Kämpfe zusammenführen und Solidarität organisieren
Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, befindet sich ver.di im Groß-, Einzel- und Versandhandel für insgesamt fünf Millionen Beschäftigte seit Wochen in harten Tarifauseinandersetzungen.
Von Angelika Teweleit, Berlin
Der weit überwiegende Teil der im Einzelhandel Beschäftigten ist in den beiden unteren Entgeltgruppen eingruppiert, das bedeutet, je nach Region, ein Stundenlohn von zwischen 12 und 17,44 Euro brutto. Im Außenhandel sind etwa 76 Prozent in den Gehaltsgruppen 2 und 3 eingruppiert – sie verdienen somit brutto etwa 2200 Euro. Damit sind sie in besonderem Maße von der hohen Inflation betroffen und brauchen deutliche tabellenwirksame Erhöhungen. 66 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen, und viele haben Teilzeitverträge.
Im Einzel- und Versandhandel fordert ver.di in den meisten Tarifgebieten 2,50 Euro mehr Stundenlohn, im Großhandel eine Steigerung um 13 Prozent, jeweils für zwölf Monate. Zudem fordert ver.di wie schon in der Vergangenheit die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge. Denn ein großes Problem in der Branche ist, dass viele Unternehmen nicht an die Tarifverträge gebunden sind und dort noch schlechtere Löhne, Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen gelten.
Unternehmen provozieren
Aktuell zeigen sich die Arbeitgeberverbände kaltschnäuzig und bieten mickrige Lohnsteigerungen mit mindestens zwei Jahren Laufzeiten an, die enorme Reallohnverluste bedeuten würden. Darüber hinaus stellen sie sogar die Legitimität der Warnstreiks aufgrund der Forderung nach Allgemeinverbindlichkeit in Frage. Angesichts dessen muss in ver.di dringend über die weitere Strategie diskutiert werden.
Steigerung der Kampfkraft
Die Beteiligung an Warnstreiks ist angesichts der schwierigen Ausgangsbedingungen für die Gewerkschaft relativ groß. Es ist klar, dass nur eine Minderheit von Beschäftigten organisiert ist und sich an Aktionen beteiligt. Gerade deshalb ist eine Strategie zum Gewinnen nötig.
Ein großes Problem ist die Zersplitterung der Tarifrunden. Nicht nur sind Einzel- und Großhandel voneinander getrennt. Es werden auch jeweils separate Tarifverträge mit den Arbeitgeberverbänden in den auf Bundesländer aufgeteilten einzelnen Tarifgebieten ausgehandelt. Allerdings laufen die Verhandlungen und Warnstreiks aktuell relativ zeitgleich ab.
Bundesweit zusammen bringen
Schnellstmöglich sollten aus allen Tarifbezirken demokratisch gewählte Delegierte aus den Streikbetrieben auf einer bundesweiten Streikkonferenz zusammen geholt werden, um hier über eine koordinierte Eskalationsstrategie und Möglichkeiten für Urabstimmungen zum Streik zu beraten. Im Anschluss könnten alle streikbereiten Beschäftigten aus dem Bundesgebiet auf einer Demonstration Forderungen nach höheren Löhnen wie auch nach Allgemeinverbindlichkeit in die Öffentlichkeit tragen.
Erfahrungen aus vergangenen Tarifrunden (zum Beispiel 2013), in denen es auch Solidaritätsbündnisse gab, die zum Beispiel Flashmobs organisierten, sollten aufgegriffen werden. Eine breite Solidaritätskampagne durch den DGB und die Einzelgewerkschaften wäre nötig, denn hier geht es um Millionen von Beschäftigten, die bereits am Existenzminimum leben müssen. Demgegenüber haben einige der Handelsriesen enorme Umsatz- und Gewinnsteigerungen zu verzeichnen.
Angelika Teweleit ist Sprecherin vom „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ und im Kokreis der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“
Das Solidaritäts-Flugblatt der Sol findet sich hier: