Gesundheit statt Profite

Tag der Pflege in Dresden

Wäre es ein Jahr wie jedes andere, wäre das Dresdner „Bündnis für Pflege und mehr Personal im Krankenhaus“ am Tag der Pflege wieder mit einem „Walk of Care“ durch die sächsische Landeshauptstadt gezogen. Doch es ist eben kein Jahr wie jedes andere. Die pandemische Ausbreitung des Coronavirus hat Deutschland und Europa noch immer fest im Griff. Die Mängel im Gesundheitswesen und der Pflege, gegen die Pflegekräfte schon seit Jahren auf die Straße gehen, zeigen sich umso deutlicher. Und so übergaben die Aktivist*innen des Bündnisses der sächsischen Sozialiministerin Petra Köpping (SPD) einen offenen Brief.

Von Steve Hollasky, Dresden

Die „Ökonomisierung“ des Gesundheitswesens und der Pflege, dass es nur „um Profit“ gehe, sei die Ursache für den Pflegenotstand, erklärte Dorit Hollasky, Sprecherin des „Bündnis für Pflege“ und Mitglied der „Sozialistischen Organisation Solidarität“ (Sol) im Interview dem Mitteldeutschen Rundfunk (mdr).

Wie dieser Pflegenotstand auf den Stationen und in den Pflegeeinrichtungen aussieht, schilderten auf eindringliche Art die Redner*innen vor dem Sozialministerium in Dresden vor gut vierzig Pflegenden, die sich dort unter dem Motto: „Profite pflegen keine Menschen“ versammelt hatten. Die Teilnehmer*innenzahl war aufgrund der Pandemiesituation von der Versammlungsbehörde begrenzt worden. Altenpfleger Enrico berichtete von Fällen, in denen Mitarbeiter*innen in Quarantäne geschickt werden mussten. Dann wären die übrigen Pflegekräfte dazu gezwungen im Zweischichtsystem zwölf Stunden auf Arbeit bleiben zu müssen. Noch immer würden einige Pflegeheime an einem Mangel an Schutzausrüstung leiden. Er forderte die Bundesregierung auf Schutzausrüstung anhand des realen Bedarfs zu verteilen.

Dass es in der Altenpflege auch lange vor Corona nicht besonders gut aussah, zeigte Christin. In einer Nachtschicht, so ihre Erzählung, sei sie zusammen mit nur zwei anderen Pflegekräften für die Betreuung von 170 Personen zuständig gewesen. Sie forderte alle Anwesenden auf gemeinsam gegen diese Zustände zu kämpfen.

Jonas, Auszubildender als Gesundheits- und Krankenpfleger, zeigte sich in seinem Redebeitrag erschüttert darüber, dass von der Politik immer nur „Durchhalteparolen“ kämen. An den wirklichen Problemen würde hingegen „nicht geschraubt“. In der Zeit von Corona wäre die Situation durch die Umstellungen auf den Stationen mitunter so angespannt, dass Azubis ganz normale Dienste schieben müssten und die Ausbildung viel zu kurz komme.

Marvin, Gesundheits- und Krankenpfleger, forderte eine Personalbemessung, die sich am realen Bedarf ausrichtet. In diesem Zusammenhang sprach er sich gegen das „marktwirtschaftliche DRG-Fallpauschalensystem“ aus und erntete damit großen Applaus bei den Anwesenden.

Dorit Hollasky brachte dann im Beisein der sächsischen Sozialministerin die Forderungen des offenen Briefs zur Verlesung: Die Pflegenden aus verschiedenen Einrichtungen der Pflege und Dresdner Kliniken forderten darin eine besser Bezahlung, die Bereitstellung von ausreichend Schutzausrüstung, die Abschaffung der Fallpauschalen und eine am realen Bedarf ausgerichtete gesetzliche Personalbemessung, das Insourcing outgesourcter Bereiche wie Reinigung und Küche, „denn auch jene, die dort arbeiten sind unsere Kolleg*innen“, wie Dorit Hollasky erläuterte. Zudem sollten Kliniken und Pflegeeinrichtungen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten kommunalisiert werden, damit Krankheit und Pflege kein Geschäft für einige Unternehmer mehr sein kann.

Die Ministerin erklärte sich mit den Forderungen der Beschäftigten einstweilen einverstanden. Im anschließenden Interview mit dem mdr stimmte sie sogar der von den Pflegekräften vorgebrachten Forderung nach einem öffentlichen Gesundheits- und Pflegewesen zu.

Noch in diesem Jahr will das „Bündnis für Pflege“ die eigentlich für den Tag der Pflege geplante Demonstration nachholen. Denn verlassen will man sich nicht auf Politiker*innen, sondern auf die eigene Stärke.

Link zum Fernsehbericht: hier klicken

Rede der Sol auf dem „Tag der Pflege“

2010 wurden die sachsen-anhaltinischen Salzlandkliniken mit 3500 Beschäftigten an Ameos verscherbelt. Das Unternehmen gehört zur Carlyle-Group einem Hedgefonds, der Profit nicht zuletzt auch mit Waffengeschäften macht.

Ameos sparte bei den Löhnen für die Beschäftigten. Als diese vor ein paar Monaten für eine bessere Entlohnung streikten, drohte der Regionalgeschäftsführer kurzerhand mit der Entlassung von 800 Kolleginnen und Kollegen. Profit geht eben über alles, auch über eine gute Versorgung im Gesundheitswesen und auch über die demokratischen Rechte der Beschäftigten.

Das ist nur eine Szene aus so vielen Privatisierungen der letzten Jahre und sie allein zeigt schon zu genüge, weshalb wir Privatisierungen ablehnen.

War 2000 noch jedes fünfte Krankenhaus in privater Hand, waren es nach Angaben des statistischen Bundesamtes 2017 bereits 37 Prozent. Begleitet wurde die Privatisierungswelle auch von einer Welle der Krankenhausschließungen.

Und was für Krankenhäuser gilt, gilt ebenso oder sogar noch mehr für Pflegeeinrichtungen. Den nicht einmal mehr 700 Pflegeeinrichtungen in öffentlicher Hand, standen 2017 6100 private gegenüber – eine Verdoppelung innerhalb von zwanzig Jahren.

Ein Unternehmer kann in Deutschland verdammt viel Geld machen mit der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit von Menschen. Und auf die, die pflegen und die, die gepflegt werden, hat das erschreckende Auswirkungen.

In Nachtschichten in Altenpflegeheimen sind teilweise drei Pflegekräfte für 170 Menschen zuständig: Wer in die Pflege geht, will helfen und helfen kann man unter solchen Bedingungen viel zu wenig. Was für die Pflegenden eine schreckliche Erfahrung ist, wirkt sich auf die aus, die gepflegt werden müssen. Sterbebegleitung, aktivierende Pflege – all das geht auf diese Weise nicht.

Und während Pflegekräfte in allen Bereichen mit viel zu wenig Geld nach Hause gehen; während darüber gestritten wird, wer denn nun die Zulage für Pflegekräfte in der Coronakrise bezahlen soll, klingelt bei Sana, Rhön, Asklepios oder Helios täglich die Kasse. Diese schreiende Ungerechtigkeit ist nicht zu ertragen! Und deshalb lehnen wir Privatisierungen ab.

Die Bundesregierung schaffte 2004 mit der Einführung der Fallpauschalen den Anreiz zum Verkauf öffentlicher Kliniken. Nicht mehr die realen Kosten der Kliniken wurden abgerechnet. Die Krankenhäuser erhielten festgelegte Pauschalen je nach Diagnose. Wer am Personal spart, wer Patientinnen und Patienten schneller entlässt, der macht plus. Wer sich auf teure Diagnosen spezialisiert macht plus. Öffentliche Krankenhäuser, zuständig für die Vollversorgung, machen jedoch minus und so wächst der Druck auf Kommunen sie zu verkaufen. All das geht zu Lasten der Pflegequalität und zu Lasten der Pflegenden und deshalb sagen wir: Fallpauschalen abschaffen jetzt! Gebt den Krankenhäusern das Geld, das sie real benötigen, um zu helfen und zu heilen! Wir leben im viertreichsten Land der Erde. Das Geld ist da! Statt – mitten in der Coronakrise – Milliarden für den Kauf von 135 Kampfflugzeugen, inklusive dreißog Atombombern auszugeben, steckt es in die Altenpflegeheime!

Wir sehen, dass es selbst in dieser Situation überall um Profit geht. Und deshalb sollten wir weitergehende Fragen stellen.

Ich verstehe mich als Sozialist und als solcher lehne ich den Kapitalismus ab. Ich vertraue keinen Firmen, die mit Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern Geld verdienen wollen. Aber ich vertraue den Pflegekräften, die jeden Tag für uns und unser aller Wohl bis an ihre Belastungsgrenzen gehen. Und deshalb finde ich den seit Jahren laufenden Kampf der Pflegenden gegen Privatisierungen so wichtig. Weil dieser Kampf die entscheidende Frage stellt, in welcher Welt wir leben wollen: In einer Welt, in der der Profit über alles geht oder einer Welt, die den gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtum zum Wohle aller einsetzt.

Und ein letztes Wort noch zu Ameos: Der Druck der Beschäftigten führte inzwischen zur Entlassung des Regionalgeschäftsführers. Ein Teilerfolg. Ein kleiner Erfolg der Beschäftigten auch, dass selbst die SPD, die 2010 die Privatisierung der Salzlandkliniken eingeleitet hatte, noch im Februar über deren Rekommunalisierung nachdachte. Aber: Getan wurde wieder nichts und das zeigt: Was wir wollen können wir nur erreichen, wenn wir uns organisieren und es lernen es lernen gemeinsam zu kämpfen: Gegen jede Privatisierung in der Pflege und für die Kommunalisierung von Kliniken und Pflegeeinrichtungen unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten. Vielen Dank.