Kalte Betriebsschließung bei DuMont-Druck in Köln

Solidarität mit den Beschäftigten dringend nötig

Am 4. Oktober wurde die Frühschicht bei DuMont-Druck in Köln – dem Druckhaus, das bis dahin unter anderem die Tageszeitungen Kölner Stadt-Anzeiger, die Kölnische Rundschau sowie die regionale Boulevard-Zeitung Express herstellt – von Vertretern der Geschäftsleitung darüber informiert, dass die Belegschaft von 200 Mitarbeiter*innen sowie die 250 Leiharbeiter*innen mit sofortiger Wirkung freigestellt seien. Den Beschäftigten wurde Gelegenheit gegeben, ihre persönlichen Gegenstände aus den Spinden abzuholen, dann wurde ihnen der Zutritt zum Firmengelände entzogen.

Von Johannes Bauer, Köln

Vorausgegangen war am 2. Oktober die Ankündigung, dass an diesem Tag die normalerweise abends erscheinende Ausgabe des Express wegen Software-Änderungen entfallen würde. Ebenfalls am 4. Oktober informierte der Verlag über die Online-Ausgabe des Kölner Stadtanzeigers „in eigener Sache“ darüber, dass die Druckaufträge für die Print-Ausgaben an ein Druckhaus in Koblenz vergeben worden seien. Dabei handelt es sich um die nicht tarifgebundene Druckerei des Mittelrhein-Verlages.

Am 11. Oktober verbreitete der Betriebsrat Harald Hartung auf seiner Facebook-Seite einen Aufruf zur Solidarität und zur Teilnahme an einer Kundgebeung vor dem Druckhaus für den folgenden Tag.

DuMont-Schauburg

Die Mediengruppe DuMont-Schauburg ist ein Konzern, der seit mehr als 400 Jahren in Familienbesitz ist und zu den ältesten und einflussreichsten in Deutschland zählt. Das Unternehmen ist weit verzweigt und die Beteiligungen sind im einzelnen schwer zu verfolgen und nachzuvollziehen. In Köln und Umgebung stellt die Mediengruppe DuMont-Schauburg ein Quasi-Monopol an lokaler Print- und Online-Berichterstattung dar. Politisch ist die Herausgeberfamilie dem nationalkonservativen Spektrum zuzurechnen. Im Dritten Reich eignete sich die Familie Grundstücke in bester Innenstadtlage von Köln an, deren Vorbesitzer*innen emigrierte Jüdinnen und Juden waren. In eigener Darstellung wurde der Vorwurf, Arisierungsgewinner zu sein, stets bestritten und behauptet, die Grundstücke seien zum Verkehrswert erworben worden. Das Vermögen des langjährigen Firmenpatriarchen Alfred Neven DuMont wurde auf 1,8 Milliarden Euro geschätzt. Er galt als FDP-nah und gefiel sich als freigeistiger Intellektueller, der gelegentlich in seinen eigenen Bättern aus eigener Feder das Große und Ganze der Welt erklärte, nicht selten schwülstige, andeutungsreiche Phantasmagorien.

Protestkundgebung

Am 12. Oktober beteiligten sich mehrere hundert Menschen, überwiegend aus der Belegschaft, am Protest vor dem Verlagshaus in Köln-Niehl, um dem Betriebsrat den Rücken zu stärken, der an diesem Tag zum ersten Mal seit der kalten Schließung mit der Geschäftsleitung zu Verhandlungen zusammen kam. Die Reden des Sprechers des Betriebsrats, Harald Hartung, des ver.di-Tarifsekretärs Druck+Papier, Jan Schulze-Husmann und der weiteren Redner der Eröffnungskundgebung waren politisch sehr begrenzt. Der Tarifsekretär zählte immerhin die Gesetzesverstöße auf, derer sich der Konzern nach vorläufiger Bewertung schuldig gemacht habe und lieferte ein verstümmeltes Zitat eines „Philosophen, der hier in Köln tätig gewesen ist“, ohne den Namen Karl Marx zu erwähnen: „Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. 10 Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.“.

Ansonsten beschränkten sich die Beiträge auf Beteuerungen zu kämpfen, der Zusicherung von Solidarität und Beschwörungen, der Konzern habe sich für sein asoziales Vorgehen die falsche Belegschaft, den falschen Betriebsrat, die falsche Gewerkschaft und die falsche Stadt ausgesucht. Es wurde kein konkretes Ziel und keine konkrete Kampfmaßnahme angekündigt, außer der vagen Ankündigung, wenn der Konzern französische Verhältnisse wolle, könne er diese bekommen. Um im nächsten Satz bereits die Aussage zu tätigen, der Konzern könne Maßnahmen, die sein Ansehen in der Öffentlichkeit schädigen könnten, noch damit abwenden, dass er ein Entgegenkommen in den kommenden Verhandlungen zeige, ohne zu konkretisieren, worin dieses Entgegenkommen bestehen könne. In keinem Redebeitrag wurde erwähnt, ob überhaupt rechtmäßige Kündigungen an die Belegschaft ausgesprochen worden sind.

Vor der Kundgebung konnten wir mit einem Betriebsratsmitglied sprechen, der die Schließung als alternativlos ansah und akzeptierte. Auf unsere Frage, warum denn nicht die Forderung nach Erhalt aller Arbeitsplätze am Standort aufgestellt würde, da doch bekannt sei, dass der Konzern und auch der Druckbetrieb profitabel arbeite (was später auch in einem Redebeitrag geäußert wurde), entgegnete er, dass man diesen Gedanken noch nicht in Erwägung gezogen habe. Die Zeit sei auch knapp gewesen und man sei damit beschäftigt gewesen diese Soli-Kundgebung zu organisieren, die ver.di-Westen, die Lautsprecheranlage, eventuell eine lokal populäre Live-Band, das Gebäck und „das alles hier“. Unser Gespräch wurde von umstehenden Beschäftigten verfolgt, die sich einmischten und unseren Ausführungen zustimmten, dass ein Unternehmen, das 400 Jahre lang von einer Belegschaft profitiert habe, nicht damit durchkommen dürfe, nur ein paar Kröten Abfindung zu zahlen. Der Betriebsrat versprach darauf hin, diese Gedanken mit in die Verhandlungen zu nehmen und zog sich zurück, obwohl bis zum Beginn der Verhandlungen noch mehr als eine halbe Stunde Zeit war. Weder verdi, noch der Betriebsrat, stellten ein Flugblatt oder eine gedruckte Stellungsnahme zur Verfügung. Der Betriebsrat Harald Hartung stellt seinen Aufruf zu Solidarität sowie seine Rede vom 12. Oktober aber auf seiner Facebook-Seite zur Verfügung: https://www.facebook.com/harald.hartung

Kampfstrategie nötig

Bislang sind die Vorgänge eine grobe Posse. Der Konzern handelt in vordemokratischer, autokratischer Weise. Britta Münkler, die stellvertretende Bezirksgeschäftsführerin des ver.di-Bezirks Köln-Bonn-Leverkusen, verwies auf Manchester-Kapitalismus. Damit wird auf die Epoche des frühen Kapitalismus im England des 18. Jahrhunderts angespielt, als der Profitgier der Unternehmer keine Schranken gesetzt waren. Allgemeine Rechtlosigkeit der Beschäftigten, Kinderarbeit, Armut von Alten, Kranken und Schwachen werden mit diesem Begriff verbunden.

Wir verurteilen das Vorgehen des Konzerns DuMont. Die Eigentümer*innen präsentieren sich als Patrizier*innen, die ihre Stadt und deren Bewohner*innen, respektive die Beschäftigen ihres Unternehmens, als ihr Eigentum ansehen, die sie nach Bedarf und Gutdünken heuern und feuern können. Mit ihrem Vorgehen stellen sie sich selbst außerhalb der Gesetze. Sie signalisieren, dass ihnen Strafen und Verurteilungen wegen Verstößen gegen geltende Gesetze gleichgültig sind, weil sie die Verwertungshoheit über ihr Kapital über das geltende Recht stellen. Lieber zahlen sie Strafen, als mit Beschäftigten oder Arbeitervertreter*innenn zu verhandeln. Sie begehen bewusst einen kapitalen Tabubruch, um den Staat und die Arbeiter*innenbewegung herauszufordern, um ihre verächtliche Haltung gegenüber beiden zu demonstrieren. Sie riskieren bewusst, die ideologische Nähe der Eigentümerfamilie zur faschistischen Gedankenwelt des totalen Kapitalismus aufleben zu lassen.

Wir kritisieren in solidarischer Weise die bisherigen öffentlichen Auftritte der Arbeitervertreter und der Gewerkschaftsvertreter*innen. Wir unterstellen, dass der Betriebsrat des Druckhauses DuMont und die Gewerkschaft ver.di aus der 180-jährigen Geschichte der Gewerkschaften in Deutschland mehr politische Munition angehäuft haben, als sie aus verhandlungstaktischen Gründen am 12. Oktober zeigen wollten.

Sollten bisher keine rechtsgültigen Kündigungen ausgesprochen worden sein, ist es völlig unverständlich, warum Betriebsrat und Gewerkschaft nicht offensiv mit der Forderung für Erhalt des Standorts mit allen Arbeitsplätzen aufgetreten sind. Selbst wenn gültige Kündigungen ausgesprochen worden sind, ist die Forderung für Erhalt aller Arbeitsplätze aufzustellen. Es ist eine übliche Argumentation der Arbeitgeberseite, dass sich das wirtschaftliche Umfeld geändert habe und daher eine Standortschließung notwendig sei. Selten ist es so durchschaubar, wie hier in Köln, dass der vermeintlichen Notwendigkeit zur Standortschließung so viele objektive Tatsachen entgegen sprechen. Der Betrieb arbeitet aktuell profitabel. Die Schließung dient also ausschließlich der Profitmaximierung. Die Eigentümerfamilie selbst brüstet sich damit, dass sie ein Milliardenvermögen aus ihrer Belegschaft herausgepresst hat. Es ist also nackte Gier und Verachtung gegenüber den Beschäftigten, die den Konzern zu seinen Handlungen motivieren. Eine Arbeiter*innenvertretung mit Rückgrat und politischem Bewusstsein würde unter diesen Vorzeichen den Eigentümern die ethische und moralische Eignung zur Führung eines Betriebes selbst unter kapitalistischen Bedingungen absprechen und eine Überführung des Betriebes in öffentliches Eigentum unter Kontrolle und Verwaltung der Belegschaft fordern.

Nötig ist eine breite Solidaritätskampagne aller Gewerkschaften, die in Köln zweifellos auf eine breite Resonanz treffen würde. Ein Solidaritätskomitee sollte gebildet werden, dass Aufklärungsarbeit, Veranstaltungen und Demonstrationen organisieren könnte. Das beste Kampfmittel in einer solchen Situation wäre eine Betriebsbesetzung und die Fortführung der Produktion in eigener Regie der Belegschaft. Dem Beispiel der GKN Fabrik im italienischen Florenz könnte gefolgt werden.

Diese Forderung nach Erhalt des Betriebs könnte verallgemeinert und eingebettet werden in einen Aufruf, an ebenfalls von Arbeitsplatzabbau und Betriebsschließung betroffenen Belegschaften, gemeinsam zu kämpfen und eine Alternative zur kapitalistischen Profitwirtschaft zu diskutieren. Wenn Großbetriebe in öffentliches Eigentum überführt würden und demokratisch von der arbeitenden Bevölkerung kontrolliert und verwaltet würden, könnten Arbeitervertreter*innen in Verhandlungen zu treten, um die Produktion in eigener Hand zu organisieren, um Ressourcen zu bündeln, Arbeitszeiten zu verkürzen und die Errungenschaften der gesteigerten Produktivität, die der technische Fortschritt permanent mit sich bringt, im Sinne der Arbeiter*innen zu verwerten. Das wären verantwortungsvolle, selbstbewusste Schritte zur Einleitung einer Emanzipation der Arbeiter*innenklasse, um nachhaltige Produktion und gerechte Nutzung von Ressourcen mit einer gerechten Verteilung der Konsumgüter zu verbinden und eine soziale und politische Revolution einzuleiten. Die Produktion wäre unter diesen Bedingungen zurückgeführt auf die Befriedigung der tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung, ohne die gesellschaftlich nutzlose Schlacke des Profits erarbeiten zu müssen.

Diese Vorschläge klingen wie ein utopisches Märchen? Hmmmm… Angesichts des Vorgehens der Geschäftsführung im Druckhaus DuMont und der derzeit anstehenden Schließung des Standortes erscheint uns etwas Courage im Auftritt als angebracht.

Solidaritatserklärungen bitte an: viktor.efa@verdi.de und Kopien an koeln@solidaritaet.info
Print Friendly, PDF & Email