Wiener Wahlen: FPÖ dezimiert

Achtungserfolg für LINKS – Wahlbeteiligung massiv gesunken

  • SPÖ erste – aber wie geht es weiter?
  • FPÖ dezimiert – aber Bedingungen für Rechtspopulismus bestehen nach wie vor!
  • Links, Bierpartei und SÖZ erreichen Bezirksratsmandate – wie für den Aufbau einer neuen Arbeiter/innenpartei nutzen?
  • Links sollte die Warnstreiks bei MAN und die öffentliche Betriebsversammlung bei Mayr-Melnhoff am 15.10. als ersten Schritt unterstützen – und für eine Zusammenführung der verschiedenen Kämpfe einstehen!

Stellungnahme der Sozialistischen Offensive (Schwestergruppe der Sol in Österreich)

Viele, die in den letzten Jahren gegen die FPÖ auf die Straße gegangen sind, sind über das Ergebnis der Wiener Wahlen nun wohl erleichtert. Die FPÖ wurde ordentlich dezimiert und kleine Parteien die eher der Linken zugerechnet werden, konnten mit zusammengezählt fast 6% ein Achtungsergebnis einfahren und einige Bezirksratsmandate erobern. LINKS konnte 23 Bezirksratsmandate erreichen und hat das relativ beste Ergebnis der Linken seit Jahrzehnten erreicht.

Wahlen sind jedoch immer nur eine Momentaufnahme. Die FPÖ hat bereits nach ihrer ersten Regierungsbeteiligung 2000 auf Wahlebene verloren, nur um später wieder aufzuerstehen. Besonders in der Krise besteht Raum, den Rechtspopulisten gut besetzen können, wenn der Unmut über die soziale Situation, Jobverluste und steigende Lebenserhaltungskosten nicht von links aufgegriffen wird. Der ÖVP ist diesmal nur zum Teil gelungen durch Rassismus aus diesem Pool zu schöpfen.

Den größten Zuwachs bei dieser Wahl konnten die Nichtwähler/innen verzeichnen – alle großen Parteien haben in absoluten Zahlen stimmen verloren, auch die SPÖ. Die Wahlbeteiligung liegt, wenn man alle mitzählt die nicht wahlberechtigt sind, bei unter 50%. Dennoch wurde die SPÖ bei dieser Wahl relativ gestärkt und ging in der öffentlichen Wahrnehmung als „Wahlsiegerin“ hervor.

Ludwig ist mit dem Versprechen angetreten, „um jeden Job zu kämpfen“. Das war eines der wichtigsten Wahlmotive. Das relativ gute Ergebnis der SPÖ ist daher der wirtschaftlichen Krise geschuldet – der SPÖ wird zugetraut das gut managen zu können. Allerdings hat die SPÖ auch gut abgeschnitten weil es noch nichts gab für das sie in den Augen der Menschen abgestraft werden mussten. Wir stehen am Beginn der Krise. Die SPÖ hat viel Geld in die Hand genommen um vor den Wahlen als guter Krisenmanager zu erscheinen. Das Nulldefizit und eventuelle Sparideen wurden schnell wieder auf die lange Bank geschoben. Aufgeschoben ist allerdings nicht aufgehoben. Die SPÖ steht fest mit beiden Beinen auf dem Boden des Kapitalismus. Das bedeutet, dass sie der Logik des Kapitalismus nichts entgegenzusetzen hat – und das wird sich früher oder später zeigen. Die öffentlichen Beteiligungen an krisengebeutelten Unternehmen sind nur temporär gedacht und sollen später wieder privatisiert werden. Es ist sehr wahrscheinlich dass zu einem späteren Zeitpunkt die Rechnung für Corona bezahlt werden muss und dann Einsparungen auch in Wien kommen können, die dann wieder die Basis für eine Erholung des Rechtspopulismus legen könnten. Das gilt besonders dann wenn auch Links die Verantwortung die nun in ihren Händen liegt nicht nutzt. 

Falls Ludwig nun aber mit ÖVP oder Neos koalieren sollte, könnte sein, dass sich der Zuspruch zur SPÖ sehr schnell in Wut wenden könnte – 54% der SPÖ Wähler/innen wollen eine Fortsetzung von Rot-Grün, nur 12 bzw. 10% eine Koalition mit der ÖVP oder den Neos. Beide würden für einen neoliberalen Kurs stehen, der vermutlich in Wien nicht viel Anklang finden wird – besonders zu Beginn der Krise. Gleichzeitig hat der SPÖ-Bezirksvorsteher der Donaustadt wegen der Konflikte mit den Grünen über den Lobautunnel sich bereits für eine Zusammenarbeit mit den Neos ausgesprochen. Auch der SPÖ-Bezirksvorsteher der Leopoldstadt zeigte Sympathien in diese Richtung.

Die Grünen konnten zwar in Prozenten ein besseres Ergebnis als 2015 verzeichnen, als viele SPÖ statt Grüne gewählt hatten um die FPÖ abzuwehren. Allerdings haben auch sie in absoluten Stimmen verloren – und sie blieben hinter den 20% bei den Nationalratswahlen des letzten Jahres. Der Lack ist ab, die Grünen konnten z.B. im Migrationskurs der ÖVP nichts entgegensetzen. Die Tatsache dass 9000 grüne Stimmen an die „Sonstigen“ – und davon vermutlich zu einem Teil an Links – gegangen ist, zeigt dass viele damit unzufrieden waren wie sie mit Moria umgegangen sind.

Viele FPÖ-Wähler/innen waren aus Enttäuschung über Ibiza und die Korruption der FPÖ an der Regierung zuhause geblieben – ähnlich wie, aber in viel stärkerem Ausmaß als 2005, als die FPÖ sich nach ihrer ersten Regierungsbeteiligung gespalten hatte. 2020 kam die FPÖ auf knapp über 50.000 Stimmen bei 65% Wahlbeteiligung, das sind knapp 7%. 2005 kam sie bei niedrigerer Wahlbeteiligung (60%) auf 15% mit knapp über 100.000 Stimmen. 2010, als sie bereits begann sich wieder zu erholen, kam sie bereits wieder auf fast 200.000 Stimmen bei 67% Wahlbeteiligung und kam damit wieder auf 26%.  2015 konnten sie noch 250.000 Stimmen bei knapp 75% Wahlbeteiligung auf sich vereinen. Laut Wählerstromanalyse blieben über 100.000 FPÖ Wähler/innen diesmal zu Hause. 43.000 ehemalige FPÖ Stimmen gingen an die ÖVP, 32.000 an die SPÖ.

Die ÖVP konnte also nur begrenzt mit Rassismus die FPÖ Wähler/innen auffangen. Das mag damit zu tun haben, dass die ÖVP in Wien aus historischen Gründen für viele vielleicht immer noch unwählbar ist bzw. als Schnöselpartei gesehen wird. In den Gemeindebauten kam die ÖVP nur auf 14%.

Die Wahl 2015 war aufgrund der Debatte um die Flüchtenden aus Syrien wie auch aufgrund des drohenden hohen Ergebnisses der FPÖ sehr polarisiert. SPÖ wie auch FPÖ konnten dadurch mobilisieren. Dass diese Polarisierung diesmal wegfiel, half den kleineren Parteien. Sie kamen gemeinsam auf  25.000 Stimmen auf Gemeindeebene und auf 40.000 Stimmen auf Bezirksebene. Bei Jugendlichen kamen die „Sonstigen“ sogar auf über 12% (während die ÖVP in dieser Gruppe nur auf 7% kam). Auch die Erstwähler zwischen 16 und 18 spielten hier eine wichtige Rolle. Einige von ihnen können vielleicht auch als Aktivist/innen gewonnen werden. Auf Bezirksebene erhielt Links 23 Mandate, SÖZ 8 Mandate  und die Bierpartei 11 Mandate. Das zeigt den Raum den es links von SPÖ und Grünen für eine neue Kraft gibt, auch wenn die Bierpartei ein Satireprojekt und SÖZ eigentlich kein linkes Projekt ist. Es ist dennoch eine wichtige Erfahrung, dass es möglich ist diesen Raum zu besetzen und ein gutes Ergebnis auf Wahlebene zu erreichen.   

SÖZ greift zwar soziale Forderungen auf, allerdings dürfte sie ein Projekt von Erdogan-Unterstützer/innen sein. Es besteht die Gefahr dass SÖZ lediglich als „Migrant/innenpartei“ gesehen wird bzw. sie sich nicht ausreichend von islamisch-fundamentalistischen Kräften distanzieren. Sie bauen ihre Basis hauptsächlich unter konservativen migrantischen Schichten auf bzw. versuchen nicht oder zu wenig Spaltungen unter Migrant/innen bzw. zu Nicht-Migrant/innen zu überwinden.  

Es ist möglich dass die Bierpartei auch Stimmen von der FPÖ aufgefangen hat. Im Unterschied zu Links hatten sie gute Ergebnisse in den Arbeiter-Flächenbezirken. Links hatte Schwierigkeiten Arbeiter/innen zu mobilisieren.  Diese Schwierigkeiten hatte die Bierpartei nicht, allerdings hatte sie auch kein Programm.  LINKS behauptet, ihr schlechtes Abschneiden in den Flächenbezirken habe damit zu tun, dass sie diese nur ungenügend abdecken konnten, aber das geht am Kern des Problems vorbei. Links hat zwar in traditionellen Arbeiterbezirken wie dem 15., 16., 17., 5. oder 20. Bezirk gut abgeschnitten, allerdings sind dies auch Bezirke wo es eine beginnende Gentrifizierung und Änderung der Zusammensetzung der Bevölkerung gibt.  Der bürgerlich-liberale Falter hatte in einem Artikel im Wahlkampffinale den Finger in diese Wunden von Links gelegt und Links als utopisch bezeichnet was die Flüchtlingsfrage und die Enteignungsfrage angeht bzw. Links Abgehobenheit im Bezug auf die Geschlechterfrage vorgeworfen – nicht ganz zu unrecht. Die Frage der Aufnahme von Geflüchteten muss immer mit dem gemeinsamen Kampf für mehr Ressourcen für alle verbunden werden. Sonst können Rechtspopulisten Migrant/innen die Schuld für durch den Kapitalismus verursachte Mangelzustände in die Schuhe schieben. Die Frage der Enteignung muss mit einer vollständigen Übernahme der betroffenen Betriebe in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und der Gesellschaft verbunden werden sowie mit der Planung der vorhandenen Ressourcen des Planeten. Und Fragen der Diskriminierung lassen sich nicht durch Quoten bei Jobs lösen, vor allem in Zeiten wo verfügbare Jobs immer rarer werden. Stattdessen brauchen wir einen gemeinsamen Kampf der Arbeiter/innenklasse egal welcher Herkunft, Geschlecht oder Orientierung gegen Unterdrückung, für mehr Ressourcen und für eine sozialistische Gesellschaft mit demokratisch geplanter Wirtschaft um Diskriminierung den Boden zu entziehen. Wenn eine Linke Partei eine Kampagne führt die die Bread and Butter Issues und Klassenfrage aufgreift und Fragen der Unterdrückung mit der sozialen Frage verbindet, und gleichzeitig eine Sprache findet, die nicht auf ein akademisches Milieu abzielt dann kann Links Stimmen von enttäuschten Arbeiter/innen gewinnen.

 Links hat mit fast 20.000 Stimmen auf Bezirksebene und 15.000 Stimmen auf Gemeindeebene ein gutes Ergebnis eingefahren. Sie haben zwar die 5-Prozenthürde verpasst, aber in den Augen der Aktivist/innen jener, die sie gewählt haben, ist das Abschneiden vermutlich durchaus ein Erfolg. Links hat einen aktiven Wahlkampf auf der Straße gefahren, waren auf vielen Demonstrationen präsent, haben Aktionen gesetzt, auch zur Frage von Kündigungen und Arbeitslosigkeit.

Dieses Ergebnis bedeutet aber eine Verantwortung für Links. Mit 23 Bezirksräten hat LINKS nun fast viermal so viele Bezirksräte wie Wien Anders 2015.  Die Frage ist was sie jetzt damit tun. Gewählte Vertreter/innen von LINKS sollten keine Privilegien erhalten, das Geld sollte in politische Arbeit fließen. Sie sollten sich gleichzeitig durch Rechenschaftspflicht und jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der demokratischen Kontrolle durch die Aktivist/innen von Links stellen. Die Tatsache dass Links nun einiges an Förderung bekommt ist auch ein Test wie mit dem Geld umgegangen wird. Wenn Links sich von diesem Geld abhängig macht, kann ein opportunistischer Druck entstehen bei Wahlen inhaltliche Abstriche zu machen um aus karrieristischen Gründen wiedergewählt zu werden.

Die Mandate von Links sollten genutzt werden um die Bewegung weiteraufzubauen – eine Bewegung die Antworten auf die wirtschaftliche Krise gibt. Links hat im Wahlkampf begonnen diese Fragen aufzugreifen, mit Aktionen gegen Kündigungen etc. – die Herausforderung wird sein, sich in die Abwehrkämpfe gegen Betriebsschließungen und Personalabbau, auch außerhalb von Wien, einzuklinken. Links hat sich bereits in verschiedene Bewegungen eingeklinkt, auch darauf muss aufgebaut werden, mit dem Ziel dass sowohl diese Bewegungen Erfolge erzielen wie auch die Basis für eine neue Arbeiter/innenpartei gelegt wird. 

Links braucht dafür ein Krisenprogramm das sich an folgenden Punkten orientiert:

-Lebensstandards verteidigen!

-Wir zahlen nicht für diese Krise – die Reichen sollen zahlen!

-Nein zu Personalabbau und Betriebsschließungen – Kampf um jeden Arbeitsplatz!

-Nein zu Lohnverzicht!

-Verteidigung aller gewerkschaftlichen Rechte!

-Verteilung der Arbeit auf alle statt Massenarbeitslosigkeit: 30h-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

-Nein zu Angriffen auf das Arbeitslosengeld – keine schrittweise Absenkung im Abtausch zu einer Erhöhung zu Beginn! Keine Schikanen für Arbeitslose, keine Befristung, eine Höhe von der man Leben kann!

-Keine Kürzungen bei Pensionen, Gesundheit, Bildung, und Soziales! Stattdessen ein Investitionsprogramm für Gesundheit, Bildung, Soziales – keine Milliarden für die Kapitalist/innen!

-Verstaatlichung von Betrieben die geschlossen werden sollen oder die Personalabbau betreiben – aber auch von profitablen Betrieben – unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und der Gesellschaft, Entschädigung nur für Kleinaktionäre!

-Eine demokratisch nach den Bedürfnissen der Beschäftigten und der Gesellschaft geplante Wirtschaft, Umstellung der Produktion durch diese!

-Bruch mit dem Kapitalismus und eine sozialistische Gesellschaft um zu verhindern dass die Arbeiter/innenklasse für diese Krise bezahlen muss!

Ein erster Schritt könnte sein am 15.10. die Warnstreiks und Demonstration bei MAN in Steyr und die Betriebsversammlungen bei Mayr-Melnhoff zu unterstützen. Damit könnte der Aufbau einer bundesweiten Kraft links von SPÖ und Grünen gestartet werden.