Marxismus und Gewerkschaften

Neues Buch im Manifest Verlag: Orientierung für Sozialist*innen in den Gewerkschaften

Anfang 2023 kehrten die Gewerkschaften mit einem Schlag zurück auf die Bildfläche. Hunderttausende beteiligten sich an Warnstreiks bei der Post, im öffentlichen Dienst, in der Süßwarenindustrie, bei der Deutschen Bahn und vielen weiteren Betrieben. Allein ver.di verzeichnete bis zu 100.000 Neueintritte in der ersten Hälfte des Jahres. Dem gegenüber stehen Tarifabschlüsse, die bei einem wachsenden Teil der eigenen Mitgliedschaft auf Unmut stoßen und in der Regel die Reallohnverluste fortschreiben. Das Potential für den Arbeitskampf wird meist nicht genutzt und Kompromisse werden eingegangen, bevor von der gesamten Kampfkraft Gebrauch gemacht wurde.

von René Arnsburg, Berlin

Die chronologisch angeordneten Texte der Sammlung beginnen mit einem Auszug aus Karl Marx‘ „Das Elend der Philosophie“, der nicht nur eine Antwort auf das Märchen der sogenannten Lohn-Preis-Spirale gibt, sondern auch deutlich macht, was Gewerkschaften sind, was ihre Rolle im Kapitalismus ist, worin der Fortschritt durch ihr Wachstum besteht und wie sich darin der grundlegende Gegensatz von Kapital und Arbeit ausdrückt.

Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, die regen Anteil am Wachstum der sozialistischen und Gewerkschaftsbewegung in Deutschland und international nahmen, schreiben über die Bedeutung der politischen Arbeit der Gewerkschaften, ihr Verhältnis zur sozialistischen Partei und die Frage der Erwerbstätigkeit und Organisierung von Frauen.

Luxemburgs Text „Die Englische Brille“ vollzieht die Entwicklung der Gewerkschaften in England, die Entstehung des „Beamtentums“ (der Bürokratie) in ihnen und die Hinwendung zum Reformismus nach. Vor fast 125 Jahren geschrieben, trifft der Text immer noch auf die aktuelle Politik eines großen Teils der Gewerkschaftsführungen nicht nur in England zu.

Revolutionärer Kampf

Nicht nur in Deutschland, sondern gerade nach den Massenstreiks in Russland 1904/5, entbrannte international eine Debatte über den Charakter der Gewerkschaften. Sollten sie sich auf ökonomische Fragen zurückziehen und sich der Politik gegenüber neutral verhalten? Was ist ihre Aufgabe angesichts eines allgemeinen Klassenkampfs, wie stehen sie zu politischen Massenstreiks und dem Generalstreik? Texte von Wladimir I. Lenin geben lebhaften Einblick in diese Auseinandersetzung.

Nach dem Zusammenbruch der Zweiten (Sozialistischen) Internationale zu Beginn des Ersten Weltkriegs und der Oktoberrevolution 1917 in Russland versammelten sich die revolutionären Kräfte in neu gegründeten Kommunistischen Parteien und der Dritten (Kommunistischen) Internationale. Doch Millionen von Arbeiter*innen standen noch unter dem Einfluss der offen reformistischen und konterrevolutionären sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, die in den meisten Gewerkschaften die Mehrheit der Führung stellten.

Sollten ihnen die Revolutionär*innen den Rücken kehren und eigene Organisationen aufbauen? Wie konnte man die Einheit der Arbeiter*innen im Kampf um ihre Interessen und herstellen und die reformistische Führung herausfordern? Das und noch mehr Themen sind Gegenstände der Reden und Dokumente von den ersten Weltkongressen der Kommunistischen Internationale und der Texte von Leo Trotzki aus den 1920er und 1930er Jahren. 

Aktualität

Begonnen wird die Textsammlung mit einer Einleitung von Angelika Teweleit, die ein Bild vom Zustand der Gewerkschaften in Deutschland zeichnet. Sie überprüft, inwiefern die historische Analyse der Gewerkschaften und der Bürokratie auf heute zutrifft. Abgeschlossen wird das Buch mit einem Dokument, das vom Weltkongress des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) 2022 beschlossen wurde und die Grundlage für die Gewerkschaftsarbeit seiner Mitgliedsorganisationen (in Deutschland die Sozialistische Organisation Solidarität – Sol) legt.

Das Buch erscheint am 7. Juli 2023, umfasst 357 Seiten und ist für 14,90 Euro im deutschsprachigen Buchhandel und unter https://manifest-buecher.de/produkt/marxismus-und-gewerkschaften/ erhältlich.

René Arnsburg leitet den Manifest-Verlag und ist Mitglied im verdi-Landesbezirksvorstand Berlin-Brandenburg (Funktionsbezeichnung dienst nur zur Kenntlichmachung der Person)