Wer schützt uns vor Umweltkatastrophen?

Systemwechsel ist lebensnotwendig

In einer Pressekonferenz der Bundesregierung nach der Hochwasserkatastrophe der letzten Tage, die so vielen Menschen das Leben kostete wie keine zuvor, gaben die jeweiligen Referent*innen des Verkehrs- und Innenministeriums in verschnörkelten Sätzen zu, dass es keinerlei Vorbereitung auf die Gefahrenlage gab und auch in naher Zukunft keine zu erwarten ist.

Von Angelika Teweleit, Sol-Bundesleitung

So antwortete Lisa Herzog für das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf die Frage, wann die Regierung Warnung vom Europäischen Hochwasserwarndienstes erhalten habe, das wisse sie leider nicht. Sascha Lawrenz vom Innenministerium gab zu, dass es zur Zeit kein funktionierendes Warnsystem gebe, freute sich dass „in einigen Kommunen“ Sirenenalarm stattgefunden habe, konnte aber nicht sagen, in wie vielen das der Fall gewesen ist. 2019 war der bundesweite Warntag ein völliger Flopp gewesen und seitdem war geplant, dass er in diesem Jahr wiederholt werden solle, doch Lawrenz erklärte (ohne Begründung), das Datum habe sich leider um ein Jahr verschoben.

Nach Aussagen von Hannah Cloke, einer der Mitbegründerin des Europäischen Hochwasserwarnsystems gab es neun Tage vor dem Unwetter Warnungen an die Regierung und sie sprach von einem „monumentalen Versagen, das für den Tod vieler Menschen verantwortlich“ sei.

Der Ruf nach “personellen Konsequenzen“, so wie die LINKE-Ko-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow den Rücktritt von Horst Seehofer forderte, trifft sicher eine Stimmung, reicht aber nicht aus. So unfähig und korrumpiert einzelne Repräsentant*innen der bürgerlichen etablierten Parteien von CDU/CSU über FDP und AfD bis zu SPD und Grünen sind, ist das keine wirkliche Antwort auf die Frage, wie effektiver Schutz der Bevölkerung aussehen kann, wie solche Katastrophen vermieden werden können und wie es jetzt für viele hunderttausende Geschädigte weiter geht. Diese Antworten sind aber dringend nötig. Nicht zuletzt versucht bereits die AfD das Versagen für sich zu nutzen.

Schutz der Bevölkerung

Die Debatte über Warnsysteme, Katastrophenschutz und sinnvolle Vorkehrungen gegen mögliche Gefahren konzentriert sich zur Zeit darauf, ob das System mehr zentral oder dezentral aufgebaut sein sollte. Doch ist das eine Ablenkung von den eigentlichen Fragen: erstens, ob genügend Geld investiert wird und zweitens ob die Interessen der Masse der Bevölkerung maßgeblich sind oder die der Industrie und der oberen ein Prozent.

Schon die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass lange zuvor wissenschaftlich entwickelte Szenarien von ebensolchen Virus-Ausbrüchen zwar bestanden, aber keine Vorkehrungen getroffen wurden, um damit umzugehen. Stattdessen wurde lange gewartet, bis irgendwelche Maßnahmen ergriffen wurden, die jedoch nicht die kapitalistische Wirtschaft stören und Profite mindern durften. Die Pandemiebekämpfung war völlig mangelhaft, viel zu langsam, ausgerichtet auf die Interessen der Unternehmen statt der Masse der Bevölkerung, legte grundlegende Mängel im Gesundheitssystem offen und war zudem von allen möglichen Korruptionsaffären begleitet.

Auch die Möglichkeit massiver Überflutungen ist seit längerem bekannt und es wurde immer wieder davor gewarnt. Doch wurde weder die Bebauung von Risikogebieten darauf ausgerichtet, noch wurden die Warnsysteme entsprechend ausgebaut. Allerdings gibt es wohl Grund zur Annahme, dass der RWE-Konzern nicht nur indirekt zur Katastrophe beigetragen hat: zum einen steht die Frage im Raum, ob der Einsturz der Häuser in Erftstadt-Blessem mit dem Bau der dortigen Kiesgrube in Verbindung steht, außerdem es wurde sogar aufgeworfen, ob RWE aktiv Wasser in die Erft gepumpt habe. Bernd Müllender wirft in der taz vom 17. Juli darüber hinaus diese Frage auf: „Warum wurde zur Entlastung der Flutmassen eigentlich kein Wasser der Inde, vielleicht auch Erft oder Rur, absichtlich in die Braunkohle-Tagebaue geleitet? Mit Räumpanzern und anderen schweren Gerät wären doch Schneisen denkbar, den Inde-Zufluss hätte man ausbauen können. Mehr Auffangreservoir ist kaum denkbar für die zig Milliarden Kubikmeter Niederschlag der vergangenen Woche in der nördlichen Eifelregion. Stattdessen liefen tausende Tagebau-Pumpen weiter und machten etwa die Erft flussabwärts noch voller als sie ohnehin schon ist.“

Wie so oft besteht natürlich die Gefahr, dass solche Vorgänge nie vollständig ans Licht kommen werden. Hier müsste eine unabhängige Untersuchung durch demokratisch gewählte Kommittees aus Anwohner*innen, Umweltexpert*innen, Gewerkschaften stattfinden, um dies zu klären und entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Wiederaufbau in öffentliche Hand, nicht für Profite

Aber auch über den jetzt dringend notwendigen Wiederaufbau muss demokratisch entschieden werden. Denn unter den jetzigen Bedingungen droht sonst, dass die Betroffenen, die alles oder viel verloren haben, kaum kompensiert werden und keine Zukunftsperspektiven erhalten und außerdem, dass die Masse der arbeitenden Bevölkerung auch nicht vor den Folgen von zukünftigen Unwettern geschützt ist.

Der Wiederaufbau von Straßen, Brücken, Häusern, Krankenhäusern, kleinen Gewerben und Läden, Schienen und so weiter sollte nicht in die Hände von privaten Bauunternehmen gelegt werden, die schon jetzt mit Sicherheit mit den Hufen scharren und nur drauf warten, Millionenaufträge von der öffentlichen Hand zu erhalten, um damit private Profite zu machen. Steuergelder, die zum großen Teil von der Arbeiter*innenklasse gezahlt werden, dürfen nicht in die Kassen dieser Konzerne geleitet werden. Außerdem ist es notwendig, schnell Wiederaufbaupläne zu erarbeiten, bei denen nicht auf Kosten und mögliche Profitabilität geschaut wird, sondern darauf, dass sie auf die entsprechenden örtlichen Gegebenheiten wie auch die Hochwasserrisiken ausgerichtet sind. Was nützen schnell gebaute Brücken, Straßen, Gebäude, wenn sie nicht sicher sind?

DIE LINKE und Gewerkschaften sollten jetzt schnell die Forderung erheben, dass vom Bund, Ländern und Kommunen finanzierte Wiederaufbauprogramme öffentlich statt privat durchgeführt werden, und dazu noch unter der demokratischen Kontrolle, Planung und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung, das heißt zum Beispiel demokratisch gewählte Gremien aus Beschäftigten, Gewerkschaften, Kommunen, Umweltorganisationen, unter Beratung von verschiedenen Wissenschaftler*innen und Katastrophenschützer*innen. Dies sollte mit einem entsprechenden Investitions- und Beschäftigungsprogramm verbunden werden, Beschäftigung mit festen Arbeitsverträgen und nach ordentlichen Tarifen des öffentlichen Dienstes angeboten werden. Hier könnten auch viele, die durch Corona und Flut ihre Arbeit oder ihre kleinen Betriebe bzw. Läden verloren haben, eine Perspektive erhalten.

Demokratische Planung

Unter diesen Vorzeichen wäre es möglich, die Bebauung demokratisch zu planen, so dass Hochwasserschutz flächendeckend umgesetzt wird. Es könnten aber auch weiter gehende Punkte aufkommen, wie die ausreichende und flächendeckende Gesundheitsversorgung oder mit öffentlichem Personennah- und Fernverkehrsangeboten, insbesondere in ländlichen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur.

Darüber hinaus muss sicher gestellt werden, dass alle, die durch die Katastrophe materielle oder auch gesundheitliche Schäden davon getragen haben, volle Kompensation erhalten.

Siehe https://solidaritaet.info/021/07/hochwasser-katastrophe-trifft-hunderttausende/

Die Gesamtkosten eines solchen umfangreichen Programms, das in die Milliarden gehen dürfte, müssen über Besteuerung und einmalige Abgaben denjenigen in Rechnung gestellt werden, die direkt und indirekt Verantwortung für die Unwetterkatastrophe tragen: Großkonzerne und Reiche.

Klimawandel stoppen

Im Zuge dessen müssen natürlich auch die Ursachen für den Klimawandel und die daraus folgenden Extremwetterereignisse angegangen werden. Die Energieversorgung muss umgehend auf erneuerbare und klimaschonende Energieerzeugung umgestellt werden. Das geht nicht, solange einzelne Energiekonzerne auf Profite orientiert wirtschaften. Nicht nur RWE, sondern die gesamte Energiewirtschaft muss in öffentliches Eigentum überführt werden, die Energieversorgung in öffentliche Hand unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung und als Dienstleistung ausgerichtet auf die Interessen von Mensch und Umwelt. Zudem muss endlich eine weitgehende Umstellung des Verkehrssystems von der Straße auf die Schiene vollzogen werden. Auch hierfür ist ein massives öffentliches Investitionsprogramm nötig, sowie die Überführung der Autoindustrie in öffentliche Hand unter Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung und mit dem Ziel der Umstellung der Produktion auf sinnvolle und ökologisch nachhaltige Produkte. Im Zuge einer solchen Umstellung darf niemand seinen Arbeitsplatz und Einkommen verlieren, sondern muss eine Garantie auf Weiterbeschäftigung ohne Lohnverluste erhalten.

Sommer des Widerstands

Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Bundestagswahlen werden alle bürgerlichen Parteien den schwarzen Peter für die Versäumnisse den jeweils anderen zuschieben und gleichzeitig den potentiellen Wähler*innen Versprechungen machen, von denen sie jetzt schon wissen, dass sie sie nicht einhalten werden. Es ist aber gut möglich, dass dieser Sommer noch ein heißer Protestsommer wird, vor allem natürlich mit den noch bevorstehenden Mobilisierungen von #unteilbar, Mietenwahnsinn, Fridays for Future und anderen. Die LINKE hat die Aufgabe, klar zu machen, dass weder von CDU noch SPD oder den Grünen etwas besseres zu erwarten ist, weil sie letztlich alle die Interessen von verschiedenen Kapitalfraktionen vertreten, und nicht die der Arbeiter*innenklasse. Sie muss darauf aufmerksam machen, dass die Forderungen der Betroffenen nach Kompensation wie auch ein grundlegender Wechsel nur möglich sind, wenn Bewegung von unten aufgebaut wird und wenn diese mit dem Ziel einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung verbunden wird. So kann auch verhindert werden, dass die AfD von dem zu erwartenden wachsenden Unmut über die etablierten Parteien profitieren kann.

Kapitalismus, Krisen, Katastrophen

Die schlimmsten Szenarien werden wahr, eine Katastrophe folgt auf die andere. Im Kapitalismus, dem System, welches allein auf Profitmaximierung und Konkurrenz ausgerichtet ist, sind wir nicht sicher. Jahrzehntelang ist bekannt, dass der Klimawandel stattfindet und was die Auswirkungen sein werden. Beschlüsse, Zielmarken und Abkommen der Herrschenden sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Nicht der Austausch von einzelnen Politiker*innen innerhalb dieses krisenhaften Systems bringt Veränderung.

Aber Kapitalismus muss nicht das Ende der Geschichte sein. Das System kann und muss grundlegend verändert werden. Das geht nur, wenn auch die Eigentums- und Machtverhältnisse geändert werden. Dazu müssen die Banken, Konzerne und großen Unternehmen in Gemeineigentum überführt werden und ein wirklich demokratisches Systems geschaffen werden, in dem man nicht nur bei Wahlen ein Kreuz machen darf, sondern tatsächlich über die Art und Weise der Produktion und über gesellschaftliche Entscheidungen demokratisch bestimmen kann. Erst auf dieser Basis könnte die Sicherheit und das Wohl der Mehrheit und der Umwelt zur Grundlage des Handelns werden. Deutschland und die europäischen Nachbarländer sind nicht die einzigen, die zur Zeit von den massiven Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden. Schlimme Folgen, wie massive Hitzewellen, Dürre, Überflutungen usw. bringen Leid für Menschen überall auf der Welt. Auch, wenn der aktuelle Temperaturanstieg bereits eine immense Bedrohung darstellt, ist es noch nicht zu spät, wenn jetzt endlich geplant und koordiniert Maßnahmen eingeleitet würden, um den CO2 Ausstoß massiv zu reduzieren. Darüber hinaus gibt es bereits erste Erkenntnisse, wie bereits stattgefundene Umweltschäden repariert werden könnten. Doch auf Grundlage des Kapitalismus ist das nicht möglich. Hier wird weiter nach dem Prinzip produziert, was am meisten Profite einbringt. Die Zeit drängt. Ein Systemwechsel, eine sozialistische Demokratie weltweit, ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass alle bisherigen Schäden an diesem Planeten und in der Atmosphäre repariert werden können und eine nachhaltig umweltschonende Produktion und Lebensweise möglich gemacht werden. Wenn du auch dieser Meinung bist – kontaktiere uns und schließ‘ dich uns an!

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