Krieg innerhalb der nächsten fünf Jahre?
Während das aktuelle Weltgeschehen weiterhin vom Krieg Russlands gegen die Ukraine, als Konflikt des westlichen mit dem russischen Imperialismus auf dem Rücken der Ukraine, dominiert wird, gibt es Krisenherde, die neben diesem Geschehen fortbestehen. Einer, der seit Jahrzehnten schwelt und in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen hat, ist der zwischen dem niedergehenden US-Imperialismus und China um die Insel Taiwan. Das ist ein Teil des zunehmenden globalen Konflikts dieser beiden Mächte.
von Alexander Brandner, Stuttgart
Taiwan, lange eine unabhängige Insel mit losen Beziehungen zum Festland, kam erst Ende des 17. Jahrhunderts unter chinesische Hoheit, ehe es von 1895 bis Ende des 2.Weltkriegs von Japan, auf Grund der Schwächungen Chinas durch den europäischen Kolonialismus und des chinesisch-japanischen Krieges, annektiert war. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg flohen die einst China regierenden pro-kapitalistischen Kräfte der Guomindang um Chiang Kai-Shek vor den Revolutionstruppen Mao Zedongs nach Taiwan. Dort entwickelte sich das Taiwan, das wir heute kennen, da die durch den Bürgerkrieg ausgezehrte Volksrepublik nicht die Möglichkeiten hatte, alle ursprünglich chinesischen Gebiete wieder zu vereinen.
Taiwan ist geostrategisch ein wichtiger Bestandteil der Inselkette, die parallel vor der chinesischen Küste von Japan über die Philippinen bis nach Indonesien verläuft und somit für den südostasiatischen Handel und die Schifffahrt von großer Bedeutung ist.
Während die USA als Weltmacht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorging und sukzessive auch im Pazifik und den südostasiatischen Inseln einen Gürtel von Militärbasen zur Kontrolle seiner Handelswege aufbaute, war das dem stalinistisch geführten China nicht möglich. Erst mit dem ökonomischen Aufstieg ab Mitte der 1990er Jahre wuchs der Einfluss Chinas in dieser Region wieder und konnten Indien und Japan nach und nach in den Schatten gestellt werden.
Aufstieg Taiwans
In Taiwan hat sich, ausgehend von einer einfachen Industrie von Nutz- und Konsumprodukten seit den 1970ern, eine hochspezialisierte Industrie entwickelt. Mittlerweile kommen mehr als zwei Drittel aller Halbleiter, unerlässlich für die heutigen Computer, Smartphones, WLAN, sowie Prozessoren, Platinen und Grafikkarten, aus Taiwan. Dessen Bruttoinlandsprodukt ist seit der Weltfinanzkrise ab 2007 stark ansteigend. Nominal liegt es mit 33.143 Dollar pro Kopf hinter Deutschland (51.238 Dollar) und Großbritannien (47.329 Dollar) aber kaufkraftbereinigt mit 62.696 Dollar vor den beiden (58.757 bzw. 50.523 Dollar; laut IWF im Oktober 2022)
Wie alle kapitalistischen Ökonomien hat Taiwan einen Teil der Halbleiterproduktion mittlerweile ausgelagert und lässt zur Profitsteigerung in Ländern herstellen, in denen die Löhne noch niedriger sind. Neben Vietnam und Indonesien ist das zu einem Großteil China.
Ungeachtet der seit Jahrzehnten geforderten Wiedervereinigung, ist eine solche High-Tech Industrie vor der Haustüre Chinas heiß begehrt, zumal diese mit weltweit achtzig Prozent der geschürften Erden als faktischer Rohstoffmonopolist für diese Technologie einen immensen Vorteil darstellt.
Bündnisse
Die USA respektierten zwar seit den 1970er die Ein-China-Politik (die den Anspruch Chinas auf Taiwan bedeutet), haben sich aber über den Umweg des Taiwan-Relations-Act eine quasi diplomatische Beziehung aufrechterhalten, die sie zu wirtschaftlicher, aber auch militärischer Beihilfe gegenüber Taiwan „verpflichtet“.
Unter der Administration von Obama wurde ab 2011 ein Transpazifisches Freihandelsabkommen (TPP) forciert, welches sich klar gegen den ökonomischen Aufschwung Chinas richtete. Unter Trump zugunsten von „America First“ abgebrochen, was umständlich mit diversen Straf- und Einfuhrzöllen ausgeglichen werden musste, wird nun unter Biden versucht, beide Strategien irgendwie zu vereinbaren.
Ein Mittel im Wirtschaftskrieg gegen China ist der „Chip 4 Alliance“- Zusammenschluss von den USA, Taiwan, Japan und Südkorea, um dessen Einstieg in diesem Bereich zu erschweren.
Spiel mit dem Feuer
Xi Jinping strebt eine Wiedervereinigung Taiwans mit China noch in diesem Jahrzehnt an. Die USA erwarten in den nächsten fünf Jahren einen militärischen Vorstoß Chinas, um dies zu erreichen. Die derzeit in Taiwan regierende Demokratische Fortschrittspartei DDP, die im Jahr 2000 zum ersten Mal die dauerregierende Guomindang ablösen konnte, übt sich nicht gerade in Deeskalation des Konflikts.
Gegenseitige Besuche, wie der von der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im August 2022 oder der von der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ingwen Anfang April betrachtet China als irreguläre diplomatische Akte, da sie aus deren Sicht der international anerkannten „Ein-China-Politik“ widersprechen. China beantwortet dieses seit Jahren mit Manövern vor der Küste Taiwans, wie Anfang April 2023, bei der auch die Einnahme der Insel geübt wurde. Während Taiwan seit Jahren immer mehr aufrüstet, vor allem mit Kriegsgerät aus den USA und personeller Aufstockung seiner Armee, reagieren die USA ihrerseits mit Manövern im Chinesischen Meer, zuletzt nach Abschluss der chinesischen Übungen zusammen mit den Philippinen.
Neuerdings will auch die EU mit eigenen Manövern mitmischen, da für sie, laut EU-Chefdiplomat Borell, Taiwan von entscheidender Bedeutung sei und „eindeutig Teil unserer geostrategischen Interessenzone.” In diesem Sinne war dann auch der Besuch von Macron und von der Leyen zu verstehen.
Der Taiwan-Konflikt kann innerhalb der nächsten Jahre eskalieren und eine militärische Auseinandersetzung zwischen China und dem Westen auslösen, die den Ukraine-Krieg in den Schatten stellen kann. Das macht eine sozialistische Veränderung der Welt umso dringender. Nur Länder und Regierungen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung aller arbeitenden Menschen können sicherstellen, dass es nicht so weit kommt.