Streik in Bayern: Arbeitsplätze bei Voith Sonthofen erhalten

Foto: IG Metall Bayern CC BY-NC-SA 2.0

Eigentumsfrage stellen!

Eine Premiere: Erstmals finden trotz Corona Streikmaßnahmen statt.

von Sebastian Sommerer, Bayreuth/Kulmbach

Satte 98% der gewerkschaftlich aktiven Voith-Beschäftigten stimmten für die Arbeitsniederlegung. Die fünfhundert Beschäftigten kämpfen für ihre Arbeitsplätze im Werk des Maschinen- und Anlagenbauers in Sonthofen im bayerischen Oberallgäu.

Alternativkonzept der IG Metall

Dem Kampf um den Erhalt des Werkes und der Arbeitsplätze gehen monatelange Auseinandersetzungen voraus. Bereits im Herbst 2019 hatte die Unternehmensleitung bekanntgegeben, das Werk schließen zu wollen. Seither war die IG Metall in Verhandlungen mit der Geschäftsführung und es hatten bereits drei Warnstreiks stattgefunden. Die Gewerkschaft hatte sogar ein Alternativkonzept vorgelegt, mit dem das Werk erhalten werden soll. Die Geschäftsführung lehnte dies schlicht ab.

Die Kolleg*innen befinden sich nun bereits seit mehr als zwei Wochen in einem harten Arbeitskampf. Das Management versuchte aktuell, mit einer „Streikbrecher-Prämie“ Kolleg*innen zum Streikbruch zu animieren – selbst ehemalige Mitarbeiter*innen sollen hierzu aufgefordert worden sein! Das jedoch ohne Erfolg und die Beschäftigten zeigten deutlich, was sie davon halten: Sie entsorgten die Anschreiben der Geschäftsführung kurzerhand in einer Papiertonne vor dem Voith-Werk. Selbstverständlich wurden hierbei die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen zum Schutz vor Corona eingehalten und so bildete sich eine Menschenschlange aus zweihundert Kolleg*innen rund um das Werk. – Keine einzige Person betrat das Werk! Solidarität und Arbeitskampf sind also auch in Zeiten von Corona möglich!

Traditionsreiches Werk in der Region

Das Werk kann auf eine lange Tradition zurückblicken, denn die Wurzeln dessen reichen über fünfhundert Jahre zurück. Kein Wunder, dass es eine starke regionale Verbundenheit zum Betrieb gibt. Die Beschäftigten produzieren große Spezialgetriebe, beispielsweise für Kraftwerke. Insgesamt verfügt der Konzern Voith über 19.000 Beschäftigte in der Produktion für Papiermaschinen, Antriebstechnik und Turbinen für Wasserkraftwerke.

Im Geschäftsjahr 2018/19 konnte bei einem Umsatz von 4,3 Milliarden Euro eine Konzerngewinn von 72 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Auch das Werk in Sonthofen produziert gewinnbringend. Weshalb soll es nun geschlossen werden?

Schließungen um des Profits Willen

Die offizielle Argumentation des neuen Voith-Chefs, Taral Haag, lautet: In Deutschland seien zu viele kleine Werke vorhanden und dies würde zu hohe Kosten mit sich bringen. Deshalb sollen auch zwei weitere Werke in Zschopau und Mühlheim dicht gemacht werden. Auch hier muss für den Erhalt gekämpft werden. In Sonthofen wird fast ausschließlich in Einzelfertigung produziert, was mit einem großen Fachwissen der Kolleg*innen einher geht. Das zeigt bereits das enorme Potenzial, bei entsprechenden Investitionen auch für neue Technologien gerüstet zu sein. Ebenso ist eine Verlagerung auch nicht so leicht möglich, wie die Geschäftsführung einen glauben lassen möchte.

In einem Interview mit dem Handelsblatt offenbart sich aber der wahre Grund für die Schließungen: Die Umsatzrendite (der Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) von derzeit vier Prozent soll gesteigert werden und die Kapitalrendite (der Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital) soll von zehn auf satte 15 Prozent gesteigert werden – und das auf Kosten der Beschäftigten.

Das zeigt mal wieder: Die Logik des Kapitalismus selbst und der Zwang, Profite beständig zu steigern, stehen im Widerspruch mit dem Bedürfnissen der Menschen nach einem gesicherten Einkommen und Planbarkeit. Es ist gut, dass die IG Metall den Streik organisiert. Es ist dabei sehr wichtig, dass das Ziel des Erhalts des Werkes und aller Arbeitsplätze bleibt. In der vergangenen Krise hat die IG Metall-Führung häufig auf Sozialpläne gesetzt. Ein Sozialplan bietet, besonders angesichts der zu erwartenden Krise mit hoher Arbeitslosigkeit, keine Perspektive. Die streikenden Kolleg*innen sollten deshalb selbst über über den Verlauf von Verhandlungen und die nächsten Kampfschritte beraten und demokratisch entscheiden können.

Die Eigentumsfrage stellen

Um die Arbeitsplätze des Werkes langfristig zu sichern, sollte aufgezeigt werden, dass es auch möglich ist, die Eigentumsfrage zu stellen. Die IG Metall sollte als Ausweg die Übernahme der bedrohten Werke mitsamt der Produktionsanlagen in Gemeineigentum fordern und dass sie unter die Führung der Beschäftigten gemeinsam mit den Gewerkschaften gestellt werden. Entschädigungen sollten nur an jene Eigentümer ausbezahlt werden, die eine Bedürftigkeit nachweisen können – denn die Besitzer haben jahrelang von der Arbeit der Beschäftigten profitiert und sind nun bereit, diese für ihre Profite in die Arbeits- und Perspektivlosigkeit zu stürzen.

Aktiv werden! – Kapitalismus abschaffen!

Im Kampf um ein gutes Leben ist es nötig, selbst aktiv zu werden. Aufgrund der Krise des kapitalistischen Systems werden immer mehr Beschäftigte gezwungen sein, ihre Arbeitsplätze und Einkommen gegen die Fraktion des Kapitals zu verteidigen. Deshalb ist es auch jetzt dringend notwendig, dass die Gewerkschaften generell die Eigentumsfrage stellen. Konzerne und Unternehmen, die mit Schließungen oder Entlassungen drohen, sollten in öffentliches Eigentum überführt und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten, Gewerkschaften weiter geführt werden. Daneben muss es ein öffentliches Investitionsprogramm in die Bereiche Soziales, Bildung, Gesundheit und Umwelt zur Schaffung sicherer und tarifgebundener Arbeitsplätze geben – finanziert durch die Profite der Banken und Konzerne!

Macht mit bei den Sozialist*innen: Für eine sozialistische Welt, in der nach den Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen entschieden wird und nicht danach, was Profit für die Besitzenden verspricht!

Quellen: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/werk-in-sonthofen-streik-gegen-werksschliessung-bei-voith-die-mitarbeiter-sind-verunsichert/25766734.html?ticket=ST-122971-YNiuF61kbYez3lArjUUl-ap4

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/familienunternehmer/toralf-haag-voith-chef-wir-haben-zu-viele-kleine-werke-in-deutschland/25230194.html?ticket=ST-466154-dPkkTqMbZHYbufNGX5CJ-ap6

https://www.igmetall.de/im-betrieb/streik-trotz-corona-bei-voith-in-sonthofen