Vernetzung im Aufbau

Wir brauchen eine kämpferische und demokratische ver.di

In diesem Jahr haben sich hunderttausende ver.di-Kolleg*innen im öffentlichen Dienst und bei der Post an Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunden beteiligt. Im Handel laufen die Tarifauseinandersetzungen noch. 

von Angelika Teweleit, Berlin

Die Gewerkschaft konnte in diesem Jahr rund 100.000 Neumitglieder verzeichnen (siehe nd vom 29.05.2023). Das sind gute Nachrichten. Doch leider wurde das Potenzial nicht genutzt, die Tarifrunden mit Ergebnissen, die Reallohnverluste bedeuten, abgeschlossen und es kam bereits zu Enttäuschung vieler  Kolleg*innen. Es wäre viel mehr möglich gewesen. 

Sozialpartnerschaft

Leider ist die Führung von ver.di in der Politik der Sozialpartnerschaft verhaftet. Auch, wenn auf Kundgebungen markige Reden gehalten wurden, und die ver.di-Vorsitzenden von Erzwingungsstreik sprachen, wurden schlechte Kompromisse voreilig akzeptiert. Während noch vorher immer wieder in öffentlichen Reden erklärt wurde, dass die steuer- und abgabgenfreie Einmalzahlung von 3000 Euro nur zusätzlich, nicht aber als Kompensation einer tabellenwirksamen Erhöhung akzeptiert werden sollte, wurden in den Ergebnissen Nullmonate bis in das Jahr 2024 hinein akzeptiert. Laut  dem Vorsitzenden des Wirtschaftsinstituts DIW Marcel Fratzscher bedeutet das Ergebnis im öffentlichen Dienst bei den jetzigen erwarteten Inflationsraten bis Ende 2024 einen Reallohnverlust von sechs Prozent. In der Mitgliederbefragung über die Ergebnisse stimmten rund ein Drittel gegen die Annahme der Ergebnisse. In einigen Betrieben gab es eine Reihe von sehr aktiven Kolleg*innen, die sich klar gegen die Annahme ausgesprochen haben. Viele waren sauer, dass die ver.di-Führung und auch hauptamtliche Vertreter*innen vor Ort eine 180-Grad-Wende vollzogen und das Ergebnis schön redeten, obwohl die Laufzeit zu lang ist und es 14 Monate Nullrunde bedeutet, was durch die Einmalzahlung kompensiert werden soll. Allerdings waren die kritischen Kolleg*innen nicht in der Position, um Einfluss auf das Ergebnis bei der Abstimmung zu nehmen und vor allem nicht, um in dieser Situation eine Fortführung des Arbeitskampfes durchzusetzen. 

Herausforderungen

Das zeigt die Notwendigkeit einer stetigen und systematischen Vernetzung von kämpferischen Kolleg*innen und Betriebsgruppen. Denn die nächsten Tarifrunden stehen bevor. Nicht nur das – in der Zukunft drohen weitere Kürzungen in den Bereichen der Daseinsvorsorge, wie auch bei Renten und Gesundheitskosten, anstatt dass längst nötige Investitionen getätigt werden. Schon jetzt steht zu befürchten, dass mit Karl Lauterbachs so genannter Krankenhausreform eine Schließungswelle einhergeht und die Versorgung sich weiter verschlechtert anstatt verbessert. Auch die zusätzlichen Milliarden für den Rüstungshaushalt und möglicherweise weitere Rettungspakete für Banken und Konzerne im Zuge einer Rezession werden Kürzungen an anderer Stelle bedeuten. Dort, wo es eigentlich am meisten gebraucht wird, wird wie immer der Rotstift angesetzt werden. 

Solche Einschnitte können nur mit einer kämpferischen Ausrichtung und Strategie der Gewerkschaften, allen voran ver.di, abgewehrt werden. 

Erste Schritte zur Vernetzung

Nach der Post-Tarifrunde haben einige Kolleg*innen rund um das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ eine Petition gestartet, dass dieses Ergebnis nicht im öffentlichen Dienst Schule machen darf. Es gab auch mehrere Online-Treffen mit Beteiligung von bis zu siebzig Kolleg*innen. Aus diesem Kreis haben sich Interessierte aus verschiedenen Städten gefunden, die zunächst gemeinsam über den Aufbau einer systematischen Vernetzung sprechen werden. Ziel sollte sein, dass sich hieraus handlungsfähige Struktur innerhalb von ver.di aufbauen lässt. Hierbei ist es wichtig, dass aktive Kolleg*innen aus verschiedenen Betrieben und Bereichen ihre Vorstellungen einbringen und das Heft in der Hand halten. Als Sol werden wir unseren aktiven und praktischen Beitrag dazu leisten. Als Sozialist*innen werden wir auch die Notwendigkeit der Systemüberwindung des Kapitalismus und einer sozialistischen Alternative in die inner-gewerkschaftlichen Debatten hineintragen.

Interesse an der Vernetzung innerhalb von ver.di? Mehr Informationen auf www.netzwerk-verdi.de, Email info@netzwerk-verdi.de

Angelika Teweleit ist Sprecherin des “Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di” 

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