Zum Großmanöver Defender 2020

200221-A-RY767-0088.JPG Photo By: Jason Johnston

Das waren die Ziele des nun abgesagten NATO-Manövers

Wir veröffentlichen hier einen Artikel aus der Solidarität Nummer 193, der vor dem Ausbruch der Corona-Krise geschrieben worden war. Mittlerweile wurde das NATO-Großmanöver Defender 2020 eingestellt.



Im Krieg stirbt zuerst: Die Wahrheit. Im Manöver ebenso. Defender 2020, in verschiedenen Meldungen auch Defender Europe 2020, ist der Name eines Großmanövers, das die US-Armee unter Beteiligung von 18 NATO-Staaten derzeit einleitet. In Deutschland ist die Drehscheibe und Kommandozentrale des Manövers.

Von Johannes Bauer, Köln

Voraussichtlich bis Anfang April wird es darum gehen, eine Panzerdivision von ihrer Basis in den USA in ein fiktives Einsatzgebiet im Baltikum zu transportieren. Die bürgerlichen Medien schweigen über den konkreten Verband, der im Zentrum dieser Maßnahme steht, es deutet einiges darauf hin, dass es sich um die 1st Armored Division aus Fort Bliss in Texas handelt. 

Von Verteidigung, wie der Name des Manövers suggeriert, kann hier in keiner Weise die Rede sein. Eine US-Panzerdivision ist ein Kampfverband, dessen bloße Existenz ausschließlich offensive, exterritoriale Kampfhandlungen vorsieht. Die 1st Armored Divison wurde 1940 aufgestellt und hatte ihren ersten Einsatz gegen das Afrika-Korps Nazi-Deutschlands und dessen Verbündete. Seitdem ist diese Truppe an allen wichtigen Kriegsschauplätzen mit amerikanischen Truppen beteiligt gewesen, Korea, Vietnam, Operation Desert-Storm (Irak), Bosnien, Kosovo und im Irak-Krieg von 2003. 

Aggression gegen Russland?

Viele Berichte stellen einen Zusammenhang zwischen der Verlegung dieses traditionsreichen, kriegserprobten Verbandes an die Grenze zwischen dem NATO-Land Polen und Russland und den schlechten Beziehungen zwischen Russland und vielen NATO-Staaten her. Keine Frage, dass Defender 2020 eine Drohgebärde und Provokation in Richtung Moskau ist.  

Eine konkrete Kriegsgefahr im Sinne eines anstehenden Angriffs auf Russland durch konventionelle Streitkräfte ist daraus aber nicht abzuleiten. Als Hitler mit der Wehrmacht und der Waffen-SS 1941 die Sowjetunion überfiel, konnte er 153 Divisionen aufbieten und erreichte nicht einmal Moskau. Heutzutage gibt es keine seriöse Vorstellung von einem Angriff auf Russland mit der Perspektive einer militärischen Besetzung. Eine Konfrontation auf russischem Terrain mit konventionellen Waffen wäre für jede aktuelle Armee oder Allianz ein Schritt in den Untergang. Ein Krieg gegen Russland müsste mit Nuklearwaffen geführt werden und hätte die Zerstörung von dem zur Folge, wofür Kriege geführt werden: Zugang zu Märkten, Rohstoffen und billigen Arbeitskräften.
Und selbst wenn westliche Machthaber*innen solche Pläne entwickeln würden – für ein militärisches Vorgehen der NATO oder der USA gegen Russland gibt es nur in einer radikalen, isolierten, reaktionären Minderheit Unterstützung. Die Mehrheit der Arbeiter*innenklasse in den USA und in den NATO-Staaten lehnen einen Krieg gegen Russland ab. Hitler hat seinen Krieg gegen die Sowjetunion fast zehn Jahre lang ideologisch und militärisch vorbereitet und musste dazu die politische Opposition im eigenen Land in einem zähen Prozess niederschlagen und physisch vernichten. Er konnte auf einem Bewusstsein in breiten Teilen der Bevölkerung aufbauen, das die Niederlage des Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg als Schmach empfand. Heutzutage ist zwar ein Prozess der Geschichtsklitterung im Gange. Es wird versucht, das Grauen des Zweiten Weltkrieges und die Kriegsschuld Deutschlands zu verschleiern. Rechte Kräfte arbeiten daran, deutsche Gebietsansprüche im Osten wieder salonfähig zu machen, aber mit geringem Erfolg. Zwar sehen viele Menschen außerhalb Russlands im russischen Präsidenten Putin einen autoritären Herrscher, Russland erscheint aber den meisten Menschen nicht als eine besondere Bedrohung im Vergleich zu anderen Staaten. In Meinungsumfragen im Jahr 2017 hat sogar eine Mehrheit Russland mehr Vertrauen entgegengebracht als den USA unter Trump.


Jeder Teil dieses Manövers ist eine abstoßende Machtdemonstration. Die US-Armee ist ein undemokratischer, autoritärer Apparat, der das Rückgrat des amerikanischen Kapitalismus und seiner imperialistischen Bestrebungen darstellt. Die Masse der Soldaten, das Kanonenfutter, stammt aus den ärmsten Teilen der Arbeiter*innenklasse. Die Führung rekrutiert und reproduziert sich aus der Elite der reaktionären Teile der Bourgeoisie, wie in allen kapitalistischen Staaten. Über die Kosten des Manövers wird spekuliert. Bis zu 38.000 Soldaten aus 16 NATO-Staaten (plus Georgien und Finnland), ebenso viele Großobjekte, wie Fahrzeuge, Kanonen, Container etc. werden monatelang durch die Gegend geflogen, gefahren, verschifft. Üblicherweise kommen bei diesen Großübungen Menschen ums Leben. Ungeplant. Straßen werden zerstört, Felder, Wiesen und Wälder vernichtet, unglaubliche Mengen an Treibstoff verbrannt und verschüttet. Es wird zu massiven Einschränkungen des Straßen- und Schienenverkehrs kommen. Die Deutsche Bahn hat für die Bundeswehr einer Vorfahrtsregel zugestimmt. 

Am Ende stehen schneidige Offiziere und skrupellose Politiker an Mikrofonen und tischen uns Lügen auf. Aber: Ihre Luft wird dünner. In der jungen Generation und der Arbeiter*innenklasse wächst mit den modernen Medien eine Vorstellung von der Welt als einem Dorf, in dem man alle Konflikte friedlich lösen kann. Die Klimabewegung drückt das aus, ihr werden Antikriegsproteste und Klassenkämpfe folgen, die sich nicht mit den Märchen abfinden werden, die ihnen die Reaktionäre auftischen wollen, sondern sich eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft als Ausweg aus dem kapitalistischen Chaos auf die Fahnen schreiben werden.

Das sagt die Sol:

LINKE und Antikriegs-Initiativen rufen zu Protesten gegen das Großmanöver auf einschließlich von Aktionen des zivilen Ungehorsams. Das Ziel ist es, die  Manöver zu stören und möglichst zu verhindern. Das unterstützen wir. Wir fordern:

  • – Proteste gegen Defender 2020 sollten damit verbunden werden, eine drastische Senkung der Militärausgaben zugunsten von Investitionen in Umweltschutz, Gesundheit und Soziales zu fordern
  • – Deutschland raus aus der NATO 
  • – Schließung der US-Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik
  • – Bundeswehr raus aus den Schulen, Unis, Jobcentern und Messen. Rekrutierungsverbot für Minderjährige. Werbeverbot für die Bundeswehr.
  • – Sofortiges Verbot von Rüstungsexporten, Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Umstellung auf zivile Produktion
  • – Schluss mit imperialistischen Kriegen und Besatzung; Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr