Kaputt gespart – Öffentlicher Dienst am Ende?!

ver.di muss Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und Rekommunalisierung führen

Seit den 1990er Jahren wurde im öffentlichen Dienst stetig Personal abgebaut. Gleichzeitig wurden die profitablen Bereiche ausgegliedert und oftmals privatisiert. Wenn man mit Kolleg*innen aus der Verwaltung spricht, bekommt man immer häufiger zu hören, dass die Arbeitsbedingungen noch nie so schlimm waren wie heute!

von Marén Wiese, Personalrat Stadtverwaltung und Gesamtpersonalrat Rostock*

So sind zum Beispiel in Rostock nur noch die Kernverwaltung, die Feuerwehr, das städtische Klinikum, die Tourismuszentrale und die Kommunale Objektentwicklung in städtischer Verwaltung. Alle übrigen Bereiche wie Müllentsorgung, Stadtwerke, Wasserversorgung, Theater, Hafenumschlag, Kitas und weitere wurden nach und nach privatisiert. 

In einigen Bundesländern kamen die Kreisgebietsreformen hinzu, durch die Gemeinden und Landkreise zusammengelegt wurden. Diese wurden mit den Einsparpotentialen begründet. Insbesondere beim Personal sollte gespart werden. Wenn es dann aber mal eine Aufgabenkritik gab, wo reale Bedarfe ermittelt wurden, kam es nicht selten dazu, dass hier sogar ein Mehrbedarf festgestellt wurde. 

In den Stellenplänen spiegelt sich das vielleicht inzwischen wider, aber in der Regel sind nie alle Stellen besetzt. Im Gegenteil: fallen Mitarbeiter*innen kurzfristig aus, führt das zu einer Mehrbelastung der übrigen Beschäftigten, was dann über einen längeren Zeitraum wieder zu mehr Ausfällen führt. 

Bearbeitungszeiten

Schon jetzt dauert die Bearbeitung von Anträgen sehr lange. Im Baubereich führt das dann zu so genannten Genehmigungsfiktionen, was für die Bauherren bedeutet, dass ihre Vorhaben nicht wirklich geprüft werden. Wenn dann aus Gründen der Profitmaximierung durch die Bauindustrie gepfuscht wird oder Unfälle passieren, gibt es oft ein Geschrei und das wird auf die „schlechte“ Arbeit in den Verwaltungen geschoben. 

Noch dramatischer ist die Situation in den Jugendämtern, die chronisch unterbesetzt sind und wo die Fallzahlen für die Mitarbeiter*innen stetig steigen. 

Personalmangel

Aufgrund des Mangels an einer realen Personalbemessung in der Verwaltung und im gesamten öffentlichen Dienst ist die Arbeit hier schon lange nicht mehr attraktiv. Auch wenn einige Bereiche durch flexiblere Arbeitszeitgestaltung versuchen, dem entgegenzuwirken, wird es immer schwieriger geeignetes Fachpersonal zu finden. Im Osten gibt es kaum Verbeamtungen, die Arbeitszeit liegt mit vierzig Stunden in der Woche sehr hoch. Schon jetzt gehen vor allem jüngere Beschäftigte in Teilzeit und verzichten damit auf Lohn, um mehr Zeit für die Familie und Freizeit zu haben. Qualifizierungen und Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Verwaltungen sind auch nicht besonders attraktiv oder nur sehr eingeschränkt möglich.

Insgesamt hat der öffentliche Dienst ein riesiges Problem. Über Jahre wurde und wird immer noch zu wenig ausgebildet. Es gibt ein hohes Durchschnittsalter insbesondere in ostdeutschen Bundesländern, wo demnächst noch viele Renteneintritte bevorstehen. Die Nachbesetzung der Stellen wird immer schwieriger.

In Rostock gab es zum Jahresende einen interessanten Pressebericht, der bestätigte, dass die Stadt durch unbesetzte Stellen fehlende Einnahmen verzeichnet und auch deshalb ein Haushaltsdefizit besteht. 

Wer beim Personal spart, spart am falschen Ende. Gesetzesüberschreitungen werden nicht geahndet, Bußgelder werden nicht eingefordert. Das führt in der Regel aber dazu, dass hier nicht die normalen Bürger*innen um „Bestrafungen“ herum kommen, sondern es sind immer mehr Unternehmer, wie zum Beispiel Baufirmen, die Gesetzesbruch schon mit einkalkulieren oder versuchen über Beziehungen in der Politik diese zu umgehen. Bei den dabei entstehenden Verlusten handelt es sich nicht um kleine Beträge für die Kommunen. 

Widerstand nötig

Es wird endlich Zeit, dass sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht mehr alles gefallen lassen. Ver.di muss Aktionen und Proteste organisieren, umd auf die Missstände in den Verwaltungen hinzuweisen und eine gesellschaftliche Bewegung für milliardenschwere Investitionen für mehr Personal im öffentlichen Dienst organisieren. Eine Finanzierung wäre mit dem Zugriff auf Rekordgewinne und Privatvermögen der Milliardäre kein Problem. Es ist außerdem wichtig, bei den anstehenden Tarifrunden eine deutliche Entlastung von Beschäftigten durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich sowie die Anhebung der Ausbildungsquoten zu fordern. Mehr Ausbildung und eine garantierte Übernahme von allen Azubis ohne Befristungen nach §16a TVAöD!

Die Tarifkämpfe sollten auch mit der Forderung nach dem Stop jeglicher Privatisierung und stattdessen der Rekommunalisierung aller bisher ausgegliederten und privatisierten Bereiche in den Kommunen verbunden werden. Dafür ist es wichtig, dass sich Beschäftigte in Betriebsgruppen innerhalb von ver.di und darüber hinaus organisieren und sich solidarisieren.   

= Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person