Kampfkraft nicht genutzt

Ernüchterndes Ergebnis mit langer Laufzeit in der Tarifrunde Bund und Kommunen

Nach etlichen Warnstreiks, an denen sich zehntausende Kolleg*innen beteiligten, kam es nach der dritten Verhandlungsrunde zu einer Einigung in der Tarifrunde für die öffentlichen Beschäftigten bei Bund und Kommunen. 

Von Jan Horsthemke, ver.di Vertrauensperson Stadt Dortmund*

Für die Mehrheit der Beschäftigten bedeutet das Ergebnis ab April nächsten Jahres eine durchschnittliche Lohnerhöhung um 1,4 Prozent beziehungsweise mindestens fünfzig Euro. ab April 2022 um 1,8 Prozent. In den ersten sieben Monaten des Tarifvertrages gibt es keine Tabellenerhöhung, dafür eine Corona-Einmalzahlung in Höhe von 600 Euro für die unteren und mittleren Lohngruppen, 400 bzw. 300 Euro für höhere Lohngruppen. Die Arbeitszeiten in Ostdeutschland sollen ab 2023 – nach dann 33 Jahren, endlich auf 39 Stunden pro Woche angeglichen werden. Für Beschäftigte in der Pflege, an den Flughäfen und bei der  Sparkasse wurden Sonderregelungen getroffen.

Dreiste Arbeitgeber

Ausgehend von der ursprünglichen ver.di Forderung von 4,8 Prozent Lohnerhöhung und einem Mindestbetrag von 150 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, muss festgestellt werden, dass lediglich ein Bruchteil des Geforderten herausgeholt wurde. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA,) angeführt vom Lüneburger SPD-Oberbürgermeister Ulrich Mägde, machten während der ganzen Tarifauseinandersetzungen klar, wohin die Reise ihrer Meinung nach gehen soll. Sie wollten die schwierigen Rahmenbedingungen durch die Pandemie nutzen, um die Beschäftigten im öffentlichen Dienst für die Kosten der Krise zahlen zu lassen.

Eben diese Herangehensweise der Arbeitgeber, die von der ver.di-Führung um Frank Werneke zurecht als „dreist“ und „unverschämt“ bezeichnet wurde, wird jetzt als Argumentationsgrundlage genutzt, um das schwache Verhandlungsergebnis von Seiten der ver.di-Spitze zu verteidigen.

Verteilungskämpfe

Gerne wird auf Bereiche in der privaten Wirtschaft verwiesen in denen die Lage der Lohnabhängigen dramatischer ist. Somit leistet die ver.di-Führung dem Argument der Arbeitgeber, dass man sich freuen könne, solange man noch einen Arbeitsplatz hat, noch Vorschub.  Auf solch eine Logik dürfen sich Gewerkschaften und Aktivist*innen niemals einlassen. Stattdessen wäre es vonnöten gewesen, breite Solidarität zu organisieren und klarzumachen, dass Arbeitskämpfe – gerade auch in der Krise -Verteilungskämpfe sind. Es wurden riesige Milliardenpakete geschnürt, um Konzernen unter die Arme zu greifen, die mitunter Dividenden ausschütten und ihre Arbeiter*innen gleichzeitig in Kurzarbeit schicken oder wie bei Lufthansa 27.000 Stellen streichen,. Vor diesem hintergrund müssen Erklärungen von bürgerlichen Politiker*innen, dass Lohnerhöhungen nicht finanzierbar wären, als politische Stimmungsmache entlarvt werden. Denn schließlich sehen es Bundes- und Landesregierunge nicht so eng, wenn es darum geht, den Wehretat immer weiter zu erhöhen. Gegen den Volkssport der Vermögenden – die Steuerhinterziehung – wird ebenso nicht vorgegangen. Dies kostet jedes Jahr riesige Milliardensummen, die man für sinnvolle Investitionen nutzen könnte. 

Kampfbereitschaft und Pandemie

Obwohl die Warnstreiks mit jeweils tausenden Streikenden zeigten, dass die Arbeitgeber und einige Gewerkschaftsfunktionär*innen mit ihrer Prognose einer fehlenden Kampfbereitschaft falsch lagen, wird der Eindruck vermittelt, als hätte man das maximal Mögliche erreicht. Dabei hat die Empörung und Kampfbereitschaft während der Warnstreiks zugenommen. Zweifel bei einer Schicht von Kolleg‘innen, die es durchaus gab, hätten mit einer kämpferischen Linie ausgeräumt werden können. Wären die Streiks von der offensiv vorgetragenen Forderung nach einer kräftigen Besteuerung großer Vermögen begleitet worden, wäre deutlich gemacht worden, dass es jetzt nötig ist in den öffentlichen Dienst zu investieren, anstatt ihn weiter kaputt zu sparen, wäre eine notwendige und breite Diskussion für allgemeine Umverteilung angestoßen worden. Auf einer solchen Basis hätte man sowohl die Kolleg*innen für einen richtigen Streik mobilisieren können, als auch aktive Unterstützung in der arbeitenden Bevölkerung aufbauen können. Denn gerade jetzt, während der Pandemie, ist doch umso deutlicher, wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung, kleinere Gruppen in Kitas, Rettungsdienste, mehr Busse und Bahnen und vieles mehr ist. 

Nun geht es darum, eine kämpferische Opposition innerhalb von ver.di aufzubauen, um zukünftig wirkliche Verbesserungen zu erreichen. 

Siehe auch Stellungnahme vom „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ www.netzwerk-verdi.de

*Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person

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