Stellungnahme der Sozialistischen Offensive (CWI in Österreich)
Babler ist neuer SPÖ-Vorsitzender. Seine Forderungen und Reden haben bei vielen Hoffnungen auf eine wirklich andere Politik im Interesse der Arbeiter/innenklasse ausgelöst und die Umsetzung seiner Forderungen (wie jener nach der 32-Stunden-Woche bei vollem Lohn) würde die Lebenslage der Arbeitnehmer/innen deutlich verbessern – und einen Bruch mit der Politik der SPÖ der letzten Jahre und Jahrzehnte bedeuten. Der Traiskirchner Bürgermeister inszeniert sich als Arbeiterkind, der für die traditionellen Ziele und Werte der Sozialdemokratie steht – Vertretung der Interessen der arbeitenden Menschen, Umverteilung von oben nach unten, soziale Gerechtigkeit.Es ist gut, dass dies nun auch die gesellschaftliche Debatte zu sozialen und Klassenthemen verschiebt – so wie das bereits der Erfolg der KPÖ Plus in Salzburg getan hat.
Wie Bablers Programm durchsetzen?
Wir können verstehen, wenn Menschen nun in die SPÖ gehen, weil sie dort einen Weg für Veränderungen sehen. Daher ist die Frage, wie solche tatsächlich erreicht werden können, umso wichtiger.
Die Forderungen, die Babler jetzt aufwirft, können zur Gänze nicht in einer Koalition mit pro-kapitalistischen Parteien umgesetzt werden und würden generell im Rahmen des Kapitalismus zu einem riesigen Konflikt mit der Kapitalist/innenklasse führen. Das macht einen organisierten Kampf nötig und dieser würde auch gegen jene Teile der SPÖ geführt werden müssen, die die Interessen der Kapitalist/innen vertreten.
Wir glauben nicht, dass dieser Kampf innerhalb der SPÖ erfolgreich sein wird.
Um Bablers Forderungen in der SPÖ tatsächlich umzusetzen und die Partei so aufzustellen, dass sie dieses Programm auch in der Gesellschaft durchsetzen kann, reicht es nicht, dass Babler nun Vorsitzender ist. Er wird auf allen Ebenen im Parteiapparat und unter den Mandatsträger/innen mit Saboteur/innen konfrontiert sein. Er müsste die Partei total umkrempeln, eigentlich im Rahmen der alten SPÖ beginnen, eine neue Partei zu organisieren.
Bablers Haltung (das Pochen auf Einheit mit dem Parteiapparat und den beiden Cliquen um Ludwig und Doskozil, das Zurückrudern in mehreren Fragen) lässt darauf schließen, dass er eher zu Kompromissen bereit ist, als einen entschlossenen Kampf zu führen, sein Programm auf allen Ebenen in der SPÖ durchzusetzen. Dass Babler in den letzten Wortmeldungen eine Koalition mit der ÖVP nicht mehr ausgeschlossen hat, deutet darauf hin, dass er „in der Schuld“ Ludwigs steht, da der Ludwig-Flügel ja auch zu Bablers Wahl aufgerufen hat. Falls er einen unabhängigeren Kurs verfolgen sollte, würde das ohne Zweifel Konflikte mit dem Ludwig-Flügel bedeuten. Die Führung der SPÖ Wien hat bereits angekündigt, dass sie sich bei Bablers Statutenreform zwar auf Bundesebene “konstruktiv einbringen” wird, aber hat eine Reform für Wien ausgeschlossen.
Die einzige Chance, Bablers Programm durchzusetzen, wäre es, seine Unterstützer/innen zu organisieren und viele tausend weitere in die Partei zu holen. Sie müssten auf allen Ebenen Mehrheiten für eine andere Politik erkämpfen und dürfen dabei keine Rücksicht auf die pro-kapitalistischen Teile der Partei nehmen, auch wenn dies einen Konflikt mit diesen bis hin zu einem Bruch bedeutet.
Wie für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn, höhere Löhne und gegen Jobabbau kämpfen?
Bablers Forderungen werden auf Widerstand der herrschenden Klasse stoßen. Das mediale Sperrfeuer gegen ihn ist ein erster Hinweis darauf. Die 32-Stundenwoche kann nur erkämpft werden – die Unternehmen werden sie nicht freiwillig hergeben. Die 32-Stundenwoche bei vollem Lohn ist ein Teil des Kampfes für die Erhaltung und Verbesserung der Lebensstandards der Arbeitnehmer/innen. Sie darf von der Gewerkschaftsführung aber nicht in Abtausch für niedrigere Lohnerhöhungen ausgehandelt werden. Es darf dabei keine Reallohnverluste geben. IHS und WIFO haben bereits eine Debatte gestartet, ob die Lohnerhöhungen zuletzt „zu hoch“ waren. Das lässt darauf schließen, dass die Arbeitgeber in den nächsten Lohnrunden stärker auf Konfrontation gehen könnten als zuletzt. Damit es nicht zu Reallohnverlusten kommt, braucht es aber einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaften, der auch Arbeitskampf und Streiks als Mittel beinhaltet. Deshalb muss innerhalb der Gewerkschaften darum gekämpft werden, diese in kämpferische und demokratische Organisationen umzuwandeln. Im Moment hat nämlich eine Gewerkschaftsführung das Sagen, die an der Idee der Sozialpartnerschaft mit den Arbeitgebern festhält und die diese nicht verärgern will.
Die Frage wird auch sein, wie Babler sich zur Sozialpartnerschaft positioniert oder ob er für einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaften steht. Er hat die Zusammenarbeit von Partei und Gewerkschaften beschworen und sich zum Beispiel gegen Einmalzahlungen zur Kompensation von kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen ausgesprochen – etwas, das in Deutschland übrigens erst durch die SPD-geführte Ampel-Koalition ermöglicht wurde. In seiner Parteitags-Rede hat er die Schließung der Kika-Leiner Filialen und den Abbau von 1900 Mitarbeiter/innen dort aufgegriffen. Aber um die Jobs tatsächlich zu retten, müsste die Gewerkschaftsführung einen konsequenten Kampf um die Arbeitsplätze führen und nicht bloß die Abwicklung verhandeln. Sie müssten bereit sein, eine Besetzung der Filialen zu organisieren, um deren Schließung zu verhindern. Kika-Leiner müsste von der öffentlichen Hand übernommen werden unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten. All das müsste Babler in die öffentliche Diskussion einbringen. Bis jetzt hat er das aber nicht getan.
Angriffe der Medien nutzen
Babler wurde von den Medien und der ÖVP aufgrund seiner „marxistischen“ Vergangenheit in der SJ und aufgrund einer kritischen Haltung zur EU ins Visier genommen. Dabei ist er sehr rasch zurückgerudert und passt sich an. Wäre er tatsächlich Marxist, hätte er erklären können, warum ein Bruch mit dem Kapitalismus international nötig ist, warum dieser nicht automatisch zu einer stalinistischen Diktatur führt und wie eine echte demokratische sozialistische Gesellschaft, mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft, aussehen kann. Eine solche bedingt die Überführung der Schlüsselindustrie, des Energiesektors und der großen Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung. Er hätte erklären können, warum es zur EU – einer kapitalistischen Institution, die die Interessen kapitalistischer Regierungen umsetzt – eine internationalistische sozialistische Alternative braucht.
Wie die FPÖ stoppen?
Die Debatte um “Babler oder Doskozil“ wurde auch unter dem Gesichtspunkt geführt „Wer kann am ehesten eine FPÖ-geführte Regierung verhindern?“. Eine FPÖ-geführte Regierung ist tatsächlich eine Drohung, wie die Erfahrungen mit Schwarz-Blau I und II zeigen. Aber wenn eine solche nach der nächsten Wahl durch eine Ampel oder eine große Koalition verhindert werden sollte, wäre das nur eine Vorbereitung für ein weiteres Erstarken der FPÖ, da diese (genauso wie eine FPÖ geführte Regierung) letztlich keine Politik im Interesse der Arbeiter/innenklasse durchsetzen werden und früher oder später Teile ihrer Wähler/innen enttäuschen werden.
Es besteht bei einer wachsenden Schicht der Wunsch, ein Gegengewicht zur Teuerungskrise, zur FPÖ, zur multiplen Krise des Kapitalismus aufzubauen. Der Sieg Bablers, aber auch der Erfolg der KPÖ in Salzburg sind ein Ausdruck davon. Wenn die Hoffnungen, die in Andreas Babler gesetzt werden, enttäuscht werden, kann dies zu einem guten Teil wieder die FPÖ stärken. Dies kann verhindert werden, wenn eine konsequente und kämpferische linke Alternative zur SPÖ entsteht. Die Frage ist ob die KPÖ den Unterstützer/innen Bablers, so sie enttäuscht werden, mehr anbieten kann als “schließt euch der KPÖ an”.
Was kann die KPÖ tun?
Bablers Erfolg hat nun das Potenzial für die KPÖ auf kurze Sicht erst einmal verkleinert, aber diese hat trotzdem die Möglichkeit, wichtige Schritte für den Aufbau einer starken sozialistischen Linken links von der SPÖ zu setzen. Eine solche Kraft ist nötig, da es wahrscheinlich ist, dass die Teile der SPÖ, die die Interessen der Kapitalist/innen vertreten, verhindern wollen, dass die herrschende Klasse herausgefordert wird. Daher sind konkrete Angebote für gemeinsame Kämpfe und Kampagnen an die Babler-Unterstützer/innen nötig – das könnte einen Beitrag leisten, eine kämpferische sozialistische Kraft aufzubauen.
Wir schlagen der KPÖ daher vor, zu einem offenen Diskussionsprozess alle Arbeiter/innen, die ihre Lebenslage verbessern wollen, alle Gewerkschaftsaktiven, Babler und seine Unterstützer/innen und alle Linken ob innerhalb oder außerhalb der SPÖ einzuladen und lokal, regional und bundesweit Konferenzen durchzuführen, die die Frage “Wie weiter für die Linke in Österreich?” zu diskutieren. Dazu gehört, den Kämpfen, die im letzten Jahr stattgefunden haben, sowie jenen, die im Herbst stattfinden werden, eine Plattform zu geben – um Strategie und nächste Schritte zu diskutieren. Wie können Reallohnsteigerungen erkämpft werden? Wie kann die 32-Stundenwoche erkämpft werden? Wie können die Forderungen Bablers und der KPÖ umgesetzt werden? Könnte es Raum geben für ein offenes und inklusives sozialistisches Wahlbündnis zur nächsten Nationalratswahl,das auch bisher unorganisierte Arbeiter/innen und Jugendliche zusammenbringen kann?
Die KPÖ hat in der Vergangenheit Wahlbündnisse um “Europa Anders” und “Wien Anders” initiiert, diese haben allerdings nicht auf programmatischer Klarheit stattgefunden – “Europa Anders” hat den Liberalen Martin Ehrenhauser inkludiert. Die KPÖ argumentiert, dass KPÖ Plus bereits eine Wahlplattform/Bündnisinitiative ist und pocht auf ihren Namen. Aber wichtig ist weniger, ob Kommunismus im Namen enthalten ist, sondern wie das Programm aussieht und welchen Charakter ein Bündnis hat. Wenn dieses z.B. Streikaktivist/innen einbezieht, ist dies definitiv ein Fortschritt. Bündnisversuche der KPÖ hatten in der Vergangenheit wenig Substanz, weil das Level an Klassenkämpfen niedrig und das Potenzial begrenzt war. Das ist nun anders. Die Konfrontationen 2022 um die Lohnrunden aufgrund der gestiegenen Inflation waren ein Vorgeschmack.Und die KPÖ kann nach Meinungsumfragen in den Nationalrat einziehen. Wenn der Kampf der Babler-Unterstützer/innen für eine Transformation der SPÖ nicht gelingt, wäre die Ausgangslage für den Aufbau einer starken Kraft links von der SPÖ eine wesentlich bessere.
Sollte eine solche Einladung auf keine ausreichende Resonanz stoßen, könnte die KPÖ den Weg einer eigenen Kandidatur gehen, müsste sich aber nicht vorwerfen lassen, die eigenen Parteiinteressen vor die Interessen einer breiten sozialistischen Linken gestellt zu haben.
Was heißt “marxistische Politik”?
Die Medien greifen im Moment sowohl Babler als auch die KP dafür an “marxistisch” oder “kommunistisch” zu sein. Marxist/innen unterstützen und kämpfen für jede Verbesserung der Lage der Arbeiter/innenklasse. Aber eine „kommunistische“ (oder marxistische) Politik dürfte sich nicht an die vom Kapitalismus vorgegebenen Spielräume halten, würde diese und die Macht- und Eigentumsverhältnisse in Frage stellen und auf Klassenkampf und Massenmobilisierung statt parlamentarischer Stellvertreterpolitik setzen. Gleichzeitig sollten Parlamentspositionen als Plattform für die Verbreitung der Idee einer echten demokratischen sozialistischen Gesellschaft, um die Lebensstandards dauerhaft abzusichern, und für die Organisierung des Klassenkampfes genutzt werden. Es sollten keine Regierungsbeteiligungen mit Parteien eingegangen werden, die die Interessen der Kapitalist/innen vertreten.
Weder Babler noch die KPÖ betreiben unserer Meinung nach marxistische oder “kommunistische” Politik, auch wenn sie Verbesserungen der Situation der Beschäftigten fordern.In Graz läuft die KPÖ Gefahr aufgrund ihrer Regierungskoalition mit pro-kapitalistischen Parteien und der Tatsache, dass sie im Wesentlichen Stellvertreterpolitik macht und in der Budgetkrise nicht auf Massenmobilisierungen gesetzt hat, das Kapital, das sie noch hat, zu verspielen. Sie hat bereits Pensionierungen nicht nachbesetzt, auch wenn sie ihre Versprechen im Bereich Mieten noch halten konnte und die Mieten 2023 nur um 2% erhöht hat.
Es braucht eine Kraft, die konsequent für ein sozialistisches Programm argumentiert, für einen Bruch mit dem Kapitalismus, die Übernahme der Schlüsselbetriebe in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung und eine demokratisch geplante Wirtschaft. Eine Kraft, die die Lehren aus dem Scheitern des Stalinismus zieht und die erklärt, warum die bürokratischen Diktaturen in der Sowjetunion, DDR etc. kein Sozialismus waren. Die KPÖ tut das zur Zeit nicht. In ihr sollte ein Diskussionsprozess darüber, was kommunistische Politik bedeutet, geführt werden und sie sollte ihre Forderungen nach Verbesserungen der konkreten Situation mit der Erklärung verbinden, dass eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft nötig ist, um solche Verbesserungen zu sichern.
Neue Partei als Kampfinstrument der Arbeiter/innenklasse immer noch nötig
Da eine Sabotage von Bablers Programm durch Ludwig- und Doskozil-Flügel wahrscheinlich ist bzw. dass er Zugeständnisse an diese macht, stellt sich nach wie vor die Frage einer neuen Partei auf Basis der besten (tatsächlich marxistischen) Traditionen der Arbeiter/innenbewegung.
Es braucht eine breite kämpferische Massenpartei, in der Arbeitnehmer/innen, Jugendliche, Arbeitslose und Pensionist/innen sich organisieren können und darüber debattieren, wie der Kampf zum Erhalt und der Verbesserung des Lebensstandards am besten geführt werden kann. Es gibt eine wachsende Schicht, die nach so einer Partei sucht. Eine solche wäre auch dann ein Fortschritt, wenn sie zu Beginn nicht formell ein marxistisches Programm hat oder “Kommunismus” im Namen trägt, aber dafür z.B. Arbeitnehmer/innen und Gewerkschaftsaktivist/innen einbezieht, die sich in Arbeitskämpfen und Streiks befinden, und ihnen ein Kampfinstrument in Form einer Partei in die Hand gibt. Denn das wäre ein konkreter Schritt nach vorne.
Die Sozialistische Offensive würde aber dafür eintreten, dass solch eine Partei ein sozialistisches Programm annimmt, das sich nicht durch allgemeine Phrasen über Marxismus oder Kommunismus definiert, sondern durch Positionen wie zum Beispiel für die Überführung der Schlüsselindustrie und des Energiesektors in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Arbeitnehmer/innen und für eine demokratisch geplante Wirtschaft.
Wir versuchen eine revolutionäre Organisation aufzubauen – und zwar international, als Teil des Komitees für eine Arbeiter/inneninternationale (CWI – Committee for a Workers’ International). Das CWI versucht auf internationaler Ebene aus den Erfahrungen der Arbeiter/innenbewegung und der Linken in verschiedenen Ländern (in Vergangenheit und Gegenwart) die Lehren zu ziehen und zu bündeln – die Lehren aus den Erfahrungen mit Corbyn, die Lehren aus dem Scheitern der Regierung Syrizas in Griechenland 2015 usw.. Denn das ist nötig, wenn wir die multiple Krise des Kapitalismus tatsächlich überwinden wollen. Wenn du mit unseren Ideen übereinstimmst, schließ dich uns an.