laufenden Arbeitskampfes an. Holger Waack ist kein Einzelfall: Mindestens vierzehn weitere Beschäftigte von Ameos wurden durch die Geschäftsleitung noch kurz vor Weihnachten vor die Tür gesetzt. In allen Fällen wurde der Rausschmiss verhaltensbedingt begründet. Gegenüber der Öffentlichkeit erklärte Regionalgeschäftsführer Lars Timm die Kündigungen dann jedoch mit Erlösausfällen durch Streiks, also betriebsbedingt. Einer der Gekündigten ist Mitglied der Tarifkommission und wenigstens einer ist schwerbehindert.

Das Vorgehen von Ameos ist nicht neu. Schon während eines Tarifkampfs 2016 in Hildesheim hatte der Konzern zu solcherlei Mitteln gegriffen. Der Geschäftsführer an diesem Standort war auch damals Lars Timm.

Erpressungsversuch

Während eines von einem SPD-Landrat im Salzlandkreis angeschobenen Gesprächs zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung, erneuerte Ameos das Angebot an die Beschäftigten: Man biete mit einer Laufzeit bis 2024 neun Prozent mehr Lohn und Kündigungsschutz. Zudem wolle man die ausgesprochenen Kündigungen „überprüfen“, nicht aber zurücknehmen. Nur, wenn 85 Prozent der Belegschaft dem zustimmen, solle das Angebot in Kraft treten.

Zudem lehnt Ameos weiterhin jedes Gespräch mit ver.di entschieden ab. Die Betriebsräte sind nun aufgerufen, an den Standorten Betriebsversammlungen einzuberufen und die Zustimmung für Verhandlungen zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat einzuholen.

Allerdings rechnete selbst die sachsen-anhaltinische Zeitung „Volksstimme“ am Freitag eher damit, dass die Beschäftigten sich für eine Urabstimmung und einen Erzwingungsstreik entscheiden würden, der Ameos dazu bringen soll, mit ver.di über die gewerkschaftlichen Forderungen zu verhandeln. Indes droht nun der Konzern laut eben dieser Zeitung für diesen Fall mit der Entlassung von achthundert Beschäftigten, also etwa einem Viertel der Belegschaft. Willkommen im 19. Jahrhundert!

Doppeltes Spiel der SPD

Inzwischen hat selbst die SPD im Salzlandkreis die Idee des Rückkaufs der Kliniken ins Gespräch gebracht. Das ist umso grotesker, als es 2011 gerade diese Partei war, die eine Privatisierung der Salzlandkliniken eingefädelt hatte.

Echte Schritte in Richtung einer Rekommunalisierung der Ameos-Kliniken geht die SPD jedoch nicht. Stattdessen laden ihre Vertreter Ameos-Abgesandte zu „runden Tischen“ ein und lassen die Geschäftsleitung sogar noch mit der Forderung durchkommen, nach der kein*e Vertreter*in von ver.di mit am Tisch sitzen darf.

Mag sein, dass die sachsen-anhaltinische Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) den Mitarbeiter*innen ihre Solidarität ausgesprochen hat. Druck auf die Ameos-Geschäftsführung wird von Seiten der schwarz-rot-grünen Landesregierung dennoch nicht ausgeübt. Dabei kann man sich in diesem Konflikt nur für eine der beiden Seiten entscheiden.

LINKE lässt sich vorführen

Doch auch das Verhalten der LINKEN lässt arg zu wünschen übrig. Zwar haben die Genoss*innen in Sachsen-Anhalt ihre Solidarität mit den Beschäftigten erklärt. Dennoch geht sie hinter dem aktuell lauten und reichlich inhaltsleeren Getöse der SPD unter. Grund dafür ist vorrangig, dass DIE LINKE im Salzlandkreis den Beschäftigten bei Ameos wenig anzubieten hat.

Dabei könnte, ja müsste das anders sein! DIE LINKE, die 2011 gegen den Verkauf der Salzlandkliniken an Ameos gestimmt hatte, könnte glaubwürdig für deren Rekommunalisierung eintreten. Dabei dürfte es nicht, wie die SPD es scheinbar überlegt, um einen Rückkauf gehen. Ameos hat genug verdient und – wie Holger Waack in einem Interview mit dem mdr feststellte – die Kliniken auf Kosten der Belegschaft „saniert“ und dabei weiter Profit gemacht. Viel mehr müsste es darum gehen die Kliniken ohne Entschädigung zu rekommunalisieren.

DIE LINKE müsste dafür nun eine Kampagne starten. Innerhalb der Bevölkerung ist der Fall bekannt. Die Wenigsten würden zurzeit wohl eine Rücküberführung in kommunales Eigentum unter demokratischer Kontrolle durch die Belegschaft ablehnen.

Diese Idee müsste DIE LINKE täglich vor den Krankenhäusern per Flugblattaktionen verbreiten. Sie müsste an der Seite der Pfleger und Schwestern stehen. Und sie müsste ihren ganzen Apparat bundesweit einsetzen, um Solidarität zu organisieren.

Immerhin kämpft hier eine Belegschaft in Ostdeutschland mutig und entschlossen gegen einen Konzern. Das ist in den dreißig Jahren seit der Wiedereinführung des Kapitalismus in den neuen Bundesländern so noch nicht vorgekommen. Wird dieser Kampf gewonnen, könnte das Ausstrahlung auf ganz Ostdeutschland haben. Ebenso eine Niederlage. Schon deshalb müsste DIE LINKE viel aktiver sein. Nur leider ist die Realität eine andere.

ver.di muss handeln

Auch die Politik der ver.di-Führung ist momentan schwer zu begreifen. Zwar berät sie die von Ameos Entlassenen in ihrem Klageverfahren, aber die Streiks sind zurzeit gestoppt. Dabei hat sich am Verhalten der Ameos-Konzernspitze gegenüber ver.di nichts geändert: Sie verweigert die Gespräche und setzt die Beschäftigten unter Druck.

Es muss schnellstmöglich Widerstand gegen diese Unternehmenspolitik organisiert werden. Ameos hat die Zeit seit dem Ende der Warnstreikphase zu nutzen gewusst. Jetzt werden die Betriebsräte aufgefordert an jedem Standort Betriebsversammlungen einzuberufen, um sich ein Mandat für Verhandlungen mit der Geschäftsführung abzuholen. Ameos wird diese Versammlungen nutzen, um den größtmöglichen Druck auf die Mitarbeiter*innen auszuüben. Dafür muss sofort eine Gegenstrategie überlegt werden. Man darf der Unternehmensleitung nicht noch mehr Zeit geben.

Alle Krankenhäuser, in denen ver.di Strukturen hat, müssen von dem Vorgehen von Ameos in Kenntnis gesetzt werden. Solidaritätsaktionen sollten überall diskutiert und geplant werden.

Gefahr von rechts

Inzwischen versucht selbst die AfD auf den Zug aufzuspringen. Ist die Partei der Meuthens, Höckes und Gaulands auch sonst pro-kapitalistisch und unternehmerfreundlich, präsentiert sie sich in diesem Fall plötzlich ganz anders. Die Beschäftigten sollten sich nicht von ihren Forderungen abbringen lassen, hatte die AfD den Mitarbeiter*innen geschrieben.

Dass die AfD an der Seite der Konzerne und nicht der Lohnabhängig Beschäftigten steht, ist ein offenes Geheimnis. Man sehe nur die permanent vorgetragene Feindlichkeit gegenüber Gewerkschaften und ihre ständige Spaltungsrhetorik, die darauf abzielt hier geborene und zugewanderte Lohnabhängige zu spalten. Diese Spaltung schwächt gerade kämpfende Belegschaften.

Wie wenig die Lippenbekenntnisse der AfD ernst genommen werden können, zeigt auch, dass sie in der gleichen Erklärung festhält, dass Kommunalpolitiker*innen für die Beschäftigten von Ameos wenig tun könnten. Das ist eine Ausrede.

Dennoch zeigt auch dieses Beispiel, wie dringend es ist, jetzt zu handeln. Ansonsten droht die Gefahr, dass man das Feld der Unternehmensleitung und rechten Kräften überlässt. Beides wäre für die Beschäftigten von Ameos fatal.

Jetzt muss gehandelt werden! Wir fordern

– Ein Angriff auf Ameos-Beschäftigte ist ein Angriff auf alle: Für eine sofortige bundesweite Solidaritätskampagne, organisiert durch ver.di und mit Unterstützung der DGB-Gewerkschaften, für die Beschäftigten von Ameos

– Demonstrationen vor Niederlassungen des Konzerns und Solidaritätsaktionen in anderen Kliniken bis hin zu Solidaritätsstreiks.

– Die Fälle der widerrechtlichen Entlassungen müssen bekannt gemacht und skandalisiert werden. Es gilt ihre schnellstmögliche Wiedereinstellung durchzusetzen.

– Sofortige Vorbereitung des Erzwingungsstreiks durch ver.di und schnellstmögliche Aufnahme desselben

– Unter TVöD-Niveau geht nichts! Kein Abgehen von den Forderungen der Beschäftigten.

– Tatkräftige Unterstützung der Kampagne durch DIE LINKE

– Aufnahme einer Kampagne zur Rekommunalisierung der ehemaligen Salzlandkliniken ohne Entschädigung des Ameos-Konzerns.

Dafür steht die Sol:

– Für ein öffentliches Gesundheitswesen! Wettbewerbs- und Profitprinzip haben in Krankenhäusern und im Gesundheitswesen nichts zu suchen. Weg mit den Fallpauschalen.

– Nein zu weiteren Privatisierungen. Stattdessen Rekommunalisierung privatisierter Häuser und Wiedereingliederung ausgegliederter Betriebsteile. Überführung privater Klinik- und Pharmakonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und PatientInnen

– Für eine sozialistische Demokratie im Interesse der Masse der arbeitenden Bevölkerung als Alternative zum krankmachenden Kapitalismus

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