Wie weiter im Kampf gegen die Krise?

Erste Proteste fallen begrenzt aus, doch weitere Kämpfe stehen an

Ein “Heißer Herbst” war das noch nicht. Linke Proteste blieben bisher oft klein, am 22.10. folgten nur wenige tausend bundesweit dem Aufruf von ver.di und anderen, um gegen die Auswirkungen der Krise zu protestieren. Für diejenigen, die den Widerstand gegen die kapitalistische Misere und die Ampel-Politik organisieren wollen, stellt sich jetzt die Frage: Wie geht es weiter?

von René Arnsburg, Berlin

Es haben sich viele neue Bündnisse gegründet. Allein „Genug ist Genug“ gibt an, in über dreißig Städten Gruppen zu haben. Mittlerweile gibt es eine Verknüpfung mit Teilen der Gewerkschaften – vor allem ver.di – und mit Rallys und eigenen Kundgebungen wird versucht, den Zuspruch in den sozialen Medien auf die Straße zu bringen.

Die Kräfte sammeln

Die Themen und Forderungen der Initiativen sind oft ähnlich und bieten eine Grundlage dafür, Bündnisse zusammenzuführen. DIE LINKE sollte sich überall daran beteiligen. Doch gerade die Gewerkschaften stehen in der Pflicht, ihren Platz an der Spitze der Bewegung einzunehmen – auf Kosten ihres Sitzes neben Kapital und Regierung in der “konzertierten Aktion”.

Zwar wächst die Not von Millionen in Deutschland mit jedem Tag, aber der “Heiße Herbst” blieb bislang aus. Die Gründe dafür sind neben der bisher schwachen gewerkschaftlichen Mobilisierung u.a. ein Abwarten bei vielen angesichts der von Bund- und Ländern angekündigten Entlastungspakete und die mangelnde Vorstellung davon, wie gemeinsam etwas geändert werden kann. 

Das wäre anders, gäbe es eine Kraft, die die Forderungen auf der Straße und in den Betrieben durchkämpfen wollte, wie das beispielsweise durch die Gewerkschaften möglich wäre.

Dass es bei den Protesten noch Luft nach oben gibt, sollte nicht zur Entmutigung führen, sondern genutzt werden, um die ersten Ansätze auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene aufzubauen und zu verknüpfen. Es braucht weiter regelmäßige lokale Kundgebungen und damit ein Angebot, an Menschen auch außerhalb “linker Kreise” sich zu organisieren. Wo es Streiks gibt, sollten diese unterstützt werden. 

Für kämpferische Tarifrunden 

In den nächsten Monaten stehen bis zu zehn Millionen Beschäftigte in Tarifrunden. Gerade die Durchsetzung der hohen Lohnforderungen im öffentlichen Dienst Anfang 2023 wird entscheidend sein und eine Marke setzen. Andere, nicht weniger wichtige Tarifrunden beginnen vorher, wie aktuell in der Metall- und Elektroindustrie. 

Die Gewerkschaften haben es in der Hand, jetzt alle Kräfte anzuspannen, Urabstimmungen und Erzwingungsstreiks vorzubereiten und so auch ein Beispiel für bisher unorganisierte Belegschaften zu geben. Es bräuchte eigentlich eine Aktionskonferenz, getragen von den Gewerkschaften, um breit zu diskutieren, wie man sich gegen die Krise jetzt wehrt und Tarifrunden stärkt. Das würde eine Ermutigung für viele sein.

Gibt es einen vorauseilenden Kompromiss, ohne wirklich gekämpft zu haben, wird es wieder Austritte und Frustration geben. Es braucht eine Strategie, wie Kolleg*innen aktiviert, in den Kampf einbezogen und über die Gewerkschaften hinaus eine Solidaritätskampagne organisiert werden kann, die bis in alle Betriebe und Stadtteile hineinreicht. 

Heißer Winter, heißer Frühling

Die Tarifrunden könnten eine neue Welle der Proteste, einen “heißen” Winter oder Frühling, einläuten. Das ist der Anknüpfungspunkt für die sozialen Bewegungen. Darüber hinaus werfen viele Initiativen Forderungen auf, die den Rahmen der Lohnforderung verlassen, aber zur Krisenbewältigung nötig sind. Dazu gehört die Besteuerung von Reichtum zur Finanzierung höherer Löhne genauso wie nach Preisobergrenzen und der Enteignung der Immobilien- und Energiekonzerne.

Trotz der Auflage einiger Entlastungspakete, die zu spät kommen und die Auswirkungen der Krise allenfalls verzögern, macht die Bundesregierung nichts anderes als Politik im Interesse des großen Kapitals. Die Unabhängigkeit der Proteste von den Ampel-Parteien wird eine entscheidende Frage werden, ob Angriffe abgewehrt und Verbesserungen durchgesetzt werden können. 

Dazu kommt die Frage, ob die Struktur eines Bündnisses ein Ort ist, an dem sich Aktive und Kolleg*innen selbst organisieren, wo sie über Inhalt und Form der Arbeit demokratisch entscheiden. Oder ob die Bündnisse von oben geleitet werden, an deren Veranstaltungen man sich dann nach vorher getroffener Vorgabe beteiligen kann. Gerade bei Genug ist Genug sind bundesweite Entscheidungsprozesse bislang intransparent. Die in Genug ist Genug diskutierte Aktionskonferenz könnte bestehende Protestinitiativen und Gewerkschaftsaktive zusammenführen und demokratische Kampagnenstrukturen schaffen. Diskussionen über diese Punkte sollten unmittelbar angegangen werden und dafür können die kommenden Wochen und Monate genutzt werden, um spätestens 2023 auf einer breiteren und festeren Grundlage den Herrschenden einzuheizen.  

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