Protestwelle in Frankreich

Massenhafter Widerstand gegen Macrons Rentenpläne

Mit der gigantischen Protestwelle, die aktuell Frankreich erschüttert, hat die Arbeiter*innenklasse die große Bühne der Politik – auch auf dem europäischen Festland – im Sturm zurückerobert. Präsident Macrons Plan, das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre zu erhöhen, hat die große Mehrheit gegen ihn aufgebracht und in Bewegung gesetzt. Die Gewerkschafts-Dachverbände haben seit dem 19. Januar bereits zu vier großen Streik- und Protesttagen aufgerufen. An jedem davon waren Millionen, teils über zwei Millionen, auf den Straßen Frankreichs. 

Von Jasper Proske, Mainz

Während die Regierung daran arbeitet, den Gesetzesentwurf durchs Parlament zu drücken, haben die Gewerkschaften bereits weitere Aktionstage sowie politische Streiks und eskalierende Maßnahmen angekündigt. 

Abwälzung der Krisenkosten

Mit seiner geplanten Reform will Macron dazu beitragen, die Kosten der Krise auf dem Rücken der Arbeiter*innen abzuwälzen. Nur durch Umverteilung von unten nach oben kann die Krise für die Kapitalseite zufriedenstellend behoben werden. Der Druck auf Macron ist also groß – er muss jetzt für die Herrschenden liefern. Die unten wiederum sind nicht bereit, angesichts niedriger Löhne, steigender Preise, sich verschlechternder Arbeitsbedingungen, staatlicher Angriffe auf öffentliche Dienstleistungen wie Bildung und Krankenhäuser noch weitere Einbußen hinzunehmen: die Arbeiter*innen und mit ihnen die große Mehrheit, sind entschlossen zu kämpfen. Ein erbittertes und folgenschweres Kräftemessen bahnt sich an.

Seit 2020 haben sich viele Staaten mit Kürzungsprogrammen zurückgehalten. Frankreich wird für die herrschenden Klassen Europas zum Gradmesser, auch für die Umsetzbarkeit eigener Umverteilungsmaßnahmen. Dementsprechend gibt es auch in der deutschen Presse erhebliche Rückdendeckung für Macrons Rentenpläne. Alles schaut nach Frankreich.

Schwäche der Linken

Indes ist Macron politisch angeschlagen und bei weitem nicht so stark wie sich die herrschende Klasse dies wünscht. In der letzten Parlamentswahl hat Macrons Partei ihre Mehrheit verloren und muss nun auf die Stimmen der konservativen Republicaines hoffen. 

Damit sind die Pläne alles andere als sicher, und eine entschlossene Gegenwehr könnte sie sehr wahrscheinlich kippen – mit den richtigen Mitteln.

Leider fehlt es aber auch der linken Opposition in Frankreich an organisatorischer Stärke und politischer Klarheit. Obwohl La France Insoumise zusammen mit dem Bündnis NUPES zweitstärkste Kraft geworden ist, ist LFI nur punktuell existent. Die Hauptinitiative geht eindeutig von den Gewerkschaften aus, die trotz begrenzter Mitgliederzahlen Massen mobilisieren.

Für nachhaltige Erfolge ihrer Kämpfe ist es aber unerlässlich, dass die Arbeiter*innenklasse die Möglichkeit hat, sich auch politisch in einer eigenen, von den Herrschenden unabhängigen Partei mit sozialistischem Programm zu organisieren, um so ihren Kampf demokratisch gestalten und bestimmen zu können.

Sozialistisches Programm nötig

Gleichzeitig reicht es aber nicht, nur um die Rente zu kämpfen. Um einen wirklich allgemeinen Widerstand zu organisieren, sind weitergehende Forderungen nötig. Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke, Schwesterorganisation der Sol in Frankreich) ist in Gewerkschaften, in LFI und in der Bewegung aktiv und fordert neben einer Rente ab spätestens sechzig Jahren kräftige Lohnerhöhungen, ein Mindesteinkommen von 1.600 Euro, die Senkung und Deckelung der Verbraucherpreise, die Verstaatlichung und demokratische Kontrolle der größten Banken und Unternehmen und eine Regierung der Arbeiter*innen.

Konkret müssten die Gewerkschaften in allen Betrieben und Städten Streik- und Betriebsversammlungen einberufen, um offen über die nächsten Schritte zu entscheiden. Solche Versammlungen könnten demokratische Kampfleitungen wählen, die auch zentral über Programm und Kampfmaßnahmen entscheiden und weitere Betriebe und Gruppen einbinden könnten. Nur so kann dieser, für Frankreich und Europa so wichtige Kampf, sicher gewonnen werden!