Reallohnverluste und weitere Flexibilisierung

Foto: IG Metall Bayern CC BY-NC-SA 2.0

Tabubrüche beim Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie

Die letzte Tabellenerhöhung in der Metallindustrie hat es 2018 gegeben. Mit dem Tarifabschluss im Frühjahr bleibt sie im Flächentarifvertrag weiter aus. Und selbst bei VW bekommen die Beschäftigten trotz 8,8 Milliarden Euro Gewinn erst im Januar 2022 eine Tariferhöhung von 2,3 Prozent. Eine Einmalzahlung von 500 Euro im Flächentarifvertrag und eintausend Euro im Haustarifvertrag bei VW bedeuten fortgesetzten Reallohnabbau zugunsten der Unternehmensprofite.

von Ursel Beck, Stuttgart

Das auf Dauer vereinbarte Transformationsgeld („Trafobaustein“) von 18,4 Prozent eines Monatsgehalts für 2021 und 27,6 Prozent in den Folgejahren ist keine Lohnerhöhung und ein weiterer tariflicher Tabubruch. 

Lohnerhöhung kann entfallen

Betriebe, die weniger als 2,3 Prozent Nettoumsatzrendite erzielen, können für 2021  „durch einfache Erklärung den Anspruch entfallen lassen“. Auch bei Arbeitszeitverkürzung kann das Transformationsgeld entfallen. Dabei ermöglicht der Tarifvertrag auch, dass alle Beschäftigten eines Betriebes „solidarisch mit einem Teil ihres Trafobausteins, die Arbeitszeit-Absenkung von betroffenen Beschäftigten finanziell abfedern.“ Statt Umverteilung von der besitzenden Klasse also Umverteilung in der Arbeiter*innenklasse. In den Fällen, in denen das  Transformationsgeld den Beschäftigten als Lohn ausbezahlt wird, erfolgt diese Auszahlung erst, nachdem es jeweils immer bis Februar des Folgejahres als zinsloser Zwangskredit für die Unternehmer*innen dient. 

„Zukunftstarifverträge“

Außerdem können die Betriebsparteien vereinbaren, dass bei schlechter Wirtschaftslage das Weihnachtsgeld halbiert wird. Auch für Arbeitszeitverkürzung kann das Weihnachts- sowie das Urlaubsgeld gestrichen werden.  Der von der IG Metall behauptete „Teilentgeltausgleich“ ist Etikettenschwindel, weil die Arbeitszeitverkürzung von den Beschäftigten selbst finanziert wird. Die Unternehmer*innen bekommen die von ihnen immer wieder geforderte Flexibilisierung der Arbeitszeit durch einen Arbeitszeitkorridor von 34 bis 36 Wochenstunden durchschnittliche betriebliche Arbeitszeit. Dabei können die Unternehmer*innen je nach Auftragslage die Arbeitszeiten senken und erhöhen. Bei hoher Teilzeitquote können sie mehr Beschäftigte auch vierzig Stunden arbeiten lassen. Erstmals gibt es in einem Tarifvertrag betriebliche Standortvereinbarungen als „Zukunftstarifverträge“ mit einem festgelegten Prozedere: „Auf Konfliktlösungsmechanismen wird bewusst verzichtet, wichtig ist die partnerschaftliche Umsetzung der Betriebsparteien“.

Kampfbereitschaft

Dieser Tarifabschluss kam in einer Zeit anziehender Konjunktur und steigender Gewinne in großen Unternehmen. In vielen Betrieben der Autoindustrie hatte es einen Wechsel von Kurzarbeit zu Überstunden gegeben. Der Unmut über die Vernichtung von Arbeitsplätzen und die Verlagerung von Produktion in Niedriglohnländer befeuerte die Kampfbereitschaft. „Kampffähig trotz Corona“ stand auf einem Banner der Kolleginnen und Kollegen bei Daimler Mettingen. „Wir haben einen enormen Rückenwind aus den Belegschaften“, so Roman Zitzelsberger Ende Februar. Doch mit ihrer Verzichtsbereitschaft hat die IG Metall-Führung von Anfang an den Gegenwind erzeugt, der diese Tarifrunde ausgebremst und in völlig falsche Bahnen geleitet hat.  Es ist Folge einer Politik, die das kapitalistische Privateigentum und den Konkurrenzkampf akzeptiert.  Dieser Abschluss unterstreicht erneut, wie dringend notwendig der Aufbau einer innergewerkschaftlichen Opposition ist.

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