Krise mit gewaltigen Folgen

Sozialistische Antworten auf das Bankenchaos nötig

Die Angst vor einer neuen großen Bankenkrise ist zurück. Im März brachen die Silicon Valley und Signature Banken in den USA und die Credit Suisse in der Schweiz zusammen. Die Unruhe schwappte auch nach Deutschland. Die Aktienkurse der Deutschen Bank sanken teils zweistellig. Ende März, da dieser Artikel geschrieben wird, ist noch unklar, ob ein großer Crash kommt oder die Krise in Wellen verläuft. Klar ist aber, dass der von unzähligen Krisen geplagte Kapitalismus in eine neue Phase eintritt. Man kann nicht unterschätzen, was für enorme soziale und politische Auswirkungen diese Entwicklungen haben werden.

von Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung

Aber was ist eigentlich passiert? Die Krise fing an mit einem klassischen Bankansturm auf die Silicon Valley Bank (SVB), der zur Insolvenz führte. Kund*innen der SVB, meist von Risiko-Kapital-Anleger*innen finanzierte Tech-Start-Ups, gerieten in Sorge über die Liquidität ihrer Hausbank und ob ihren Einlagen ausreichend Vermögenswerte gegenüberstanden. Dass die SVB tatsächlich insolvent wurde, hat auch mit ihrer Anlagestrategie zu tun. Während des Tech-Booms hat die Bank Milliarden in langfristige US-Staatsanleihen angelegt, die als niedrigverzinste aber sichere und stabile Anlage galten. Mit dem Anheben der Leitzinsen durch die Zentralbanken hat sich das jedoch verändert. Die steigenden Zinsen haben den realen Wert der Anleihen verringert – nur tauchte das nicht in der Bilanz auf. Der Wertverlust wurde erst in der Krise deutlich, da die Bank Liquidität brauchte.

Silicon Valley Bank kein Einzelfall

Andere US-Banken sind ebenfalls eingeknickt oder stehen unter enormem Druck, insbesondere kleine und mittelgroße Banken. Die Risiken sind da: Nach offiziellen Angaben verstecken sich 620 Milliarden US-Dollar nicht-realisierter Verluste in US-Bankbilanzen. Die SVB ist kein Einzelfall, sondern hat die großen Gefahren und Instabilitäten im Bankensystem sichtbar gemacht. Diese Panik ist auf Europa übergeschwappt und hat mit der Credit Suisse (CS) eine der dreißig größten Banken der Welt getroffen, die zwangsfusioniert werden musste. Aktienkurse europäischer Banken gerieten unter Druck, angeführt von der Deutschen Bank. Olaf Scholz sah sich gezwungen zu versichern: „Die Deutsche Bank ist neu organisiert und sehr profitabel.“ Viele werden diese Worte zurecht argwöhnisch aufgenommen haben, gilt doch oft die Regel, dass man sich gerade dann Sorgen machen sollte, wenn die Herrschenden sagen, es gäbe dafür keinen Anlass.

2007/08 reloaded?

Vergleiche zur letzten großen Finanzkrise liegen in der Luft. Doch der Kapitalismus war seit dieser letzten großen Krise nicht in der Lage, die tieferliegenden Probleme und Krisenursachen zu beseitigen. Im Gegenteil befindet sich das System heute in einer noch viel prekäreren Situation. 

Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, wie massiv die Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten zugenommen haben. Der größte Konflikt ist der zwischen den USA und China und wirkt sich auch auf die Weltwirtschaft aus. Der Handelskrieg hat zu einer gewissen Entkopplung geführt. China hat in der letzten Krise die Weltwirtschaft enorm gestützt – diese Rolle wird es aus verschiedenen Gründen nicht erneut spielen können. 

Ein riesiges Problem ist die Inflation, die verschiedene Ursachen hat – u.a. die enormen Summen, welche die Herrschenden durch Niedrigzinsen, Anleiherückkaufprogramme und Rettungspakete in die Wirtschaft gepumpt haben. Das hat die weltweite Verschuldung auf gigantische Ausmaße ausgedehnt, was in vielen Ländern einer tickenden Zeitbombe gleichkommt. Eine Ursache für die Probleme im Bankensystem ist eine Abkehr von dieser Politik, welche die Inflation abdämpfen soll (ob das gelingt, ist fraglich). Doch jetzt, da die Banken in Panik oder reale Liquiditätsengpässe geraten, drehen die Herrschenden den Geldhahn wieder auf. Es gibt für sie keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Eine erneute Absenkung der Zinsen scheint aktuell zwar unwahrscheinlich – die Krisenpolitik wird vermutlich im Zick-Zack-Kurs verlaufen. Die Abkehr von der „Politik des billigen Geldes“ riskiert aber eine Rezession – ohne Garantie die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Eine Bankenkrise, die zu einer Kreditklemme führt, könnte das verschärfen.

Dramatische Folgen

Eine Rezession, möglicherweise sogar eine Depression, sind damit wahrscheinlicher geworden. Das wird dramatische Folgen haben. Nicht nur in der neokolonialen Welt sondern auch in den entwickelten kapitalistischen Ländern wird das zu einem Ausmaß an Verarmung und Elend führen, wie es jahrzehntelang nicht zu sehen war. Aber das wird auch die politische Polarisierung anheizen. Die Krise 2007/08 brachte Massenaufstände und Revolutionen, angefangen beim sogenannten Arabischen Frühling. Sie befeuerte die Begeisterung für die linken Ideen von Bernie Sanders und Jeremy Corbyn, die aber keine Alternative zum Kapitalismus aufstellten. Sie ebnete aber auch dem Erfolg von Rechtspopulisten wie Trump und Bolsonaro den Weg. 

Linke und Gewerkschafter*innen müssen sich auf stürmische Zeiten vorbereiten. Eine ausgewachsene Bankenkrise wäre auch in Deutschland ein Einfallstor für Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse. Gewerkschaften müssen in den aktuellen Tarifrunden deshalb Reallohnerhöhungen durchsetzen und dadurch Organisationsgrad und Kampfkraft erhöhen, um sich auf die kommenden Auseinandersetzungen vorzubereiten. Linke müssen mutig eine sozialistische Systemalternative zum Kapitalismus propagieren und gegen die Auswirkungen der Krise kämpfen. Das heißt u.a. die Eigentumsfrage stellen: Banken und Konzerne müssen in Gemeineigentum überführt und demokratisch kontrolliert und verwaltet werden – als Teil einer demokratisch geplanten Wirtschaft im Interesse der Mehrheit. 

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