Irans revolutionäre Jugendbewegung geht weiter

Bereitet einen Generalstreik vor!

Die Ereignisse im Iran überschlagen sich. Trotz massiver Repressionen, in deren Zuge mehr als 200 Menschen getötet und Tausende von Demonstrant*innen und jetzt auch Streikenden verhaftet wurden, halten die zunehmend revolutionären Proteste praktisch den gesamten Iran in Atem. Die Proteste dauern seit mehr als vier Wochen an und haben sich in den letzten Tagen ausgeweitet, zumal Streiks zur Unterstützung der Proteste ausgebrochen sind. All dies unterstreicht die neue Qualität der Bewegung, die nach dem Tod von Jina Mahsa Amini durch die so genannte “Sittenpolizei” entstanden ist.

von Lukas Zöbelein, Mainz, und Robert Bechert, Mitglied des Internationalen Sekretariats des CWI

Zunächst wurden die Proteste von Jugendlichen, insbesondere von Frauen und TeenagMinaern, angeführt. Der stellvertretende Kommandeur der so genannten islamischen “Revolutions”-Garde (in Wirklichkeit die konterrevolutionäre Garde) hat erklärt, dass das Durchschnittsalter der Verhafteten bei 15 Jahren liegt. Jetzt haben sich die Proteststreiks im wichtigen Erdölsektor ausgebreitet, einer Schlüsselressource, da der Iran über etwa 10 Prozent der nachgewiesenen Erdölreserven dMinaer Welt verfügt.

Wiederholt ertönte auf den Straßen der Ruf “Tod dem Diktator”. Als Reaktion darauf kam es häufig zu brutalen Repressionen und in einigen Gebieten zu Schusswechseln zwischen Sicherheitskräften und Demonstrant*innen. Doch das Militär und die Sicherheitskräfte existieren nicht isoliert; revolutionäre Bewegungen können sie beeinflussen. Während die meisten bisher dem Regime beigestanden haben, ist auf einem Video zu sehen, wie Bereitschaftspolizisten im Nazi-Abad-Viertel im Süden Teherans ohne Helme neben den Demonstrant*innen hergehen, anstatt sie anzugreifen.

Die Proteste haben das ganze Land erfasst. Trotz seines kurdischen Ursprungs wurde der Slogan “Jin, Jiyan, Azadi” (“Frau, Leben, Freiheit”) zu einem der wichtigsten Slogans der Bewegung, die sich im ganzen Land verbreitete. Dies veranschaulicht, wie die ethnischen Spaltungen im Iran auf der Grundlage gemeinsamer Kämpfe überwunden werden können. Bezeichnenderweise hat das Regime die Proteste in Gebieten, die von ethnischen oder religiösen Minderheiten wie den Kurd*innen und Belutsch*innen bewohnt werden, mit verstärkter Repression beantwortet. Um zu verhindern, dass das Regime eine Taktik des „Teile und Herrsche“ anwendet, braucht die Bewegung ein konkretes Programm zur nationalen Frage, welches für die Gleichheit und die Rechte bis hin zur Selbstbestimmung der unterdrückten Nationalitäten eintritt und zum gemeinsamen Kampf gegen das Regime aufruft.

Explosive Bewegung

Die explosionsartige Ausbreitung der Bewegung im gesamten Iran ist auf die jahrzehntelang gärende Wut über soziale Ungerechtigkeiten, die regelmäßige Unterdrückung der Opposition, Wahlmanipulationen durch das Blockieren von Kandidat*innen und insbesondere die brutale Unterdrückung der Frauen durch das Regime zurückzuführen. Das Regime hat stetig an Unterstützung verloren. Dies ist die vierte große Protestwelle im Iran seit 2019. Seit 2017-18 gibt es eine wachsende Zahl von Streiks, im vergangenen Jahr gab es weit über 2.000 Streiks und Proteste im Iran. Die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen 2021 lag in Teheran bei nur 26 Prozent, gegenüber 73 Prozent im Jahr 2017. Offiziell lag die landesweite Wahlbeteiligung bei 48 Prozent, aber die Zahl derer, die tatsächlich für einen der offiziell zugelassenen Kandidaten stimmten, war weitaus geringer, da 13,38 Prozent der Wahlberechtigten ungültige oder leere Stimmen abgaben. Die Financial Times berichtete, dass der “Leiter des halboffiziellen Meinungsforschungsinstituts ISPA sagt, dass ‘eine beträchtliche Mehrheit’ der Iraner*innen ein gefährliches Maß an ‘Wut’ auf die Islamische Republik hegt” (17. Oktober 2022), was die Stimmung in der Bevölkerung widerspiegelt.

Das Regime wurde auch durch die Wirtschaftskrise unterminiert. Zum Teil unter dem Einfluss westlicher Sanktionen ist die Wirtschaft zwischen 4 und 8 Prozent kleiner als im Jahr 2010. Gleichzeitig leidet das Land unter der Inflation, die Lebensmittelpreise sind im Vergleich zum Vorjahr um 70 Prozent gestiegen, und in den letzten 15 Jahren ist der reale Verbrauch der Haushalte in den Städten um 29 Prozent und in den ländlichen Gebieten um fast 50 Prozent zurückgegangen. Die Regierung schätzt, dass ein Drittel der fast 89 Millionen Einwohner*innen des Irans in Armut lebt. Die Wirtschaftskrise hat vor allem die Frauen getroffen; die Zahl der erwerbstätigen Frauen ist in vier Jahren um 20 Prozent zurückgegangen und die Arbeitslosenquote unter Hochschulabsolventinnen ist doppelt so hoch wie die der Männer (60 Prozent der iranischen Hochschulstudent*innen sind weiblich).

All dies führt dazu, dass Jugendliche, Frauen und die Arbeiter*innenklasse immer weniger bereit sind, mit der Unterdrückung zu leben, zumal die weit verbreitete Korruption der Elite Millionen von Menschen verprellt. Die Jugend ist sehr verärgert darüber, dass die Kinder der Elite im Ausland studieren und leben; im Mai behauptete General Morteza Mirian, ein ranghoher Kommandeur der “Revolutionsgarde”, im Fernsehen, dass 4.000 Verwandte “hoher Beamter” in den Vereinigten Staaten, Kanada oder Europa leben.

Vor diesem Hintergrund hat der Tod von Jina Mahsa Amini diese mächtige Bewegung ausgelöst, die bisher hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragen wird.

Gegenwärtig kommt es regelmäßig zu Straßenschlachten mit der Polizei und Einheiten der freiwilligen Basji-Miliz, die Teil der “Revolutions”-Garde sind. Dies zeigt, wie tief die Ablehnung des Regimes unter der Jugend sitzt. Viele Menschen auf der ganzen Welt werden einige der Videos gesehen haben, die im Umlauf sind, auf denen Schülerinnen zu sehen sind, die ihren Hidschab in der Schule ablegen und mit regimetreuen Basji und Polizeispitzeln zusammenstoßen, die vom Regime zur Überwachung der religiösen Vorschriften in den Schulen eingesetzt werden. Der Koordinierungsrat der iranischen Lehrer*innengewerkschaften hat eine Erklärung zu diesem Thema abgegeben. Er rief die Schüler*innen dazu auf, die Klassenzimmer in Räume für demokratische Diskussionen zu verwandeln und alle regimetreuen Kräfte aus den Klassenzimmern zu vertreiben. Diese Erklärung des Koordinierungsrates wurde einen Tag vor dem dritten Streiktag im Rahmen der laufenden Bewegung veröffentlicht.

Die Streiks in den kurdischen Gebieten, von Lehrer*innen im ganzen Land und von Teilen der Petrochemiearbeiter*innen sind wichtig. Sie können der Auslöser für breitere Aktionen sein, die die Stärke der Bewegung und die Schwäche der Basis des Regimes zeigen könnten. Einige Aktionen entwickeln sich durch lokale Initiativen. Das ist sehr positiv, aber es wird immer dringender, die Proteste auf eine höhere Ebene zu heben. Das Regime wird nicht allein durch Unruhen und Demonstrationen zu Fall gebracht werden, die es auszusitzen hofft. Eine Kombination aus einem 24- oder 48-stündigen Generalstreik und Massendemonstrationen wäre ein äußerst wichtiger nächster Schritt, um der Bewegung Gestalt zu geben. Die Bildung lokaler Gremien aus Vertreter*innen von Betrieben, Gemeinden und Bildungseinrichtungen zur Organisation eines solchen Streiks wäre ein wichtiger Schritt, um die Bewegung zu organisieren und eine alternative Macht zu den Strukturen des Regimes zu etablieren.

Die Ausrufung und Durchführung eines Generalstreiks gewinnt auch vor dem Hintergrund an Bedeutung, dass Ex-Präsident Khatami die Repressionsorgane aufgefordert hat, sich auf die Seite der Demonstrant*innen zu stellen, und Teile des Militärs sich offenbar bereits positiv auf seine Erklärung bezogen haben.

Auch der inzwischen inhaftierte ehemalige Ministerpräsident Mir-Hossein Mousavi forderte die Sicherheitskräfte in einer Botschaft auf, die Repression zu beenden: “Bewaffnete Kräfte! Die euch übertragenen Befugnisse dienen der Verteidigung des Volkes, nicht seiner Unterdrückung; dem Schutz der Unterdrückten, nicht dem Dienst an den Reichen und Mächtigen. Die Hoffnung ist, dass Sie auf der Seite der Wahrheit und der Nation stehen werden. Eure Aufgabe ist es, den Frieden für die Millionen und vor allem für die Unterdrückten zu sichern und nicht die Macht engstirniger Beamter zu festigen.”

Spaltungen innerhalb der Elite

Einige innerhalb der Elite erkennen, was vor sich geht. Mohammad Sadr, ein “reformorientierter” Politiker und Mitglied des Rates für Zweckmäßigkeit, der den “Obersten Führer” berät und die Aufsicht über die Regierung hat, sagte, der Tod von Jina Mahsa Amini habe “aufgestaute Frustrationen, Forderungen und Wut, insbesondere bei der jungen Generation”, entfacht und fügte hinzu, dass “man nicht mit Gewalt regieren kann”.

Dies sind Beispiele dafür, dass sich die Gräben innerhalb der Elite vertiefen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es den Mitgliedern des so genannten „reformistischen“ Flügels des Regimes, wie Kathami, Mousavi und Sadr, im Wesentlichen darum geht, die Basis der Islamischen Republik zu retten. Um dies zu erreichen, könnten sie beispielsweise die Sittenpolizei und die strengen Bekleidungsvorschriften für Frauen abschaffen, ansonsten aber einen Großteil des Regimes beibehalten. Selbst wenn solche Elemente große Teile der Strukturen der Islamischen Republik beseitigen wollen, ist klar, dass sie einen “normalen” kapitalistischen Staat aufbauen wollen, der die wirtschaftlichen und sozialen Forderungen der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend unbeantwortet lässt.

Aber die konservativeren Elemente der herrschenden Klasse haben nicht aufgegeben; sie versuchen, die Bewegung zu spalten und zu zerschlagen. Der Parlamentspräsident, ein ehemaliger Kommandeur der Revolutionsgarde, hat die Demonstrant*innen aufgefordert, nicht zuzulassen, dass die Demonstrationen “destabilisierend” werden, und gleichzeitig versprochen, “die Strukturen” der Sittenpolizei des Landes zu ändern. Er versuchte, an die Beschäftitgen zu appellieren, sich den Protesten nicht anzuschließen, indem er sagte, dass die jüngsten Proteste von Lehrer*innen und Rentner*innen wegen der Gehälter “Reformen anstrebten und nicht darauf abzielten, das System zu stürzen”, und fügte einen Appell an, “alle, die Gründe für Proteste haben, nicht zuzulassen, dass ihr Protest zu einer Destabilisierung und einem Umsturz” von Institutionen führt.

Angesichts der wachsenden Stärke der Proteste hat Präsident Raisi versucht, die Bewegung zu beschwichtigen. Am 15. Oktober verbreitete die amtliche Nachrichtenagentur Irna eine Erklärung von Raisi, in der er erklärte, das Regime werde einige der im Land geltenden Gesetze “überprüfen, überarbeiten, aktualisieren und erforderlichenfalls revidieren”. Er fügte hinzu, dass ein sozialer Dialog notwendig sei, um “Zweifel” in der Gesellschaft auszuräumen, und dass “wir auch sehen sollten, ob wir die gesetzten Ziele erreicht haben und wenn nicht, wo die Probleme liegen”. Raisi sagte weiter, dass auch der Status der Frauen stärker in den Mittelpunkt gerückt werden sollte. Aber das war alles vage; er sagte nicht genau, welche Gesetze er meinte, und erwähnte nicht einmal die Kopftuchvorschriften. Fest steht aber, dass die Regierung derzeit meint, etwas anbieten zu müssen, da die Repression noch nicht die gewünschten Ergebnisse bringt. Generalmajor Bagheri, der Stabschef des Militärs, warnte hochrangige Offiziere, dass “traditionelle Ansätze nicht mehr funktionieren werden”, was jedoch weitere Unterdrückungsversuche nicht ausschließt, wie den jüngsten Einsatz von Bereitschaftspolizisten der Revolutionsgarde an der Teheraner Universität.

Angesichts der schwachen sozialen Basis des Regimes, die sich bei den Wahlen im letzten Jahr gezeigt hat, und des Ausmaßes dieser Bewegung und des Ausmaßes der Opposition ist es dringend erforderlich, die nächsten konkreten Schritte zu organisieren. Das Regime verlässt sich darauf, dass sich die Bewegung durch ständige Proteste erschöpft, die nicht mit einer Strategie verbunden sind, die mehr Schichten in den Kampf einbezieht und das Regime herausfordert.

Der allgemeine Anstieg der Arbeiter*innenkämpfe und das Wachstum halblegaler unabhängiger Arbeiter*innenorganisationen in einigen Betrieben seit 2017/18 zeigen die potenzielle Macht der iranischen Arbeiter*innenklasse. Am 1. Mai letzten Jahres gaben 15 iranische Arbeiter*innenorganisationen eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie eine Reihe von Forderungen aufstellten und auch die Schaffung eines “Koalitionsrates aller Arbeiter*innen, Lehrer*innen, Angestellten, Rentner*innen, Frauen, Student*innen und Arbeitslosen als äußerst notwendig” bezeichneten. Dies ist nicht nur eine Forderung unter anderen, sondern die dringende Plattform, um eine neue Organisation der Arbeit in unserer Gesellschaft anzustreben”. Diese Erklärung endete mit der Feststellung, dass “die Emanzipation der Arbeiter*innen nur von den Arbeiter*innen selbst herbeigeführt werden kann!”

Streiks

Im Rahmen der aktuellen Bewegung kam es zu Streiks in den kurdischen Gebieten, zu dreitägigen landesweiten Streiks der Lehrer*innen und zuletzt zu Streiks in drei petrochemischen Betrieben. Es hat jedoch den Anschein, dass es während dieser Proteste bisher keinen gemeinsamen Aufruf der an der Erklärung zum 1. Mai 2021 beteiligten Organisationen zum Handeln gab.

Die militanten Arbeiter*innen der Zuckerrohrraffinerie Haft Tappeh haben zu einem “landesweiten” Streik aufgerufen. In ihrer Erklärung heißt es, dass “der Aufstand der Mädchen auf der Straße Unterstützung braucht. Die Mädchen dieses Landes haben beschlossen, eine große Veränderung herbeizuführen, eine Veränderung, die die Befreiung der Frauen in anderen Bereichen mit sich bringen wird:

“Dieser große und lobenswerte Aufstand sollte mit dem Streik der Arbeiter*innen überall in diesem Land verbunden werden. Um Diskriminierung und Unterdrückung zu beseitigen, um Armut und Not zu beseitigen, um Brot und Freiheit zu haben, sollten wir die Mädchen der Sonne und der Revolution nicht allein lassen. Mädchen der Sonne und der Revolution, am Tag des Sieges wird die ganze Welt vor euch den Hut ziehen – ihr habt allen eine Lektion im Aufstehen und im Widerstand erteilt.

Es lebe die Gewerkschaft und die Klassensolidarität der Arbeiter*innen für die Befreiung! Für einen landesweiten Streik im Dienstleistungs- und Produktionssektor!”

Dieser Aufruf zu einem landesweiten Streik muss dringend aufgegriffen werden. Ebenso muss die Idee eines “Koalitionsrates”, die in der gemeinsamen Erklärung zum 1. Mai 2021 erwähnt wird, in die Tat umgesetzt werden. Es ist gerade eine massenhafte und organisierte Intervention der Arbeiter*innenklasse, die jetzt notwendig ist, um die Bewegung voranzubringen. Dies kann als nächsten Schritt koordinierte Streiks aller halblegalen Gewerkschaften erfordern, die ein Beispiel setzen und schnell zu einem 24- bis 48-stündigen Generalstreik weiterentwickelt werden können.

Eine Kampagne, die auf einen Generalstreik vorbereitet, ist notwendiger denn je. Diese muss ein Programm enthalten, das die unmittelbaren Probleme mit der Notwendigkeit eines Regime- und Systemwechsels verbindet. Unmittelbare Themen wie die Freilassung aller inhaftierten Demonstrant*innen, Gewerkschafts- und Arbeiter*innenaktivist*innen und die Freiheit für alle politischen Gefangenen sind ein Anfang, ebenso wie die Freiheit der Frauen, Kleidung zu tragen und dort zu arbeiten, wo sie wollen, sowie die Abschaffung der Sittenpolizei, der so genannten “Guidance Patrols”.

Aber das sind nur die ersten Schritte. Das Recht, sich am Arbeitsplatz und politisch frei zu organisieren, und die Abschaffung aller unterdrückerischen Strukturen, Organisationen (wie der Basji) und Gesetze sind unerlässlich. Wirtschaftliche Forderungen wie die Verkürzung der Wochenarbeitszeit und ein inflationsgeschützter Mindestlohn sind unmittelbar wichtig.

Der Aufruf des Koordinationsrates der Lehrer*innen, die Klassenzimmer zu Diskussionsräumen zu machen, kann auch dazu beitragen, die notwendige Debatte über die Frage, was nach dem aktuellen Regime kommt, anzuregen, die sich auch in den Betrieben und Gemeinden entwickeln muss. Schulen könnten einer der Orte sein, an denen solche breiteren Gremien zusammentreffen könnten. Diskussionen, in denen die Fragen erörtert werden können, wie demokratische Rechte gesichert werden können, welche Art von Gesellschaft geschaffen werden soll und ob der Iran kapitalistisch bleiben oder einen sozialistischen Bruch vollziehen soll. Neben den Diskussionen über das Programm können diese Gremien aber auch damit beginnen, den Kampf zu koordinieren, einschließlich der Organisation der Verteidigung von Demonstrant*innen und Streikenden gegen Angriffe.

Wie geht es weiter?

Es ist klar, dass dieses Regime früher oder später fallen wird, entweder gestürzt oder durch seine eigenen Spaltungen untergraben. Aber dann stellt sich sofort die Frage: Was kommt dann?

Die derzeitige Bewegung ist insofern klassenübergreifend, als sie verschiedene Elemente umfasst, die sich gegen die derzeitigen Machthaber stellen. Sobald das Regime jedoch gestürzt oder auch nur stark geschwächt ist, wird sich die Frage stellen, wer die Macht übernimmt.

Bei jeder Revolution stellt sich unweigerlich die Frage, wer regiert. Es kann starke Rufe nach Einheit geben, oder zumindest nach Einheit gegen die Kräfte des alten Regimes, die in Argumenten für die Bildung einer “vorübergehenden”, “provisorischen”, “Einheits”-Regierung zur “Sicherung” der Revolution, zur Organisation von Wahlen usw. zum Ausdruck kommen. Sicherlich kann es eine Aktionseinheit gegen die Konterrevolution geben, aber das ist etwas ganz anderes als die Frage der Zusammenarbeit von Arbeiter*innenorganisationen mit pro-kapitalistischen Kräften in einer Regierung, die das kapitalistische System aufrechterhält.

Die Arbeiter*innenbewegung muss ihre eigene Agenda festlegen, eine sozialistische Agenda, die die unmittelbaren Forderungen mit der Notwendigkeit verbindet, mit dem Kapitalismus zu brechen, damit die Arbeiter*innenklasse und die Macht den sozialistischen Wiederaufbau der Gesellschaft beginnen können. Heute muss die Revolution die Gelegenheit ergreifen, dies zu tun, und darf sich nicht nur darauf beschränken, die jahrzehntelange Unterdrückung durch die Konterrevolution zu beenden, die die arbeitenden Massen beiseite geschoben und nach dem Massenaufstand, der die diktatorische Herrschaft des Schahs beendete, die Macht übernommen hat.

Unter den bürgerlich-liberalen Gegnern der Führung des Landes oder sogar des gesamten Regimes wird es diejenigen geben, die ein “normaleres” kapitalistisches System ohne die Zwänge der obersten religiösen Führer und der Apparatschiks der islamischen Staatsbürokratie wollen. Der Fortbestand des Kapitalismus bedeutet jedoch, dass die grundlegenden Fragen, mit denen der Iran konfrontiert ist, nicht beantwortet werden. Es wird unweigerlich zu Klassenkämpfen kommen, wenn die Interessen der Kapitalist*innen und der Arbeiter*innenklasse miteinander in Konflikt geraten. Wenn die kapitalistische Macht nicht gebrochen wird, besteht die Gefahr einer Konterrevolution, wahrscheinlich nicht so wie 1979/80, aber möglicherweise wie in Ägypten 2013, wenn die herrschende Klasse versucht, ihre Position zu sichern.

Die iranische Arbeiter*innenklasse und Jugend darf sich keine Illusionen über die Rolle des westlichen Imperialismus machen. Im Bewusstsein der potenziellen Stärke der iranischen Arbeiter*innenklasse haben die westlichen Mächte lange versucht, Verbindungen zu iranischen Oppositionellen und Arbeiter*innenführer*innen zu pflegen, um sie in eine prokapitalistische Umlaufbahn zu ziehen. Das sind falsche Freunde; sie mögen jetzt vorgeben, demokratische Rechte im Iran zu unterstützen, aber das haben sie zu Zeiten des Schahs nicht getan und sie haben lange Zeit andere diktatorische Regime in Saudi-Arabien, Ägypten und anderswo in der Region unterstützt.

Die Alternative, für die die Arbeiter*innenbewegung eintreten muss, ist die Ablösung des gegenwärtigen Regimes durch eine provisorische Regierung, die sich aus Vertreter*innen der Arbeiter*innenklasse, der Jugend und der Armen zusammensetzt und sofort Maßnahmen zur Umsetzung der grundlegenden Forderungen der Revolution ergreift. Gleichzeitig muss sie die Entwicklung lokaler demokratischer Gremien fördern, die die Grundlage für ein neues Regime bilden können. Solche Gremien könnten die Grundlage für die Wahl einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung sein, die über die Zukunft des Landes entscheidet.

Um dies zu erreichen, muss es eine sozialistische Kraft, eine revolutionäre Partei geben, die für diese Ideen eintreten kann. Dies war 1917 in Russland der Fall, als sich die Bolschewiki unter der Führung von Lenin nach der Februarrevolution weigerten, der prokapitalistischen provisorischen Regierung beizutreten, und sich stattdessen dafür einsetzten, in der Arbeiter*innenklasse eine Mehrheit für die sozialistische Revolution zu gewinnen. Das ist das Beispiel, dem die iranischen Sozialist*innen folgen müssen. Eine solche Politik, die die Grundlage für die sozialistische Oktoberrevolution 1917 in Russland bildete, steht im Gegensatz zu den vielen “Allparteien”-Regierungen, die nach Revolutionen in anderen Ländern eingesetzt wurden und die dazu führten, dass sozialistische Chancen vertan wurden und der Kapitalismus weiter regierte.

Die sich anbahnende neue iranische Revolution ist eine enorme Entwicklung; sie beginnt bereits, Jugendliche und Arbeiter*innen in anderen Ländern zu inspirieren. Wenn sie erfolgreich ist, wird sie eine elektrisierende Wirkung auf den Nahen Osten und darüber hinaus haben. Die Energie und der Mut der jungen Menschen sind ein Beispiel für alle. Was wir jetzt brauchen, ist die Ausweitung der Bewegung und eine Klärung der konkreten Schritte, die notwendig sind, um sowohl die Unterdrückung zu besiegen als auch den Weg zu einer wirklichen Befreiung von Unterdrückung und allen Übeln des Kapitalismus zu öffnen.