Bremen: Die Geduld schwindet

Eine Zwischenbilanz zur Regierungsbeteiligung der LINKEN in Bremen

In dem Bundesland mit der höchsten Armutsquote und steigender Arbeitslosigkeit regiert seit August 2019 DIE LINKE, und damit eine Partei mit sozialistischem Anspruch, zusammen mit den prokapitalistischen Parteien Grüne und SPD. Wo Wahlversprechen zu Beginn Hoffnungen geweckt haben, lässt sich nach mehr als einem Jahr bestenfalls noch Geduld wahrnehmen. 

Von Hans Neumann, Hildesheim

In der Gesundheitsversorgung wagen es die Regierungslinken nicht, sozialistische Maßnahmen gegen die Profitorientierung umzusetzen. Bezüglich einer vom Unternehmen GENO betriebenen Klinik, die aufgrund von Personalnot zahlreiche Betten nicht nutzen kann, verlangt die LINKE-Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard in Interviews, dass sich das Krankenhaus wirtschaftlich besser aufstellen, also sparen, soll. Insbesondere müssten Patient*innen “nach ihrer Behandlung schneller entlassen werden”, wie sie dem online-Portal butenundbinnen.de am 13. Dezember letzten Jahres erklärte. Kritik dafür erntete sie von Arbeiter*innenvertretern wie Markus Rohdenbrug vom Klinikum Bremen Ost, ver.di organisierte Proteste vor dem Krankenhaus.

Brotkrumen in der Haushaltspolitik

In der Haushaltspolitik verteidigt DIE LINKE den Status quo: Sozialabbau oder die massenhafte Armut wurden nicht bekämpft. Bereits in der Präambel zum Koalitionsvertrag wurde die Verpflichtung zum “sparsam[en] wirtschaften” (S. 3) festgelegt. Es handelt sich um einen Armutshaushalt. 

Zwar wurde während der Corona-Pandemie immerhin die Schuldenbremse umgangen, in einem Interview ließ Finanzsenator Strehl (Grüne) aber bereits verlautbaren, dass sie in den nächsten Jahren wieder angewandt wird. Es sei absehbar, dass künftig mit noch weniger Geld kalkuliert werden müsse.

DIE LINKE sollte Armut skandalisieren, und den Kampf um höhere Sozialausgaben und gegen Sparinstrumente wie die Schuldenbremse organisieren, statt sich an der Verwaltung der Misere zu beteiligen!

Polizeigesetz: Mehr Repressionsmöglichkeiten

Als Reaktion auf Proteste gegen das neue Polizeigesetz wurden gut klingende Maßnahmen, wie ein Verbot von Racial Profiling (also rassistische Untersuchungen aufgrund von äußeren Merkmalen der Betroffenen), die Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten und eine Höchstdauer bei Ingewahrsamnahmen eingeführt.

Racial Profiling ist zwar nun verboten, war aber ohnehin niemals offiziell erlaubt. Da anlasslose Kontrollen erlaubt bleiben, wenn “diese Maßnahme auf Grund von auf die Person bezogenen Anhaltspunkten erforderlich ist” (§ 27 Abs. 1 Nr. 2. a) BremPolG), ändert sich in Zukunft diesbezüglich überhaupt nichts.

Der präventive Polizeigewahrsam kann nun legal mal eben für 96 Stunden ausgesprochen werden! Amnesty International erklärte am 25. August, dass die Funktion des Polizeibeauftragten zahnlos sei, da er “keine eigenständigen Ermittlungen durchführen” kann. Diesen Scheinverbesserungen steht eine ganze Reihe an Verschlechterungen gegenüber: Mobiltelefone dürfen geortet und Telefonverbindungen gekappt werden, Videoüberwachungen dürfen auch bei Großveranstaltungen und in der Gewahrsamszelle stattfinden, Telefonate und SMS können mit richterlichem Beschluss präventiv abgehört werden. Derartig weitreichende Kompetenzen könnten irgendwann gegen eine kämpfende Arbeiter*innenbewegung eingesetzt warden.

Eine wirkliche Verbesserung wäre es, staatliche Überwachungen einzuschränken und die Polizei durch unabhängige und demokratisch gewählte Komitees aus Gewerkschaften, Datenschutzinitiativen, Migrant*innenverbänden, lokaler Bevölkerung und Jurist*innen zu kontrollieren.

Migration: Warme Worte und harte Maßnahmen

Der Flüchtlingsrat Bremen verurteilte am 27. Oktober die Landesregierung, weil die Leistungen alleinstehender Geflüchteter in Gemeinschaftsunterkünften um zehn Prozent gekürzt wurden. Laut Innenbehörde wurden im letzten Jahr so viele Menschen abgeschoben, wie in den Jahren zuvor. Auch wenn in diesem Jahr die Anzahl von Abschiebungen coronabedingt niedriger sein dürfte, ist wieder mit einer Intensivierung von Abschiebungen zu rechnen, sobald die Pandemie abgeklungen ist. Denn genau das ist das erklärte Ziel im Koalitionsvertrag. 

Noch nicht zu spät!

Schon jetzt sinkt die Geduld. Die soziale Bewegung artikuliert deutlich Kritik an der Landesregierung. Statt sich auf das Parlament zu fixieren und dort krumme Kompromisse zu schmieden, sollte DIE LINKE Widerstand gegen Profitstreben und schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen mobilisieren. 

Es zeigt sich, dass mit SPD und Grünen keine linke Politik umzusetzen ist und der Regierungseintritt ein Fehler war. Nun werden Regierungsbefürworter*innen argumentieren, dass ein Austritt aus der Koalition eine Rechtsverschiebung zur Folge hätte. Doch das kleinere Übel bleibt ein Übel. DIE LINKE sollte sich aus der Regierung verabschieden und dies offensiv damit begründen, dass weitgehende Verbesserungen für die Arbeiter*innenklasse und sozial Benachteiligten der Stadt mit dieser Koalition nicht zu machen sind. Gleichzeitig sollte sie dem Fortbestehen einer rot-grünen Landesregierung nicht im Weg stehen und eine Politik der parlamentarischen Einzelfallentscheidung betreiben: Gesetze, die die Lage der Bevölkerung verbessern werden unterstützt, Verschlechterungen abgelehnt. Ihre Kraft und Energie sollte die Partei dann auf die Organisierung von Bewegungen und sozialen Kämpfen richten, zum Beispiel indem sie Gewerkschaften und Aktivist*innen zu einem Aktionsgipfel zur Koordination des Widerstands einlädt.

Diejenigen, die für eine Alternative zum Kapitalismus stehen, dürfen die Linkspartei aber nicht aufgeben und sollten sich zusammen mit Sol-Mitgliedern und anderen in der Antikapitalistischen Linken (AKL) sammeln. Nur so können Kritiker*innen eines Kurses wie in Bremen vereint und das Ruder in Richtung einer echten Alternative gelenkt werden.