Kampf um jeden Arbeitsplatz bei den MV-Werften nötig

Für Verstaatlichung und Umstellung der Produktion

Die Werftenkrise an der Ostseeküste hat sich in den letzten Tagen dramatisch zugespitzt. Der Eigentümer, die Genting-Gruppe, hat Insolvenz beantragt.

Von Torsten Sting, Rostock

Über Monate hinweg, gab es ein Pingpong-Spiel zwischen dem Staat auf der einen Seite (Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern und Bundesregierung) und der Kapitalseite auf der anderen Seite.

Vorgeschichte

Im Jahre 2016 übernahm der malaysische Konzern vier Werften in Deutschland. Drei davon in Mecklenburg-Vorpommern in den Städten Stralsund, Wismar und Rostock mit insgesamt 1900 Arbeitsplätzen. Diese Standorte wurden als „MV-Werften“ zusammengefasst. Zudem wurde die Lloyd Werft in Bremerhaven gekauft. Bis dahin war der Konzern u.a. im Glücksspiel tätig und im Verkauf von Kreuzfahrtreisen. Genting wollte vom Boom der Branche profitieren, insbesondere im Hinblick auf den chinesischen Markt. Jene Werften die sich auf den Bau der immer komplexeren Ozeanriesen spezialisiert hatten, waren jedoch auf viele Jahre hin mit Arbeit ausgelastet. Aus der Not machte der Konzern eine Tugend und stieg selber in den Schiffbau ein. Die traditionsreichen Werften an der Ostseeküste, die zu DDR-Zeiten mit zehntausenden Beschäftigten das industrielle Rückgrat der Region darstellten, waren in Folge der weitgehenden Zerschlagung nach der Wende ein Schatten ihrer selbst und bauten kaum noch Schiffe. Mit den Plänen von Genting gab es neue Hoffnung, dass der Schiffbau ein Comeback erleben könnte. Bis zum Frühjahr 2020 schien die Rechnung aufzugehen. Die Werften hatten genug Arbeit und neue Kolleg*innen wurden eingestellt. Doch dann machte sich ein Virus auf den Weg.

Krise

Die Corona-Pandemie hatte unter anderem zur Folge, dass das Kreuzfahrtgeschäft für viele Monate komplett zum erliegen kam. Die Reedereien strichen ihre Expansionspläne deutlich zusammen, Neubauten wurden zeitlich gestreckt oder gar storniert. Dies hatte natürlich drastische Folgen für die Schiffbauer. Selbst die Meyer-Werft in Papenburg, bekam das zu spüren und geriet in Schlagseite. Dieses Schicksal ereilte dann auch den Genting-Konzern. Es entwickelte sich ein Drama, dessen Akte nicht mehr zu zählen sind. Eine staatliche Hilfe löste die nächste ab. Es gab Differenzen zwischen der Schwesig-Regierung, dem Bund und dem malaysischen Konzern über Konzepte und finanzielle Beteiligungen. Der vorläufige Höhepunkt war, dass Genting die Landesregierung vor Gericht zerrte. Wenige Tage danach verkündete der Konzern, die Gehälter nicht mehr zahlen zu können. Der Insolvenzantrag war da nur noch eine Formsache. Wie es nun weitergeht ist offen, ein Insolvenzverwalter hat das Zepter übernommen. Sein vorrangiges Ziel wird sein, dass das weltweit größte Kreuzfahrtschiff, die „Global Dream“, fertig gestellt wird.

Verstaatlichen

Sollen die Allgemeinheit und die Beschäftigten nicht zum x-ten mal die Gelackmeierten sein, dann müssen endlich die betreffenden Werften in staatliches Eigentum überführt werden! Es wurden im Laufe der letzten dreißig Jahre in Mecklenburg-Vorpommern über vier Milliarden Euro Subventionen an private Kapitalist*innen gezahlt. Die Gründe für ihr Versagen mögen unterschiedlich gewesen sein. Fakt ist aber, dass der Markt bewiesen hat, dass er gescheitert ist. Albert Einstein wird der folgende Satz zugeschrieben:“Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ In diesem Sinne brauchen wir einen radikalen Neuanfang! Die Werftstandorte können in einem landeseigenen Verbund zusammengefasst werden. Delegierte der Arbeitenden, der IG Metall und Vertreter*innen des Landes MV, als „Geldgeber“, sollten die Betriebe leiten.

Wie kann eine alternative Produktion aussehen?

Es gibt einen Bedarf an modernen Schiffen, die mit umweltfreundlichen Antrieben ausgestattet sind.Viele der Frachter, Tanker und Containerschiffe stellen ein Sicherheitsrisiko für Mensch und Natur dar und müssen entweder umgerüstet oder ersetzt werden. Im Hinblick auf die zunehmende Verschmutzung der Weltmeere durch Erdöl und Plastik ist es wichtig, dass auf diesem Gebiet Spezialschiffe gebaut werden, die damit einen wichtigen Beitrag für den Umweltschutz leisten können. Aber unter diesen existenzbedrohenden Rahmenbedingungen müssen auch (wie bei früheren Kämpfen in der Schiffbau-Industrie) andere Ideen alternativer Produktion durchdacht werden. Die Kolleginnen und Kollegen sind selber die größten Expert*innen und sollten Arbeitskreise bilden, die auch offen sein sollten, für externen Sachverstand.

Was tun?

Die bisherigen Aktionen der IG Metall-Spitze waren mehr als halbherzig. Symbolische Aktionen werden kombiniert mit Appellen an Regierungen und die Konzern-Bosse. Zweifellos sind die Begleitumstände sehr schwierig. Es gibt kaum noch Aufträge und die Belegschaften befinden sich in Kurzarbeit. Aber man muss auch ernsthaft kämpfen wollen! Die Führung der IG Metall ist jedoch gefangen in ihrer sozialpartnerschaftlichen, auf Privateigentum an den Produktionsmitteln, basierenden Politik. Kritische Kolleginnen und Kollegen müssen sich an der Basis zusammenschließen, um dem etwas entgegensetzen zu können.

Eine Mobilisierung der Bevölkerung ist möglich und nötig. Allen ist klar wie wichtig die Werften für den Nordosten sind und wie viele Zulieferbetriebe in schwere See geraten werden, wenn deren größte Auftraggeberinnen untergehen sollten.

Unmittelbar muss es jetzt darum gehen, dass die noch ausstehenden Dezember-Löhne sofort ausgezahlt werden! Während die Kolleginnen und Kollegen nach der letzten Betriebsversammlung wie Kriminelle durchsucht wurden, versuchen sich die Kapitalisten davon zu stehlen! Der Konzern behauptet nicht mehr liquide zu sein. Richtig ist, dass in den letzten Jahren massive Verluste eingefahren wurden. Aber dafür können die Kolleginnen und Kollegen nichts!

Demonstrationen müssen auch unter den Bedingungen der Pandemie stattfinden und sollten durch die Zentren der Städte ziehen und nicht wie bisher, häufig nur in den Industrieparks. Streiks sind nötig um den Kampf aufzunehmen. Aber sie müssen begleitet werden von schnellstmöglichen Betriebsbesetzungen. Nur so kann der Druck auf die Politik und den Konzern erhöht und ein drohender Ausverkauf (z.B. Abtransport von Maschinen) verhindert werden.

Kapitalismus versagt

Die Partei DIE LINKE muss aktiv an der Seite der Beschäftigten stehen! Statt in der Landesregierung mit der SPD zu kuscheln ist es nötig, dass sie erklärt, dass die Werftenkrise ein Teil der kapitalistischen Misere darstellt. Mehr denn je muss offensiv für eine grundlegende, gesellschaftliche Neuausrichtung gekämpft werden. Der Kapitalismus versagt auf allen Ebenen und die arbeitende Klasse soll dafür bluten. Der Kampf für eine sozialistische Demokratie ist nicht abstrakt und nicht Lichtjahre entfernt. Er fängt jetzt damit an, in dem wir die „Heiligtümer“ der kapitalistischen Gesellschaft, allen voran das private Eigentum an den großen Banken und Konzernen, radikal hinterfragen und unser Handeln, nicht mehr von den Interessen einer kleinen Minderheit diktieren lassen.

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