Sri Lanka: Demonstrations- und Protestrecht verteidigen!

Regierung geht brutal gegen Proteste vor

Wir veröffentlichen hier zwei Artikel, die am 25. und 31. August auf socialistworld.net veröffentlicht wurden.

Am 18. August ließ der neu ernannte Präsident von Sri Lanka eine von der Inter-University Students Federation (IUSF) organisierte Demonstration in Colombo brutal angreifen. Die IUSF spielte eine Schlüsselrolle während der #GotaGoGama-Bewegung (Occupy Galle Face), die eine wichtige Rolle beim Aufbau des Massenaufstands spielte, der den ehemaligen Präsidenten Gotabaya Rajapakse zum Rücktritt zwang. Sie war die größte organisierte Gruppe am permanenten GotaGoGama-Protestplatz im Galle Face Green in Colombo.

Von Prasad Welikumbura (25.8.2022)

Während des Protestes am 18. August forderten friedliche Student*innen / Aktivist*innen die Abschaffung der Exekutivpräsidentschaft, die Einführung einer neuen Verfassung, die Freilassung aller inhaftierten Demonstrant*innen, die Bereitstellung von Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung, die Einrichtung von Komitees aus der Bevölkerung (“people’s councils*)  und die Aufnahme des akademischen Betriebs in den Schulen und Universitäten Sri Lankas, die in den letzten drei Jahren geschlossen waren.

Der Marsch begann am Lipton-Kreisverkehr und sollte zum Fort-Bahnhof führen. Die Regierung setzte mehr als 500 Bereitschaftspolizist*innen, Polizist*innen und die Police Special Task Force (eine der Polizei angegliederte paramilitärische Gruppe) gegen die unbewaffneten, friedlichen Studierendenproteste ein. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Student*innen vom Union Place über den Ward Place, die Borella-Kreuzung, die Borella-Friedhofskreuzung und schließlich Narahenpita zu vertreiben.

Während des Angriffs wurden insgesamt zwanzig Personen verhaftet, darunter auch der Vorsitzende der IUSF, Wasantha Mudalige, und ein Aktivist der Zivilgesellschaft, Chintaka Rajapaksa. Einige Studierende und Aktivist*innen wurden bei der Verhaftung von der Polizei brutal angegriffen. Zwei studentische Mönche waren seit ihrer Verhaftung drei bis vier Stunden lang verschwunden. Die Polizei verheimlichte absichtlich ihren Aufenthaltsort, indem sie Anwälten falsche Informationen gab, als diese die Stationen aufsuchten, an denen die Mönche festgehalten wurden. Es dauerte Stunden, bis die Anwälte schließlich alle zwanzig Festgenommenen ausfindig machen konnten.

Zum Zeitpunkt der Verhaftung war die Polizei nicht in der Lage, einen triftigen Grund für die Verhaftung anzugeben. Die Polizei hat die Studierenden unrechtmäßig daran gehindert, ihr demokratisches Recht auf Protest wahrzunehmen.

16 studentische Aktivist*innen wurden am nächsten Tag vom Aluthkade Magistrat gegen Kaution freigelassen. Der Aktivist Chintaka Rajapaksa wurde jedoch bis zum 26. August in Untersuchungshaft genommen. Der Vorsitzende der IUSF, Wasantha Mudalige, der Vorsitzende der Interuniversitären Bhikshu (buddhistische Mönche) Antharey Galwewa Siridhamma, und das IUSF-Mitglied Hashan Jeevantha wurden unter dem Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus (Prevention of Terrorism Act, PTA) 72 Stunden lang festgehalten. Am 21. August unterzeichnete Präsident Ranil Wickramasinghe einen Haftbefehl, wonach sie neunzig Tage lang ohne Anklage inhaftiert bleiben, während untersucht wird, ob sie an einer “staatsfeindlichen Verschwörung” beteiligt waren und mit einem “terroristischen Akt” in Verbindung standen. Darüber hinaus wurden sie in ein Gefängnis in der Gegend von Tangalle verlegt, das fast 200 Kilometer von Colombo entfernt ist, so dass es für die Anwälte schwierig ist, ihnen die notwendige rechtliche Unterstützung zukommen zu lassen.

Dies ist nicht das erste Mal, dass die Regierung ungerechtfertigte Gewalt gegen friedliche Demonstrierende anwendet. Diese Taktik wird schon seit langem angewandt. Sobald der derzeitige Präsident Ranil Wickramasinghe sein Amt angetreten hatte, befahl er am 22. Juli dem Militär, einen brutalen Angriff auf die #GotaGoGama-Basis in Galle Face Green zu verüben. Bei diesem Angriff wurden nicht nur Demonstrierende, sondern auch internationale und lokale Journalist*innen sowie einige Schaulustige vom Militär festgenommen, angegriffen und sogar gefoltert. Seitdem hat er immer wieder versucht, die Massenbewegung mit der ganzen Härte der Regierung zu unterdrücken.

Als Reaktion darauf veröffentlichte die IUSF eine offene Erklärung und eine Petition, in der sie die Öffentlichkeit und Organisationen aufforderte, die Unterdrückung durch den Staat zu verurteilen. Sie veröffentlichte auch einen umfassenden Bericht über die Versuche der Regierung, die #Aragalaya (Struggle, die breite Gruppierung, die die Bewegung mit initiiert hat) durch Angriffe aufzulösen.

Die Vereinigte Sozialistische Partei (USP, das CWI in Sri Lanka) verurteilte diese jüngsten Verhaftungen und forderte die sofortige Freilassung aller Demonstrierende und politischen Oppositionellen, die in den letzten Wochen verhaftet wurden, sowie die Abschaffung des PTA.

Neben dem Kampf um das Recht zu protestieren gibt es unmittelbare Kämpfe zum Schutz des Lebensstandards, da die Regierung erneut versucht, die Masse der Bevölkerung den Preis für den wirtschaftlichen Zusammenbruch zahlen zu lassen, der durch die Kombination der Politik des Rajapakse-Regimes und der Weltwirtschaftskrise verursacht wurde. Dazu gehört auch der Widerstand gegen umfassendere Angriffe wie den Vorstoß der Regierung zu weiteren Privatisierungen.

Die im März begonnene Massenbewegung, die im Juli zum Sturz der Rajapakse-Clique führte, zeigte sowohl die Wut in der Gesellschaft als auch die enorme Stärke der Massenbewegung. Die USP unterstützt die laufenden Versuche, die Bewegung durch den Aufbau demokratisch gewählter Volksversammlungen in allen Teilen des Landes zu organisieren. Diese können eine wichtige Rolle bei der Organisierung eines Generalstreiks spielen, der die Protestbewegung gegen den Versuch der herrschenden Klasse, ihre vollständige Kontrolle wiederherzustellen, neu belebt. Innerhalb solcher Gremien und Bewegungen setzt sich die USP für eine von den Arbeiter*innen geführte Regierung ein, die auf der Grundlage der Verstaatlichung der wichtigsten Wirtschaftszweige damit beginnen kann, die Nutzung der Ressourcen des Landes demokratisch zu planen, um die Bedürfnisse der Massen zu befriedigen.

Srilankische Regierung setzt brutale Unterdrückung fort (31.8.2022)

Am Tag der Bekanntgabe des vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geführten “Interimsbudgets” für Sri Lanka wurden Tausende von Demonstrierenden in den Straßen der Hauptstadt Colombo brutal angegriffen. Mehr als 22 Personen wurden verhaftet und werden ohne Anklage festgehalten.

Von Korrespondent*innen der Vereinigten Sozialistischen Partei

Es handelte sich um einen sehr friedlichen Protest, der die Freilassung der zuvor verhafteten Studentenführer forderte. Der Vorsitzende der Interuniversitären Studierendenvereinigung (IUSF) und viele andere wurden unter dem Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus (Prevention of Terrorism Act, PTA) festgenommen und sind noch immer nicht freigelassen. Dieser brutale Akt wird von den westlichen Regierungen und ihren Institutionen völlig ignoriert, da die srilankische Regierung kurz vor einer Einigung mit dem IWF steht.

Am selben Tag fanden in London und in anderen Ländern Proteste statt, bei denen Auskunft über das Schicksal zehntausender Verschwundener gefordert wurde. Die US-Botschafterin in Sri Lanka, Julie Chung, veröffentlichte einen völlig verfälschten Tweet über die Verschwundenen in Sri Lanka, äußerte sich aber nicht zu den Verhaftungen, die am selben Tag stattgefunden hatten. In der Vergangenheit gaben westliche Institutionen wie die Europäische Union (EU) und die Vereinten Nationen vor, die Menschenrechte in Sri Lanka zu verteidigen und forderten die Regierung auf, das PTA abzuschaffen. Es war auch Teil der Vereinbarung über die Gewährung von Steuervergünstigungen für Sri Lanka durch die EU (ein “Vorteil” für Sri Lanka, die Zölle nicht senken zu müssen, wenn es nicht handelsbezogene Konventionen umsetzt, um bevorzugten Zugang zu erhalten). Da die derzeitige Regierung eine prowestliche neoliberale Politik verfolgt, wird jegliche Kritik an der Unterdrückung von diesen Institutionen gedämpft.

Die Wut auf die derzeitige Regierung ist noch nicht verflogen. Es gibt wieder Warteschlangen für Treibstoff. Der Mangel an Kerosin hat das Leben der Fischer*innen und der meisten Arbeiter*innen in den Bergen ruiniert. Doch die Regierung ist entschlossen, weitere Angriffe auf die Armen zu verüben. Verängstigt durch die Möglichkeit, dass sich weitere Kämpfe entwickeln könnten, sorgt die Regierung dafür, dass sie mit der “vollen Härte des Gesetzes” gegen jede Art von zivilem Ungehorsam vorgeht. Sie setzt archaische Gesetze ein, um alle Proteste zu unterbinden. Das drakonische PTA wird gegen friedliche Demonstrierende eingesetzt, um sie monatelang ohne Anklage festzuhalten. Darüber hinaus werden die Polizei und die Armee voll mobilisiert, um sich auf die Unterdrückung von Studierenden- und Arbeiter*innenprotesten zu konzentrieren.

Zu dem Protest am 30. August hatte die IUSF vor allem aufgerufen, um die Freilassung aller in der Vergangenheit verhafteten Personen zu fordern, darunter auch ihres Vorsitzenden Wasantha Mudalige. Der Protest sollte vom Stadtteil Maradana in Colombo ausgehen. Er wurde jedoch von über tausend Polizist*innen in Einsatzkleidung und bewaffnet mit Wasserwerfern und Tränengas schnell aufgelöst. Ohne jegliche Provokation griff die Polizei die Demonstrierenden im Vorfeld an und verhaftete viele, die an der Spitze des Marsches standen. Diejenigen, die flohen, wurden ebenfalls verfolgt und angegriffen.

Die Regierung wird brutale Repression einsetzen, um ihren Angriff auf die öffentlichen Dienste und die Lebensbedingungen durchzusetzen. Die Versuche, die Bevölkerung mit drakonischen Gesetzen und Methoden einzuschüchtern, dürfen nicht toleriert werden. Die Arbeiter*innenbewegung muss darauf eine solide Antwort geben. Die Gewerkschaften müssen sich zu konkreten Aktionen wie einem Generalstreik entschließen. Erst am 24. August hatte sich die Gewerkschaftsführung mit westlichen Diplomaten und Botschaftern getroffen, um sie um Unterstützung für die Abschaffung der PTA und gegen die Repression zu bitten. Das ist so, als würde man den wilden Wolf bitten, die Schafe zu beschützen! Die Gewerkschaften müssen stattdessen direkte Maßnahmen gegen die Regierung und den IWF-geführten Haushalt ergreifen.

Die Vereinigte Sozialistische Partei (United Socialist Party, USP, CWI in Sri Lanka) verurteilt den Angriff auf den IUSF-Protest aufs Schärfste und fordert die sofortige Freilassung aller Verhafteten.

Die USP fordert:

* Demonstrationsrecht und freie Meinungsäußerung für alle.
* Vollständige Abschaffung der PTA.
* Sofortiger Rückzug der Armee aus den Straßen.
* Für einen eintägigen Generalstreik mit einer Massenmobilisierung zur Wiederbelebung der Bewegung, gegen den geplanten Angriff auf alle öffentlichen Dienste und die sich verschlechternden Bedingungen für Arbeiter*innen und Arme. Die Gewerkschaften sollten ebenfalls einen Generalstreik/Hartal planen, um das derzeitige repressive Regime zu vertreiben.
* Nein zum IWF-geführten Haushalt! Nein zum Verkauf von Ressourcen an den Westen, China oder Indien.
* Bildung von Komitees aus der Bevölkerung (“people’s councils’) im ganzen Land, um eine alternative Massenplattform zu schaffen, die die Forderungen der Massen umsetzt und den Weg für eine von den Arbeitern geführte Regierung ebnet.

Print Friendly, PDF & Email