Kapitalismus bedeutet Transfeindlichkeit und Spaltung

Kampf für Transrechte ist Kampf für Arbeiter*innenrechte

Im Pride-Month interessieren sich die Unternehmen scheinbar für LGBTQI-Rechte. Doch bunte Flaggen auszuhängen ist ein geringer Preis für die Gunst der queeren Menschen. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen: Nur die Arbeiter*innenklasse kann die Diskriminierung von LGBTQI beenden. In diesem Artikel wollen wir uns mit Rechten von Transpersonen beschäftigen.

von Aleksandra Setsumei, Aachen

Als transsexuell oder transgender werden Menschen bezeichnet, die sich nicht mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Nach einer Studie 2010 werden 30 bis 40 Prozent von Transmenschen bei der Bewerbung aufgrund ihres Geschlechts nicht berücksichtigt. Transpersonen erfahren Diskriminierung bei der Wohnungssuche, beim Einkaufen, beim Ausgehen, beim über die Straße Gehen und selbst der Versuch, unter ihrem Namen und ihrem Geschlecht Verträge abzuschließen, kann zu einem Kampf werden. Hinzu kommt die Hassgewalt.

Woher kommt Transfeindlichkeit? 

Die tieferen Ursachen der Transfeindlichkeit, wie des Rassismus, Sexismus etc., liegen in der sozialen Ordnung. Wir sind gefangen in der kapitalistischen Realität, in der starre Vorgaben herrschen, wer wie auszusehen und sich zu verhalten hat. Zum einen benötigt der Kapitalismus solche Genderstereotypen und Rollenbilder, um zum Beispiel die unbezahlte Hausarbeit, die meist von Frauen verrichtet wird, aufrechtzuerhalten. Zum anderen vertiefen sie die Spaltung innerhalb der Arbeiter*innenklasse, die für den Kapitalismus lebensnotwendig ist. Um die ungerechten Zustände des Kapitalismus aufrechtzuerhalten, ist eine Spaltung entlang der Geschlechter, von Menschen mit und ohne deutschen Pass, von Jung und Alt notwendig. Gerade in Krisenzeiten suchen die Herrschenden nach Sündenböcken und finden sie – wer meint, dass die Transmenschen davon in Zukunft verschont werden, irrt.

Nicht gegeneinander ausspielen

Transmenschen sind ohne Zweifel ein besonders diskriminierter Teil der Arbeiter*innenklasse. Ihre Rechte sollten nicht gegen die Rechte von anderen diskriminierten Gruppen ausgespielt werden. Dies geschieht durch die Annahme, Transrechte würden zum Abbau von Frauenrechten führen. Wir stehen für einen Ausbau von Schutzräumen für alle diskriminierten Bevölkerungsgruppen und nicht für einen Ausbau der einen durch Abvau der anderen. 

Konkret gibt es auch eine Debatte darüber, ob der Zugang zu Frauentoiletten und -duschbereichen etc. für Transfrauen von Männern ausgenutzt werden kann, um Frauen in diesen Schutzräumen zu belästigen. Es gibt keine Belege, dass die Öffnung solcher Räume für Transfrauen zu einem signifikanten Anstieg von Übergriffen geführt hat. Gleichzeitig sind Sorgen davor nicht immer ein Ausdruck von Transfeindlichkeit. Das Sicherheitsbedürfnis aller und das Selbstbestimmungsrecht von Transpersonen gleichermaßen umzusetzen, wird einen Ausbau von Schutzräumen und sanitären Einrichtungen nötig machen. Wie genau dies organisiert werden kann, sollten die Betroffenen selbst demokratisch entscheiden. 

Das Ausspielen von Frauen- und Transrechten lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Es kann zu Spannungen und Konkurrenz führen, wenn Transfrauen Zuflucht in Frauenhäusern suchen, da sie überdurchschnittlich oft von Gewalt betroffen sind, aber diese Frauenhäuser schon jetzt überfüllt sind. Wenn es nach den Herrschenden geht, sollen sich Frauen und Transfrauen miteinander um knappe Ressourcen streiten. 

Keine Minusrechnung

Wir lehnen diese Minusrechnung ab und sagen: Es muss genug für alle geben! Diese Gesellschaft hat genug Reichtum, um jede benötigte Ressource zur Verfügung zu stellen; die entscheidende Frage ist, wer über diesen Reichtum verfügt. Natürlich liegt es im Interesse der Reichen, dass alles so bleibt, wie es ist. Verbesserungen müssen deshalb erkämpft werden und das gemeinsam. Deshalb brauchen Frauenrechte wie Transrechte eine starke Bewegung der Arbeiter*innenklasse. Die Gewerkschaften haben eine besondere Verantwortung, den Kampf gegen jede Form von Diskriminierung zu führen. Dafür ist ein Programm notwendig, das die Interessen der verschiedenen Teile der Arbeiter*innenklasse und Diskriminierten zusammenführt und den gemeinsamen Kampf in den Mittelpunkt stellt. Alle profitieren zum Beispiel vom bedarfsgerechten Ausbau des Gesundheitssystems inklusive staatlich finanzierten Zugang zu transspezifischen medizinischen Behandlungen, Ausbau und bedarfsgerechter Ausstattung von Frauenhäusern und anderen Hilfsmöglichkeiten im Fällen von häuslicher und sexualisierter Gewalt, wie von der Schaffung von genügend öffentlichen Sanitäranlagen oder bezahlbarem Wohnraum. Ein solches Programm muss aber auch eine sozialistische Alternative zur tieferliegenden Quelle von Diskriminierung, dem kapitalistischen System, aufzeigen. Nur eine Gesellschaft, in der die Wirtschaft und der Einsatz des gesellschaftlichen Reichtums demokratisch nach den Bedürfnissen geplant wird, kann die Voraussetzung schaffen, Diskriminierung und den Streit um knappe Ressourcen zu überwinden.

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