„Bürgerhartz“ bleibt Armut per Gesetz

Foto: Björn Láczay https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

Alter Wein in neuen Schläuchen für Erwerbslose

Die Einführung des Bürgergeldes war eines der Prestigeprojekte der aktuellen Bundesregierung. Es sollte die „größte Reform der letzten zwanzig Jahre“ werden. Versprochen wurden höhere Leistungen, Abschaffung der Sanktionen und Begegnung „auf Augenhöhe“. Nachdem SPD und Grüne eben jenes Hartz IV damals 2005 eingeführt hatten, wollten sie sich nun von dessen schlechtem Ruf reinwaschen. 

Von Dorit Hollasky, Dresden

CDU, CSU und AfD drohten sofort mit Zustimmungsverweigerung und nutzten die Pläne für offensive Angriffe auf die Leistungsbeziehenden. Markus Söder (CSU) äußerte, dass die Menschen “am Ende, wenn sie arbeiten, weniger haben, als wenn sie nicht arbeiten”. Damit verdreht er die Fakten: Wenn arbeitende Menschen weniger als Grundsicherung verdienen, dann muss diese prekäre Beschäftigung bekämpft werden und nicht die Regelsätze.

Die AfD forderte Bürgerarbeit für Leistungsbeziehende. Wer sich dieser schlecht bezahlten Zwangsarbeit verweigert, solle nur noch Sachleistungen erhalten. Zudem will sie die vollständige Residenzpflicht für Leistungsbeziehende. Wer seinen Wohnort nur einen Tag unerlaubt verlässt, solle Sanktionen spüren. Was für höhnische Forderungen von einer Partei, die angeblich die Vertretung der sogenannten kleinen Leute sein will!

Was ist nun rausgekommen?

Die  Regelsätze werden um lächerliche 43 bis 53 Euro auf maximal 502 Euro erhöht, was auch ohne die Umbenennung notwendig geworden wäre und nicht mal die Preissteigerungen ausgleicht. Insbesondere die lebensnotwendigen Kosten sind überdurchschnittlich gestiegen. Lebensmittel sind durchschnittlich um 21 Prozent teurer geworden. Ein 12jähriges Kind darf aber nur 3,35 Euro täglich für Essen verbrauchen. Die durchschnittlichen Stromkosten für eine Person betragen circa sechzig Euro monatlich. Beim Bürgergeld sollen aber 42,55 Euro im Monat reichen. Für Mobilität dürfen 45 Euro ausgegeben werden  – damit ist auch das 49 Euro Ticket für Bürgergeldbeziehende nicht bezahlbar. Ein Auto, ein Haustier oder Hobbies kommen in der Rechnung gar nicht vor. Geschweige denn ein Urlaub. 

Es gibt zwar höhere Vermögensfreibeträge (40.000 Euro) als vor der Pandemie. Doch während der Pandemie betrugen diese sogar 60.000 Euro. Diese Regelung hätte einfach nur weiter angewendet werden müssen. Die Sanktionen wurden nicht abgeschafft, sondern schlicht umbenannt in „Leistungsminderungen“, so dass weiterhin das (nicht ausreichende) Existenzminimum untergraben werden kann. 

Die Kosten für die Wohnung werden nur für ein Jahr vollständig anerkannt. Danach gilt wieder: wer in einer zu teuren Wohnung wohnt, muss entweder die fehlenden Beträge aus dem Regelsatz begleichen oder umziehen. Wo dieser preiswerte Wohnraum zu finden sein soll, bleibt das Geheimnis der Gesetzgeber. 

Fazit 

Alles in allem ist das Bürgergeld alter Wein in neuen Schläuchen und die umgangssprachlich aufgekommene Bezeichnung „Bürgerhartz“ ist sehr treffend. Die neuen Regelsätze sind weiterhin nicht bedarfsdeckend. Das Versprechen von Arbeitsminister Hubertus Heil, dass „das Hartz-IV-System überwunden und dem Sozialstaat ein neues Gesicht gegeben“ würde, wurde rundherum nicht erfüllt. 

Die Sol fordert statt Bürgergeld oder Hartz IV eine soziale Mindestsicherung und Mindestrente von 900 Euro plus Warmmiete für jede*n Erwachsenen und 700 Euro pro Kind – ohne Bedürftigkeitsprüfung und Schikanen.

Ist das zu viel verlangt?

Deutschland ist das viertreichste Land der Erde, nur ist das Geld extrem ungleich verteilt. Es gibt hier ein Privatvermögen von 13 Billionen Euro. Niemand bräuchte Angst haben, seine Wohnung zu verlieren oder kein Geld mehr für Lebensmittel zu haben. Aber hier besitzen ein Prozent der Reichsten über ein Drittel des gesamten Vermögens. Und ein Viertel hat gar nichts oder Schulden. 

Was muss passieren?

Da die Stimmen der Betroffenen und Sozialverbände offensichtlich auch von der  Regierung nicht gehört werden, müssen wir uns organisieren, Demonstrationen und Streiks durchführen. Dafür, dass die Superreichen und Großkonzerne zur Kasse gebeten werden. Dafür, dass Pflegeheime, Krankenhäuser, Energiekonzerne, die Bahn, Immobilienkonzerne und weitere Konzerne enteignet werden und in die Hände derjenigen kommen, die sie errichtet haben, für die sie da sind und die dort arbeiten und leben. Dafür, dass kein Geld mehr für Kriege und Umweltzerstörung rausgeschmissen wird. Dafür, dass hier alle Menschen in Frieden, selbstbestimmt und menschenwürdig leben können.

Dorit Hollasky ist Sozialarbeiterin und Sprecherin der ver.di Betriebsgruppe am Städtischen Klinikum Dresden*

*Angabe der Funktion dient nur der Kenntlichmachung der Person

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