How to hate the Greens properly*

Die Wut auf unsoziale und militaristische Grüne nimmt zu

Die Grünen erleben einen Klimawandel der besonderen Art: Die Partei mit der harmlosen Sonnenblume als Emblem, dem natürlichen Sonnen-Kollektor, sieht sich einem Dauer-Shitstorm ausgesetzt. Warum sind ausgerechnet die Grünen so verhasst?

von Johannes Bauer, Köln

Die Ampel steckt tief in der Krise. Bei der Sonntagsfrage am 18. August holte die Koalition nur noch 38 Prozent. Während die SPD von 26 Prozent auf 17 Prozent rutschte, die FDP von 11,5 Prozent auf 7 Prozent fiel, verloren die Grünen nur ein Prozent, sanken von 15 Prozent auf 14 Prozent, allerdings lagen ihre Umfragewerte auch schon höher. In der öffentlichen Wahrnehmung stehen die Grünen aber stärker in der Kritik als ihre Partner. Breite und Schärfe der Kritik an den Grünen lassen zu, von einem regelrechten Grünen-Hass zu sprechen. Sie gelten als Partei der Akademiker*innen und Besserverdienenden, die ihre Politik auf Kosten der kleinen Leute machen. Dabei wird inhaltliche Kritik an den Grünen besonders oft auch mit unpolitischer, persönlicher Kritik am Personal der Partei gemischt. Wir weinen da keine Krokodilstränen, wir wollen aber linke Kritik von rechter Stimmungsmache trennen.

Grüne Kriegstreiberei

Zu den Wurzeln der Grünen zählt die Friedensbewegung der siebziger Jahre. Davon ist schon lange nichts mehr zu spüren. Schon am ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg, dem Kosovo-Krieg der NATO 1999, waren die Grünen beteiligt, er brachte der Partei den Beinamen Jäger90/Die Olivgrünen, in Anlehnung an den vollen Namen der Partei Bündnis90/Die Grünen. Heute fällt Außenministerin Annalena Baerbock dadurch auf, bei jeder Gelegenheit mehr Waffen zu fordern. Scheinbar im Wochenrhythmus fordert sie neue und umfangreichere Waffenlieferungen an die Ukraine. Sie unterstützt einseitig die ukrainischen Kriegsziele, welche den Konflikt weiter anheizen und die im Einklang mit der NATO-Doktrin der Osterweiterung stehen, die vor Putins Einmarsch Teil der Eskalationsspirale war. Ihr Parteikollege Anton Hofreiter steht ihr darin in nichts nach, er fordert unverblümt eine grundsätzlich militaristische Wirtschaftspolitik, bei der „mit dem Colt auf dem Tisch verhandelt“ wird, wie er auf einer Veranstaltung der Berliner Zeitung formulierte. Cem Özdemir, langjähriger Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Partei, hat wiederholt medienwirksam in Uniform an Wehrübungen der Bundeswehr teilgenommen. Grundwehrdienst hat er nicht abgeleistet. Auf allen Ebenen beteiligen sich die Grünen an einer Militarisierung des Alltags und der Sprache. Das von Teilen des Kapitals geforderte, offensivere Auftreten des deutschen Imperialismus findet innerhalb der Grünen eine ideologische Legitimation, weil es zum dort verbreiteten Selbstverständnis der eigenen moralischen Überlegenheit passt – Stichwort: „wertebasierte Außenpolitik“ usw.

Grüne Verbotspartei

Im Internet kursiert eine Liste, in der 99 Verbotsforderungen der Grünen bzw. Teilen von ihnen oder einzelnen Politiker*innen mit Quellenangaben aufgelistet sind. Von einem Verbot für Delfinhaltung in Zoos über Verbot von Egoshooter-Computerspielen, Osterfeuer-Verbot bis zum Tempolimit ist jede Forderung aufgelistet, mit der die Grünen oder eine Gliederung der Grünen an die Öffentlichkeit getreten sind. Die Grünen werden als autoritär und administrativ wahrgenommen. Dahinter stecken zwei unterschiedliche Motivationen:

Einerseits gibt es eine Kampagne von Rechts, die maßgeblich von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) finanziert und befeuert wird. Auf deren Homepage wird „Annalena und die 10 Verbote“ in einer Weise dargestellt, die an die biblische Figur des Petrus erinnert, der von Gott die zehn Gebote empfängt. Die INSM ist eine Lobby-Organisation, die für eine entfesselte neoliberale Marktwirtschaft eintritt. Sie wird vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanziert. Obwohl die Grünen eine völlig glatt geschliffene kapitalistische Partei geworden sind, dienen sie den Ultra-Rechten als Projektionsfläche für eine vermeintliche Bevormundung der Bevölkerung in Anlehnung an die stalinistischen Bürokratien des ehemaligen Ostblocks. Das politische Milieu, das diese krude Verdrehung der Realität verbreitet, ist auch mitverantwortlich für den Aufstieg der AfD. Sie haben kein Interesse an einer objektiven, an Tatsachen orientierten Darstellung der politischen Verhältnisse, sondern profitieren von Verwirrung und wollen diese gezielt vertiefen. Vertreter der INSM-Sicht reden gerne von der Bevölkerung und deren Bedürfnissen, ohne jedoch zu beschreiben, dass die Bevölkerung eine sehr heterogene Masse ist, die sehr verschiedene und zum Teil gegensätzliche Bedürfnisse hat. Insbesondere die Kapitalistenklasse und die Arbeiter*innenklasse sind Antagonisten, die völlig gegensätzliche wirtschaftliche Interessen haben.

Andererseits gehört zu den Forderungen mancher Grüner auch das Verbot von Billig-Lebensmitteln, von Fleisch-Sonderangeboten und von Alkoholverkauf in Spätis, Büdchen und Kiosken. Verbote sind nicht per se problematisch, aber diese Forderungen treffen die Falschen denn sie greifen in die Lebens- und Konsumgewohnheit der ärmsten Teile der Arbeiter*innenklasse und besonders der Jugend ein und verhöhnen deren Lebensrealität. Mangel an bezahlbarem Wohnraum und Inflation treffen die unteren Einkommensschichten überpropotional hart. Wer nur mit Müh’ und Not seine kleine Wohnung oder sein WG-Zimmer in der Stadt finanzieren kann, hat kaum noch Geld, um an teuren Kultur- und Freizeitangeboten teilzunehmen. Statt Theater- oder Konzertbesuch reicht es am Abend und am Wochenende nur für ein Bier auf der Straße. Alle Untersuchungen zeigen, dass diese Schicht auch zuerst an Lebensmitteln spart und auf Discounter-Angebote zurückgeifen muss, die oft mindere Qualität haben oder sogar ausgesprochen ungesund sind. Im Gegensatz zu früher sind  Übergewicht und Diabetes keine Wohlstandserkrankungen mehr, sondern ein Phänomen der Unterschicht. Bezahlbare Lebensmittel sind gut – wenn die Qualität stimmt. Löhne und Gehälter müssen insbesondere für die unteren Einkommen so angehoben werden, dass alle Menschen eine echte Wahlmöglichkeit haben, was sie konsumieren wollen und wo sie leben wollen. 

Grüne Energiepolitik

Eine Säule des grünen Selbstverständnis ist ihre Kompetenz in Energiepolitik. Hervorgegangen aus den Anti-AKW-Protesten waren die Grünen in der Regierung Schröder jedoch mitverantwortlich für die Laufzeitgarantien für AKW in Deutschland. Aktuell stellen sie sich dar als Vorkämpfer für eine Energie- und Verkehrswende zur Rettung der Klimaziele – und scheitern auf ganzer Front.

Nach Beginn des Ukraine-Kriegs konnten viele Energiekonzerne ihr Glück nicht fassen. Eine bislang nicht endgültig bekannte „dunkle“ Macht sprengte die Erdgaspipeline Nordstream 2 und brachte damit die deutsche Gasversorgung in eine Krise, die Endverbraucherpreise explodierten und bescherten den einheimischen Versorgern Extraprofite ohne Ende. Für eine kurze Phase konnte man das gesamte Chaos auf den Sündenbock Putin abwälzen, aber inzwischen müssen die Regierungsparteien liefern. Bundeskanzler Scholz konnte relativ schnell mit Verträgen für LNG-Terminals sowie Vereinbarungen über blauen und grünen Wasserstoff punkten. Energieminister Habeck stampfte hastig das Gebäude-Energiegesetz aus dem Boden, das schnell den Namen Heizungsgesetz erhielt. Kern des Gesetzes war wieder einmal ein Verbot – nämlich für Neuanlage von Gasheizungen. Aus Betreibersicht sind Gasheizungen bisher sehr beliebt. Wo die Versorgung über erdverlegte Leitungen erfolgt, sind sie die günstigste Variante fossiler Energieversorgung. Die Energieversorger lehnen erneuerbare Energien ab, weil sie kleinteilig betrieben werden können und den Monopolcharakter der bisherigen Konzerne gefährden. Eine Windkraftanlage, ein Wasserkraftwerk, ja sogar ein Windpark kann von einer Kommune oder einer Stadt in Eigenregie betrieben werden. 

Die Verkehrswende ist zu einer reinen Antriebswende geworden. Bei der Umstellung der Produktion auf Elektroautos gehen massenhaft gut bezahlte Arbeitsplätze verloren und die Folgen der Akkumulatortechnik lassen sich noch nicht endgültig überblicken, da es bisher keine belastbaren Recyclingprozesse gibt und umweltfreundlich oder sogar klimaneutral könnten sie höchstens dann sein, wenn sie ausschließlich mit grünem Strom betrieben würden – wovon derzeit noch keine Rede sein kann.

Am Ende muss die Arbeiter*innenklasse die Zeche für jeden Irrweg und jede Sackgasse der Regierung bezahlen. Die Grünen verstehen es sehr schlecht, ihre Absicht zu verschleiern, die Konzernprofite zu sichern und dafür den kleinen Leuten in die Tasche zu greifen. Für die derzeit drängenden Probleme gibt es keine nationalen und auch keine bilateralen Lösungen zwischen zwei oder wenigen Staaten, die im Interesse großer Konzerne handeln und sich gegenseitig einen Vorteil verschaffen wollen. Die international verflochtenen Produktionsprozesse erfordern internationale Lösungen, die auf einer demokratischen Kontrolle, Verwaltung und Verteilung von Rohstoffen und Konsumgütern beruhen. Nur dieser Ansatz, eine sozialistisch organisierte Planwirtschaft, kann weltweit Wohlstand und Frieden bei nachhaltiger Produktion gewährleisten.

*Die richtige Art, die Grünen zu hassen

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