Netanjahu ist zurück – “Linke” Kräfte ausradiert
Bei den israelischen Parlamentswahlen am 1. November – den fünften Wahlen innerhalb von drei Jahren – kehrte der korrupte, rechtsgerichtete ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu an die Macht zurück. Gegen ihn läuft noch ein Verfahren wegen vier Korruptionsvorwürfen. Die rechtsextreme Religiös-Zionistische Partei, deren stellvertretender Vorsitzender, Itamar Ben-Gvir, die Ausweisung “illoyaler” Araber*innen sowie linker Jüdinnen und Juden fordert, ist nun mit 14 Sitzen die drittstärkste Partei in der Knesset.
von Amnon Cohen
Itamar Ben-Gvir ist auch ein Bewunderer von Baruch Goldstein, einem jüdischen Terroristen, der 1994 29 muslimische Palästinenser*innen während des Gebets massakrierte.
Die Meretz-Partei, die gegen die Besatzung der palästinensischen Gebiete auftritt, verfehlte knapp die Wahlhürde von 3,25 Prozent und verlor alle ihre Knesset-Sitze. Die radikale palästinensische Partei Balad, die sich vor kurzem von der kommunistisch geführten “Gemeinsamen Liste” gelöst hat, scheiterte ebenfalls an der Wahlhürde und verlor ihren einzigen Abgeordneten. Und die einst mächtige israelische Arbeitspartei, die Israel drei Jahrzehnte lang regierte, schaffte mit nur vier Sitzen nur knapp den Einzug in die Knesset – weniger als die gemeinsame Liste der kommunistischen Hadash-Partei und der säkularen palästinensischen Nationalistenpartei Ta’al.
Diese Wahl stellt eine vernichtende Niederlage für die israelische “Linke” dar und zeigt ihr völliges Versagen, einen Ausweg aus der Krise der israelischen Gesellschaft anzubieten.
Netanjahu kehrt nur 16 Monate nach seinem Sturz bei den Wahlen 2021 und der ihn ablösenden “Regierung des Wandels” an die Macht zurück. Diese Regierung, die von einem Großteil der israelischen Kapitalist*innenklasse unterstützt wurde, war eine unheilige Allianz aus rechtsextremen Siedler*innen, der besatzungskritischen Meretz-Partei, der islamistischen Vereinigten Arabischen Liste, der israelischen Arbeitspartei und der Zentrumspartei von Yair Lapid – ungleiche Parteien, die nur durch ihre Opposition gegen Netanjahu geeint waren.
Trotz eines großen finanziellen Überschusses stellte die scheidende Regierung die staatlichen Konjunkturprogramme ein, die viele Familien und kleine Unternehmen über Wasser hielten. Die Regierung führte auch eine blutige Bombenkampagne im Gazastreifen durch und beschleunigte den Bau von Siedlungen und die Enteignung von palästinensischem Land im Westjordanland sowie die Vertreibung von Palästinenser*innen aus ihren Häusern in Ostjerusalem und ihre Ersetzung durch rechtsextreme Siedler*innen. All dies geschah in einer Regierung, die von Meretz und der Arbeitspartei gestützt wurde, die bereit waren, als fünftes Rad in dieser repressiven Regierung zu fungieren, um Netanjahu aus dem Amt zu halten. Als die palästinensische Journalistin Shireen Abu Akleh von den israelischen Streitkräften ermordet und ihre Beerdigung von der israelischen Polizei brutal angegriffen wurde, war der verantwortliche Minister Omer Bar Lev von der Arbeitspartei.
Die Bilanz von Meretz in der Regierung
Die Meretz-Partei hatte in der Opposition immer gegen die Übel der Besatzung gewettert, aber sobald sie in der Regierung war, stimmten ihre sechs Abgeordneten immer wieder für die Aufrechterhaltung der repressiven Gesetze, die das Besatzungsregime aufrechterhalten. Dies geschah im Namen des Zusammenhalts der Koalition und der Verhinderung der Rückkehr von Netanjahu. Um Netanjahu zu verhindern, stützte Meretz eine Regierung, die die rassistische und repressive Politik Netanjahus fortsetzte und nun ist Netanjahu wieder Premierminister.
Nach der Ermordung von Shireen Abu Akleh wurde dieser Widerspruch unhaltbar und Meretz’ einzige arabische Abgeordnete, Ghaida Rinawie Zoabi, trat kurzzeitig aus der Koalition aus und beraubte sie damit ihrer Mehrheit. Die anschließende Denunziation von Rinawie Zoabi durch die Meretz-Führung machte deutlich, dass trotz des egalitären Programms von Meretz die Rolle einer arabischen Meretz-Abgeordneten darin besteht, als Dekoration zu dienen, von der erwartet wird, dass sie tut, was man ihr sagt und für die weitere Unterdrückung der Palästinenser*innen zu stimmen. Ihr Rückgang auf null Abgeordnete bei dieser Wahl ist das unvermeidliche Ergebnis der völligen Rückgratlosigkeit von Meretz.
Netanjahus Likud-Partei ist mit 32 Sitzen erneut die größte Fraktion in der Knesset. Dies entspricht jedoch nur einem Viertel der Knesset-Sitze. Der Likud hat eine Trump-ähnliche rechtspopulistische Unterstützung aus den unterdrückteren Schichten der Arbeiter*innenklasse erhalten, die sich bewusst sind, dass er von der Mehrheit des kapitalistischen Establishments abgelehnt wird. Aber sein Stimmenanteil ist immer noch deutlich geringer als in den 1980er Jahren, als der Likud zeitweise 48 Sitze hatte.
Zugewinne für die extreme Rechte
Viele Menschen sind bestürzt über den raschen Aufstieg der rechtsextremen Religiös-Zionistischen Partei. Die einstige Randpartei hat ihren Stimmenanteil verdoppelt und ist nun mit 14 Sitzen die drittstärkste Partei in der Knesset. Ihr Programm ist ein Programm des rassistischen Bürgerkriegs und der ethnischen Säuberung gegen die Palästinenser*innen, des Verbots von Ehen zwischen Juden und Muslimen und der Ausweisung von Araber*innen, die “illoyal” sind (ebenso wie “verräterische” linke Juden und Angriffe auf LGBT-Rechte). Ihr bewaffneter stellvertretender Vorsitzender, Itamar Ben Gvir, ist ein Anhänger des Neofaschisten Meir Kahane, war Jugendleiter der inzwischen verbotenen Kach-Partei und bietet jüdischen Terrorist*innen, die Palästinenser*innen ermorden, Rechtsbeistand.
Ben Gvir wurde wegen Aufstachelung zu rassistischem Hass verurteilt und selbst die israelische Armee (die für ihre rassistische Unterdrückung der Palästinenser*innen berüchtigt ist) weigerte sich, ihn wegen seiner extremistischen Ideologie anzuwerben. Er war maßgeblich an der Kampagne beteiligt, palästinensische Familien aus ihren Häusern in Ostjerusalem zu vertreiben und sie durch Siedler*innen zu ersetzen.
Seine Partei erhielt viele Stimmen aus den Städten mit gemischten Nachbarschaften, in denen im Mai 2021 eine Art Nachbarschafts-Bürgerkrieg ausbrach, der teilweise von rechten Schläger*innen aus Ben Gvirs Partei angefacht wurde. Diese gemischten Städte sind nach wie vor Kriegsgebiete niedriger Intensität und Ben Gvir machte sich die Angst der jüdischen Bewohner*innen dieser Viertel zunutze, indem er die “einfache” Lösung anbot, ihre arabischen Nachbar*innen zu vertreiben. Der Aufstieg dieser Partei, der politischen Verkörperung der destillierten Reaktion, zeigt die enorme Krise der israelischen Gesellschaft und die Verzweiflung großer Teile der Bevölkerung, die mit den gescheiterten Parteien des Establishments unzufrieden sind und verzweifelt nach einem Ausweg aus der Krise suchen. Dies sind die schrecklichen Gefahren, die durch das Vakuum entstehen, wenn es keine Arbeiter*innenpartei gibt, die eine sozialistische Lösung für die Krise anbietet.
Die israelische Presse rechnet damit, dass Netanjahu jetzt genug Unterstützung in der Knesset hat, um eine stabile Koalition mit Ben Gvir zu bilden. Die Bildung einer solchen Koalition würde jedoch Benzin in die bereits schwelende Glut des nationalen Konflikts mit den Palästinensern gießen, sowohl innerhalb als auch außerhalb Israels, wie auch mit dem umliegenden Nahen Osten. Daher wird Netanjahu wahrscheinlich eine Regierung der Nationalen Einheit mit Yair Lapid oder den Zentrumsparteien von Benny Ganz vorziehen und das Schreckgespenst einer ultrarechten Koalition mit Ben Gvir nutzen, um ein Maximum an Einfluss zu gewinnen.
Nach Jahren des parlamentarischen Stillstands verschaffen diese Wahlen Netanjahus Verbündeten eine klare Mehrheit von fünf Sitzen – rechnerisch genug, um eine stabile Koalition zu bilden. Doch Netanjahus Likud-Partei wäre mit 32 Sitzen in einer solchen Koalition in der Minderheit und ständigen Erpressungen durch geistesgestörte rechte Fanatiker ausgesetzt. Seine fünf Sitze umfassende Koalitionsmehrheit wird nicht ausreichen, um ihn vor der chronischen Instabilität der israelischen Gesellschaft zu bewahren, und seine Koalition wird von einer Krise in die nächste taumeln und schließlich in Stücke gerissen werden.
Sozialistischen Alternative nötig
Der israelische Kapitalismus ist in der Krise. Seine Parteien haben der israelischen Arbeiter*innenklasse nichts anderes zu bieten als permanenten Krieg, Unsicherheit und wirtschaftliches Elend. Diese Parteien können nur Unterstützung gewinnen, indem sie die reaktionärsten Ideen wie Rassismus, Ultranationalismus, Homophobie und Hass auf Migrant*innen schüren. Im Kapitalismus gibt es keinen Ausweg, und alle Parteien, die sich an das kapitalistische System klammern, werden von einer Krise in die nächste taumeln.
Diese neue Regierung wird die Probleme, mit denen die israelische Arbeiter*innenklasse konfrontiert ist, nicht lösen und wird wahrscheinlich noch mehr Unterdrückung für die palästinensischen Massen bedeuten. Es muss eine unabhängige Stimme der israelischen Arbeiter*innenklasse geben, die sich dem Rechtspopulismus und der extremen Rechten entgegenstellt und dafür eintritt, sich mit den palästinensischen Massen zu vereinen, um eine nicht-sektiererische Alternative aufzubauen, die die demokratischen und nationalen Rechte aller verteidigt. Eine solche Bewegung wäre die Grundlage für den Aufbau von Arbeiterparteien, die mit einem sozialistischen Programm bewaffnet die Arbeiterklasse in Aktionen auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Interessen vereinen und auf diese Weise den Alptraum von Unterdrückung und Kapitalismus beenden können.