Aus der Geschichte lernen

Manifest-Verlag veröffentlicht ersten Band von Pierre Broués Standardwerk “Die Deutsche Revolution”

Im Manifest-Verlag ist der erste Band der zweibändigen deutschen Erstausgabe von Pierre Broués Standardwerk “Die Deutsche Revolution” erschienen. Wir sprachen mit Wolfram Klein, der dieses Buch des französischen sozialistischen Historikers herausgegeben und an der Übersetzung mitgewirkt hat.

Vor 100 Jahren scheiterte die Revolution in Deutschland. Ist das für heute noch ein Thema?

Die Revolution war nicht nur eine Revolution gegen den Kaiser und den Ersten Weltkrieg, sondern auch gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus. Heute steckt der Kapitalismus in einer multiplen Krise und die Alternative Sozialismus oder Untergang in die Barbarei ist aktueller denn je … und das macht auch vergangene Versuche lehrreich, den Sozialismus zu erreichen. Im 20. Jahrhundert gab es angefangen mit der Russischen Revolution 1917 mehrere Länder, in denen der Kapitalismus für Jahrzehnte beseitigt werden konnte. Aber das waren überwiegend rückständige Länder wie Russland und China oder der Sturz des Kapitalismus führte nach dem Zweiten Weltkrieg  zu stalinistischen Systemen (wie in der DDR oder der Tschechoslowakei). Die Deutsche Revolution 1918-1923 war ein Beispiel, wo in einem hochindustrialisierten Land der Sturz des Kapitalismus durch die organisierte Arbeiter*innenbewegung fast geklappt hätte.

Aber so wie es den damaligen Akteur*innen klar war, dass sich die Erfahrungen der Russischen Revolution nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lassen, so ist es auch klar, dass sich die damaligen Erfahrungen nicht einfach so auf heute übertragen lassen – aber darum geht es ja nie, wenn wir aus der Geschichte zu lernen versuchen.

Was hätte eine erfolgreiche Revolution damals verändern können?

So ziemlich alles. Der Kapitalismus in Deutschland wäre gestürzt worden. Der zentrale Grund für die Entstehung des Stalinismus in der Sowjetunion war die Rückständigkeit und Isolation des Landes. Eine siegreiche Revolution in Deutschland hätte das aufgebrochen. Deutsche Industrie und russische Landwirtschaft und Rohstoffe hätten einander hervorragend ergänzt und große wirtschaftliche Perspektiven eröffnet. Schon die Russische Revolution hatte eine große Anziehungskraft. Ein sozialistischer Block aus Russland und Deutschland hätte einen nahezu unwiderstehlichen Sog ausgeübt. Um es drastisch zu sagen: nicht nur der Name Hitler, sondern auch der Name Stalin wäre heute nur wenigen Fachhistoriker*innen bekannt.

Worum geht es im ersten Band der insgesamt zweibändigen Ausgabe?

Der erste Band behandelt die Vorgeschichte der Revolution (das kaiserliche Deutschland und den Ersten Weltkrieg) und die erste Welle der Revolution 1918 bis 1921 bis zur Niederlage der Märzaktion und den Diskussionen in der Kommunistischen Partei (KPD) und der Kommunistischen Internationale über die Ursachen der Niederlage und die Lehren aus ihr. Man sieht anschaulich, wie auf der einen Seite eine revolutionäre Massenpartei sich herausbildete und aus ihren Fehlern lernte, während auf der anderen Seite der anfängliche revolutionäre Enthusiasmus der Massen durch die Reihe von blutigen Niederlagen unterdrückt wurde.

Was ist der Inhalt des zweiten Bandes und wie ist die weitere Veröffentlichung geplant?

Der zweite Band wird die Phase der Konsolidierung (sowohl die der Weimarer Republik und die Festigung der KPD durch die Anwendung der Einheitsfrontpolitik) und dann die neue tiefe Krise durch die Ruhrbesetzung und die galoppierende Inflation 1923 behandeln, die eine neue revolutionäre Situation erzeugten. Er wird schildern, warum die KPD diese Situation nicht nutzen konnte … und die falsche Verarbeitung der erneuten Niederlage der Revolution durch die KPD und die Komintern skizzieren. In einem abschließenden Teil werden grundlegende Züge der Revolution herausgearbeitet und dabei auch die Kontroversen über den Charakter der Revolution in der DDR (die ja zur Zeit der Abfassung des Buchs noch bestand) und zwischen DDR- und westlichen Historiker*innen diskutiert. Außerdem wird die Rolle der Schlüsselgestalten Paul Levi und Karl Radek behandelt. Abgeschlossen wird der zweite Band durch ein ausführliches Personenverzeichnis, Zeittafel und Bibliographie Broués und ein Nachwort des Manifest-Verlags. Der zweite Band wird im Herbst erscheinen.   

Pierre Broué: Die deutsche Revolution. (Band 1)

ISBN 978-3-96156-114-8

525 Seiten, 34,90 Euro

Beide Bände bestellbar unter: www.manifest-buecher.de

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