Frankreich: Niederlage Macrons bei den Parlamentswahlen

Ersteller: Jonas Costagliola Urheberrecht: Creative Commons BY-NC-ND

Eine Ermutigung für den Kampf gegen den Kapitalismus

Die Ergebnisse der Parlamentswahlen waren eine schallende Ohrfeige für Macron. Das Wahlbündnis, das ihn unterstützte und das sie in einem letzten „Rette-sich-wer-kann“ vor dem Untergang „Ensemble“ [Gemeinsam] nannten, kam nur auf 245 Abgeordnete, verglichen mit 360 im Jahr 2017. Das ist weit entfernt von der Mehrheit von 289, die Macron braucht, um seine Maßnahmen kraftvoll durchzusetzen, wie er es in den letzten fünf Jahren getan hat.

Stellungnahme von Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke, CWI in Frankreich), 26. Juni 2022

Es ist also ein echter Rückschlag, der bestätigt, dass Macrons Politik im Land in der Minderheit ist. Wie wir direkt nach dem ersten Wahlgang sagten, muss diese erneute Ohrfeige für den Präsidenten der Reichen eine Ermutigung für die Kämpfe der Arbeiter*innen sein. Die Forderungen, die sowohl bei den Präsidentschafts- als auch bei den Parlamentswahlen mit Millionen von Stimmen erhoben wurden, müssen von den neu gewählten Abgeordneten der kämpferischen Linken lautstark vorgetragen werden. Und das wird die Kämpfe der Arbeiter*innen in den kommenden Wochen befeuern: für höhere Löhne und einen Mindestlohn von 1500 Euro, für die Verteidigung der öffentlichen Dienste, für die Rente mit 60 … Organisieren wir uns, um die Kämpfe der Arbeiter*innen vorzubereiten und den Kapitalismus zu bekämpfen.

Die Niederlage ist für Macrons Partei La Rem, die nur 160 Abgeordnete gegenüber 308 gewählten Abgeordneten im Jahr 2017 (auch wenn viele bereits das Weite gesucht hatten) hat, sogar vollständig. Macron erklärte in seiner Fernsehansprache am Mittwoch, dem 22. Juni, er habe „die Botschaft gehört“ und suche nun nach Verbündeten, um eine Regierung zu bilden oder seine Gesetzesvorhaben „von Fall zu Fall“ zu unterstützen. Nachdem Macron in den letzten Jahren taub für die Forderungen war, sei es bei der Gelbwestenbewegung, den Rentenstreiks, den Streiks im öffentlichen Dienst, den Kämpfen der Jugend gegen die Selektion mit Parcoursup [neu eingeführte Studienplatzvergabe] und dem Abitur von Blanquer (der übrigens als Ex-Bildungsminister bereits im ersten Wahlgang mit nur 18,8 Prozent der Stimmen ausgeschieden ist), ist er nun blind für die Wahlergebnisse.

Alles, worauf er hoffen kann, ist Unterstützung von der traditionellen Rechten, den Republikanern (LR), oder von Le Pens Rassemblement National (RN) oder sogar von einigen Kandidat*innen der Sozialistischen Partei, die sich gegen das Linksbündnis NUPES gehalten haben.

Nun setzen die Republikaner ihren Absturz fort und sind nun auf 61 Abgeordnete gegenüber 112 im Jahr 2017 gesunken (194 im Jahr 2012 und 313 im Jahr 2007). Die Rechte hat einen weiteren Rückschlag erlitten, da ihre Politik und die von Macron so ähnlich sind, und LR konnte nur in den oft sehr reichen Stadtteilen und Orten, in denen sie lokale Positionen halten, Sitze verteidigen.

Wie also vorgehen? LR will das Rentenalter auf 67 erhöhen (logisch, die Bourgeois arbeiten nicht in den Fabriken), während Macron sie auf 65 erhöhen will. Eine Einigung mit LR anzustreben, die daher zwangsläufig noch aggressiver gegen die Arbeiter*innen sein wird, könnte daher die Unzufriedenheit und den Widerstand gegen Macrons Maßnahmen erhöhen.

Was die RN betrifft, so ist ihr Ergebnis überraschend, denn selbst wenn sie über 200 Kandidat*innen hatte, die in die Stichwahlen kamen, gehen viele ihrer Duelle gegen die Kandidat*innen von La Rem und sogar gegen die Linke normalerweise verloren. Aber auch hier war die mächtige Wut und Feindseligkeit gegenüber Macron am stärksten. Nur wenige hatten Lust, für macronistische Kandidat*innen gegen RN-Kandidat*innen zu stimmen, und auf der anderen Seite stimmten bei einem Duell zwischen Kandidat*innen der linken NUPES und der RN laut Ipsos mehr als dreißig Prozent der Wähler*innen der Rechten für die RN, sechzig Prozent enthielten sich der Stimme.

In vielen Regionen, die durch die jahrelange Politik der Zerschlagung öffentlicher Dienstleistungen und der Industrie oft stark verarmt sind, gelang es der RN besser als sonst, ihre Wähler*innen*innenschaft zu mobilisieren, wie etwa im Pas-de-Calais, im Großen Osten, in den Westpyrenäen oder im Südosten. Das lag auch daran, dass sie einen einfachen Slogan verwendete und sich als „die einzige Opposition zu Macron“ darstellte, obwohl die RN dies natürlich nicht ist.

Tatsächlich erinnerte Le Pen bereits am Tag nach der Wahl daran, dass die RN-Abgeordneten eine „konstruktive Opposition“ zu Macrons Politik sein würden. Das ist weit entfernt von der „Verteidigung des Volkes“ und noch weiter von der Verteidigung der Rechte der Arbeiter*innen oder der öffentlichen Dienste. Im Übrigen ist die RN immer gegen höhere Löhne, gegen die Rente mit 60 oder auch gegen die Wiedereinführung der Steuer auf große Vermögen (man muss auch sagen, dass die Familie Le Pen Multimillionär*innen sind).

Wie wird die RN also ihre „konstruktive Opposition“ durchführen? Ihre 89 Abgeordneten sind alles andere als eine homogene Gruppe, da die RN nur über sehr wenige politische Kader verfügt und eine Partei ist, die um die Wähler*innenschaft des Volkes wirbt, während sie von recht wohlhabenden Politiker*innen geführt wird, die eigentlich nur Karriere machen wollen.

In der Tat ist die RN bei vielen Themen genauso eine Verteidigerin der Kapitalist*innen wie Macron, aber ob sie sich gegenseitig entlarven, indem sie die gleichen Gesetze verabschieden, ist viel weniger sicher.

Das gute Ergebnis der NUPES

Mit 6,5 Millionen Stimmen (gegenüber 3,5 Millionen für die RN) hat die NUPES ein sehr gutes Ergebnis erzielt, auch wenn die Zahl der Gewählten geringer als erhofft ist. In mehreren Dutzend Wahlkreisen war es sehr knapp (78 von über 31.000 Stimmen fehlten im ersten Wahlkreis von Seine Maritime, Rouen, oder 200 im ersten Wahlkreis von Calvados, Caen, und so weiter, mit dem Rekord von vier fehlenden Stimmen bei über 38.000 Stimmen im achten Wahlkreis von Seine et Marne…).

Aber mit 145 Abgeordneten (die Regierung weigert sich, die gewählten Kandidat*innen aus Gebieten wie Polynesien, Réunion oder den Antillen-Guayana zum NUPES-Abkommen zu zählen, während sich lokale Gruppierungen wie Tavini in Polynesien in das NUPES-Abkommen eingeschrieben haben) ist die NUPES somit die größte Oppositionskoalition gegen Macron. Und innerhalb der NUPES werden 74 Abgeordnete in der Fraktion La France Insoumise sitzen, die 2017 nur 17 Abgeordnete umfasste.

Das zeigt also eine echte Möglichkeit, denn es sind natürlich die LFI-Abgeordneten, die eine echte Rolle dabei spielen können, Arbeiter*innen und Jugendliche um ein Programm des Kampfes gegen Macron und den Kapitalismus zu versammeln.

Die NUPES ist nicht nur sehr heterogen, sondern einige aus ihren Reihen haben nicht einmal eine Kampagne zu den zentralen Punkten des Abkommens geführt.

Die Kandidat*innen der PCF [Kommunistische Partei] in der NUPES haben oft einen starken Wahlkampf gemacht, indem sie von höheren Löhnen, der Rente mit 60, der Verteidigung der öffentlichen Dienste usw. sprachen. Damit haben sie zu Recht die Punkte des NUPES-Abkommens hervorgehoben, die sich am stärksten an die Arbeiter*innen, die Jugendlichen und die Mehrheit der Bevölkerung richteten. Viele der PCF-Abgeordneten wurden so mit einem sehr starken Stimmenzuwachs im Vergleich zu 2017 wiedergewählt. Letztendlich gewinnt die PCF aber nur einen neuen Sitz, in Pas-de-Calais gegen die RN. In einigen Orten wollten die Kandidat*innen ihre Beteiligung an der NUPES und am Bündnis mit La France insoumise und Mélenchon nicht hervorheben, die von Fabien Roussel, dem ehemaligen PCF-Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen (wo er 800.000 Stimmen erreichte, während Mélenchon 400.000 fehlten, um in die zweite Runde zu kommen) betriebene Linie des sektiererischen Rückzugs hinterlässt negative Spuren. Zumal der PCF-Chef seine politische Unbeständigkeit erneut unter Beweis stellte, als er nach seinem Treffen mit Macron am 21. Juni erklärte, die PCF habe „bereits mit De Gaulle an einer Regierung der nationalen Einheit teilgenommen, das ist nicht das, was uns schockiert“.

Ohne ins Detail gehen zu wollen, ist es genau das, was schockierend ist. Es heißt, Macron ein Geschenk zu machen, indem eine Regierung der nationalen Einheit als eine Möglichkeit dargestellt wird. Die Arbeiter*innenbewegung, die Arbeiter*innen, haben kein Interesse daran, sich an einer Regierung mit der Bourgeoisie und ihren Parteien zu beteiligen, und 1945 geschah dies, als die französische Bourgeoisie ihre Kolonialkriege begann und die Arbeiter*innen niederschlug, um ihre kapitalistische Herrschaft wiederherzustellen.

Die Aktivist*innen der PCF, die aufrichtig für die Arbeiter*innen und die Einheit aller antikapitalistischen Kräfte in den Kämpfen eintreten, dürfen nicht zulassen, dass Roussel sie in solchen Momenten benutzt, wenn es im Gegenteil darum geht, eine Kampf- und Massenopposition gegen Macron aufzubauen. Auch wenn die PCF nur 12 Abgeordnete stellt (ihre Fraktion wird mit den Abgeordneten von Tavini und den linken Abgeordneten der Insel Réunion gebildet), muss sie eine Rolle spielen, um die in den nächsten Wochen anstehenden Kämpfe für höhere Löhne zu verstärken.

Europa-Ökologie-die Grünen (EELV) hat am meisten von der NUPES-Vereinbarung profitiert und ist von null Abgeordneten auf 23 angewachsen. Es ist jedoch unklar, wie homogen diese sind, wenn einige für eine „Strafökologie“ mit Steuererhöhungen, die die Bevölkerung treffen, oder gegen Preisstopps sind. Und viele der EELV-Führer*innen meinen, dass nicht der Kapitalismus der Hauptverantwortliche für die ökologische Katastrophe ist.

Was die PS [Sozialistische Partei] betrifft, so rettete das Abkommen mit der NUPES ihre Abgeordneten, indem es die Zahl von 28 aufrechterhielt. Allerdings haben die PS-Kandidat*innen in der NUPES manchmal einfach die NUPES-Kennzeichnung aus ihrer Kandidatur gestrichen und keinen Wahlkampf auf der Grundlage der NUPES-Forderungen geführt. Zunächst werden sie unter dem Druck der Wähler*innen und der anderen Parteien in der NUPES-Gruppe gezwungen sein, eine Politik zu unterstützen, die Macron herausfordert, aber wie lange noch?

Die Möglichkeit einer neuen Partei für den Kampf gegen den Kapitalismus

France Insoumise kann also in der kommenden Zeit eine große Rolle spielen. Es wäre sicherlich politisch klarer gewesen, bei diesen Wahlen mit Kampfslogans gegen Macrons Politik zu werben, anstatt manchmal Slogans zu bringen, die für die Mehrheit der Jugendlichen und Arbeiter*innen abstrakt bleiben, wie etwa „Wählt Mélenchon zum Premierminister“.

Die FI-Abgeordneten werden echte Gegner*innen Macrons sein, daran besteht kein Zweifel. Sie müssen in den nächsten Tagen den Kampf für eine allgemeine Lohnerhöhung führen, wenn nötig, indem sie ein Gesetz in diesem Sinne einbringen, um das Thema in die öffentliche Debatte zu bringen. Das würde es ermöglichen, diesen Vorschlag auf die Straße zu bringen, zu den Tausenden von Aktivist*innen, die die Kampagne mit einem Enthusiasmus und einer Energie aufgebaut haben, wie man sie selten bei einer Parlamentswahl erlebt. Das würde es auch den Arbeiter*innen ermöglichen, sich in den Unternehmen damit zu befassen, den Gewerkschaften, ebenfalls eine Kampagne zu führen und Streiks und Kämpfe zu organisieren, von denen einige bereits im Gange sind.

Es geht aber auch darum, keine Zeit zu verlieren und nicht den Fehler von 2017 zu wiederholen, als neuen Aktivist*innen keine Strukturierung und keine Organisationsform angeboten wurde. Es braucht nicht nur Strukturen, damit sich die gegründeten Kollektive weiterhin treffen und agieren können. Sondern es ist auch notwendig, dass „France Insoumise“ selbst zu einer kämpferischen, demokratischen politischen Massenkraft wird, mit Treffen und Strukturen sowohl auf lokaler Ebene als auch auf der Ebene der Departements und auf nationaler Ebene.

Die Gauche Révolutionnaire hat an vielen Orten eine Kampagne geführt und sich an ihrer Organisation beteiligt. Diese erste Niederlage Macrons ist eine Ermutigung. Aber wir glauben auch, dass wir eine neue, kämpferische, demokratische Massenpartei brauchen, die es Zehntausenden von Jugendlichen und Arbeiter*innen ermöglicht, sich zu organisieren und weiterhin das Programm zu formulieren, das unsere Interessen verteidigt. Eine solche Partei des Kampfes gegen den Kapitalismus wird in dem Maße unverzichtbar werden, wie der Kampf gegen die Politik im Dienste der Ultrareichen stärker wird, in Frankreich, aber auch überall in Europa und der Welt, wenn sich die Wirtschaftskrise verschärft.

Dies wird ein Mittel sein, um gemeinsam über eine echte Alternative zu diesem System zu diskutieren und darüber, wie wir den Sozialismus erreichen können, durch eine Wirtschaft in öffentlichem Eigentum, die von den Arbeiter*innen und der Bevölkerung demokratisch geplant wird, wodurch die ökologischen Probleme gelöst und Kriege, Elend, Rassismus, Sexismus usw. beendet werden können.

Über all das schlagen wir dir vor, mit uns zu diskutieren, während wir uns schon jetzt organisieren, um die Kämpfe gegen Macron und den Kapitalismus vorzubereiten.