Mobilisierung statt Einbindung
Die Konzertierte Aktion ist der Versuch, Streiks und Bewegungen gegen den sinkenden Lebensstandard zu verhindern.
Von Angelika Teweleit, Berlin
Der runde Tisch, zu dem Kanzler Olaf Scholz am 4. Juli Vertreter*innen von Gewerkschaften, Konzernen und aus der Wissenschaft lud, blieb wie erwartet ohne Ergebnis. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Konzertierte Aktion keine Wirkung hat: Hauptziel ist es, die Gewerkschaften einzubinden und bei der Masse von Beschäftigten Bereitschaft zum Verzicht zu erreichen.
Lehren aus der Vergangenheit
Dabei hatten die Gewerkschaften sich teilweise gegen eine solche Einbindung ausgesprochen. Immer wieder wurde betont, es dürfe keine Eingriffe in die Tarifautonomie geben und die Äußerungen von Scholz für Einmalzahlungen, wurden zurück gewiesen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke äußerte sich sehr kritisch: „Wenn man einen Blick in die Geschichtsbücher wirft, dann weiß man, dass die Konzertierte Aktion Ende der 60er Jahre grandios gescheitert ist.“ Auch der Revival-Versuch unter der Überschrift „Bündnis für Arbeit“ sei in den 90er Jahren misslungen. Auf der ver.di Webseite ist weiter zu lesen: „Für die Gewerkschaften ging die Aktion nicht auf. Es gab zwar weder für Arbeitgeber noch für Gewerkschaften bindende Vorgaben, dennoch hielten sich letztere in den Lohnrunden deutlich zurück. In der Folge sanken die Realeinkommen der Beschäftigten, die Wut der Gewerkschaftsmitglieder hingegen wuchs, vor allem deshalb, weil einige Konzerne trotz Wirtschaftskrise beachtliche Gewinne einfuhren.“
Einbindung
Trotz dieser Einsicht sind die Vertreter*innen der Gewerkschaften der Einladung gefolgt. Während Werneke äußerte, er sei nur „neugierig“, hat die neue DGB-Chefin und ehemalige SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in der nachfolgenden Pressekonferenz die Konzertierte Aktion begrüßt. An der Seite des Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger, der noch vor wenigen Tagen wegen dem Streik der Hafenarbeiter über Streikverbote sprach, erklärte sie einerseits, weitere Entlastungen angesichts der hohen Preise seien nötig. Gleichzeitig betonte sie, dass es nun darum gehen müsse, aufgrund der drohenden Rezession Arbeitsplätze zu erhalten und dafür gemeinsam Wege zu finden. Auch wenn sie dies im Zusammenhang mit steigenden Energiepreisen benannt hat, lässt die Formulierung aufhorchen.
Nein zum Verzicht!
Denn damit wird auch immer wieder das Argument verbunden, dass die Gewerkschaften maßhalten müssen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Das ist genau der falsche Weg.Von Kolleg*innen bei Daimler kamen Forderungen nach 11 bis 15 Prozent Lohnerhöhungen in der anstehenden Tarifrunde. Während das Märchen der Lohn-Preis-Spirale zurückgewiesen wird, begründet die IG Metall-Führung die nun beschlossene – viel zu niedrige – Forderung von acht Prozent damit, dass Unternehmen, die wirtschaftlich schwächer aufgestellt seien als Konzerne wie Daimler, nicht gefährdet werden dürften.
Eigentumsfrage
Die Gewerkschaftsführung bleibt innerhalb der kapitalistischen Sachzwanglogik verhaftet. Doch in dieser Logik zu bleiben, bedeutet eine Abwärtsspirale für die Beschäftigten zu akzeptieren. In der Realität bedeutet das sowohl Reallohnverluste als auch Arbeitsplatzabbau. Verzicht rettet allein die Profite der Bosse. Ob Entlassungen wegen einer Rezession oder wegen der Verlagerung von Produktion ins Ausland – sie können nicht mit Verzichtszusagen verhindert werden, sondern nur mit konsequentem Arbeitskampf zum Erhalt aller Arbeitsplätze. Dabei ist nötig die Forderung nach Überführung in Gemeineigentum aufzuwerfen. Der Weg, um Arbeitsplätze zu sichern, wäre Betriebe, die geschlossen werden sollen, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung zu verstaatlichen. Diese Perspektive sollte von den Gewerkschaften aufgezeigt werden und auf ganze Branchen und letztlich alle Schlüsselindustrien ausgeweitet werden. Denn wenn die Produktion nicht mehr unter der Maxime der Profitmaximierung stünde, wäre es letztlich möglich, gesellschaftlich im Interesse der Mehrheit und ökologisch sinnvoll zu planen. Das würde es auch möglich machen Produkte zu verbilligen, da keine hohen Renditen für Großaktionär*innen mehr erzielt werden müssen. Die Arbeitszeit könnte bei vollem Lohn- und Personalausgleich drastisch abgesenkt, die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf alle gleichmäßig verteilt werden.
Gegenwehr organisieren!
Anstatt sich dafür einspannen zu lassen, die Rechnung für die derzeitige Inflation und die mögliche kommende Rezession der Masse der arbeitenden Bevölkerung zu präsentieren, ist es dringend nötig, Widerstand gegen das Abladen der Krisenfolgen auf die Arbeiter*innenklasse zu organisieren. Denn eines ist richtig: dies ist eine Zeitenwende, und mit allem, was auf die Arbeiter*innenklasse zukommt, droht ein massiver Verlust im Lebensstandard und für viele sogar schlimme Verarmung. Deshalb müssten die Gewerkschaften jetzt dringend eine Kampagne vorbereiten. In allen Betrieben und Gewerkschaftsuntergliederungen muss das Thema auf die Tagesordnung. Eine bundesweite Aktivist*innenkonferenz (wie in Österreich) könnte diskutieren, wie gemeinsam Gegenwehr aufgebaut werden kann. Dazu gehören: Koordinierung von Tarifauseinandersetzungen, gemeinsame Streikkundgebungen (wie in Belgien), sowie Mobilisierung zu einer Großdemonstration gegen das Abwälzen der Kosten auf die arbeitende Bevölkerung (wie in Großbritannien), zu der alle aufgerufen werden, egal ob in tarifgebundenen Betrieben oder anderen. Tarifforderungen müssen über der Inflation liegen und mit Forderungen nach gesetzlichen Preisobergrenzen und automatischer Anpassung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen an die Preise verbunden werden. Anstatt runder Tische mit den Vertreter*innen des Kapitals ist massiver Druck aus Betrieben und von der Straße nötig.