Interview mit der Gewerkschafterin Jana Kamischke
Nach der zehnten Verhandlungsrunde einigte sich ver.di mit dem Zentralverband der Seehäfen (ZDS) auf ein Tarifergebnis: Zum 1. Juli steigen Entgelte in Vollcontainerbetrieben um 9,4 Prozent, in den konventionellen und Stückgut-Hafenbetrieben um 7,9 Prozent. Ab 1. Juni 2023 erhöhen sich die Entgelte um jeweils weitere 4,4 Prozent. Laut ver.di handelt es sich um das beste Tarifergebnis, das in diesem Jahr in einer Branche erzielt wurde. Dennoch war ein Teil der Streikenden unzufrieden. Jana Kamischke erklärt im Interview, warum.
Worum ging es im Arbeitskampf der Hafenbeschäftigten?
Wir haben eine mehrteilige Forderung aufgestellt, die soziale Komponenten enthält. Unsere Stundenlöhne lagen zwischen 14 bis 28 Euro. Wir haben anstelle von Prozenten eine feste Stundenlohnerhöhung von 1,20 Euro gefordert, zusätzlich einen realen Inflationsausgleich von im April festgelegten 7,4 Prozent plus einer gleitenden Lohnskala, die ausgleicht, wenn die Preise weiter steigen. Wir Beschäftigten haben auch in der Pandemie durchgängig unter schwierigsten Rahmenbedingungen die Versorgung uneingeschränkt aufrecht erhalten. Einen Coronabonus haben wir nicht erhalten.
Wie haben die Hafenbosse reagiert?
Sie haben bei den Arbeitsgerichten Hamburg, Bremen und Oldenburg einstweilige Verfügungen gegen den Streik eingereicht. In Bremen und Oldenburg wurden diese direkt kassiert.
Auf das Eilverfahren in Hamburg musste die Arbeitnehmerseite zügig reagieren. Wir als Beschäftigte befanden uns zu diesem Zeitpunkt in einem 48-stündigen Streik. ver.di ließ sich auf einen Vergleich ein. Wir durften nun zwar noch den nächsten Streiktag wahrnehmen, mussten aber danach in eine sechswöchige Friedenspflicht, in denen drei Verhandlungstage stattfinden mussten, ohne das Recht zu streiken. Das Ziel der Arbeitgeber war klar – Streiks unterbinden und Beschäftigte demoralisieren. Der Streikabbruch war in der Tat das schlimmste, was uns passieren konnte.
Wie war die Lage nach Wiederaufnahme der Kampfmaßnahmen?
Wir haben mit Vertrauensleuten bereits in den letzten zwei Wochen die Mobilisierung in den Betrieben wieder gestartet. Wir konnten wieder etwas Feuer reinbringen, aber direkt mit der dritten Verhandlungsrunde innerhalb der Friedenspflicht wurde nach einer 18-stündigen Verhandlung ein Angebot vorgelegt, das die Mitglieder der Tarifkommission nun mehrheitlich zur Annahme empfehlen.
Wie bewertest Du das Angebot?
Die ver.di-Führung feiert es als Erfolg, ich sehe das anders. Gerade für die am schlechtesten bezahlten Kolleg*innen kommt nicht einmal der angestrebte Inflationsausgleich zustande. Ein Teil des Geldes für unsere Tariferhöhung stammt aus einem früher verhandelten Demografiefonds, der den Beschäftigten zu Gute kommen soll. Der wird jetzt zwei Jahre einfach nicht gespeist.
Zwei Jahre beträgt die Laufzeit. Sollte im zweiten Jahr die Inflation weiter steigen, kann man rein theoretisch neue Verhandlungen aufnehmen, aber die Hürden dafür sind sehr hoch.
Unbedingt müssten die Mitglieder das Angebot bewerten können. Eine bindende Abfrage fand aber keine Unterstützung bei den Mitgliedern der Tarifkommission und der ver.di Verhandlungsführung. Jetzt sollten wir den Druck über Mitgliederversammlungen an die Tarifkommission herantragen. Bei allem Unmut: Die Kampfbereitschaft war enorm, für zukünftige Kämpfe müssen wir sicherstellen, dass wir alle Schritte demokratisch entscheiden können.
Jana Kamischke hat den Streik der Hafenbeschäftigten mit organisiert und ist Mitglied der Bundestarifkommisson von ver.di. Sie spricht bei der Konferenz der Vernetzung kämpferische Gewerkschaften (VKG) am 08./09. Oktober in Frankfurt/Main, siehe www.vernetzung.org