Bundeskonferenz der Sol tagte in Berlin
Vom 8. bis 10. Dezember fand die dritte Bundeskonferenz der Sozialistischen Organisation Solidarität in Berlin statt. Es kamen einhundert Delegierte, Mitglieder und Gäste aus Deutschland sowie Internationale Genoss*innen zusammen, um über die neue Ära der kapitalistischen Barbarei und den Kampf für Sozialismus zu diskutieren. Das höchste Gremium der Organisation beschloss unter anderem in zwei Resolutionen die nötigen politischen und organisatorischen Schlussfolgerungen.
von Jonas Rütter, Dortmund
Die Konferenz tagte unter den Vorzeichen sich verschärfender Klassenkämpfe. Zwei Tage vor Beginn hatte die GDL ihren nächsten Warnstreik für den 7. und 8. Dezember angekündigt. Von der Konferenz sendeten wir unsere Solidarität an die streikenden Kolleg*innen.
Für viele Genoss*innen war es die erste Teilnahme an einer Bundeskonferenz und auch die erste Gelegenheit größere Teile der Organisation kennenzulernen. Das liegt zum einen daran, dass wir im vergangenen Jahr die Organisation weiter aufbauen konnten und zum andern daran, dass Mitglieder teilweise in einzelnen Orten ohne Ortsgruppe nur online an Treffen teilnehmen konnten. Zur besseren Einbindung dieser bundesweiten Einzelmitglieder hatte sich in den letzten Monaten eine Online-Ortsgruppe gegründet, die die Möglichkeit schafft, diese Genoss*innen für Diskussionen zusammen zu bringen und den Aufbau in ihren Orten zu unterstützen. Diese Online-Ortsgruppe wurde von der Konferenz als eine mit allen Rechten und Pflichten ausgestattete Ortsgruppe anerkannt.
Todeskampf des Kapitalismus
Die Konferenz startete mit einer Einleitung von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher und Mitglied im internationalen Vorstand des CWI, zur internationalen Lage und unseren Weltperspektiven. Die Welt befindet sich mitten in einer neuen Ära der Instabilität, in der eine Krise nach der anderen kommt, sich die Ereignisse schnell überschlagen können und alles außer Stabilität möglich ist. Der Kapitalismus wird aber nicht einfach absterben. In seinem Todeskampf wird er alles tun, um sich selbst und seine Klassenherrschaft zu erhalten. Diese Entwicklungen finden weiter vor dem Hintergrund des relativen Niedergangs der USA und des Aufstiegs Chinas statt. Die Zunahme von imperialistischen Konflikten und die Polarisierung weltweit sind Ausdruck der sich verschärfenden Konkurrenz zwischen und innerhalb der imperialistischen Machtblöcke und der multiplen Systemkrise.
Die Intervention in die sich weltweit ausbreitenden Proteste gegen den Krieg in Gaza mit einem Programm, welches die gemeinsamen Klasseninteressen der Arbeiter*innen formuliert und für eine sozialistische Lösung des nationalen Konflikts eintritt, nahm einen großen Teil der Diskussion ein. Fiona O`Loughlin von der irischen Sektion (Militant Left) des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) berichtete wie die nationale Frage in Irland einen großen Einfluss auf das Bewusstsein der Arbeiter*innen im Bezug auf den Krieg in Gaza hat und wie die Genoss*innen mit unterschiedlichen Bewusstseinsständen in den verschiedenen Teilen der Arbeiter*innenklasse umgehen müssen.
Die Weltlage ist aber auch geprägt von dem Versagen linker Kräfte und dem Aufstieg rechter und rechtspopulistischer Parteien. Im nächsten Jahr drohen weitere Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien, zum Beispiel bei den EU-Wahlen, und auch ein Trump-Sieg in den USA ist nicht ausgeschlossen. Doch das heißt nicht, dass auch die Arbeiter*innenklasse nach rechts geht. Obwohl wir in den vergangenen Jahren immer wieder Aufstände und Revolten bis hin zu Revolutionen gesehen haben, fehlt es überall an einer revolutionären Führung die diese Bewegungen zum Erfolg führen und den Kapitalismus überwinden kann. „Neue“ linke Parteien wie Podemos in Spanien oder Syriza in Griechenland haben vor dem Kapitalismus kapituliert – führende Kräfte wie Jeremy Corbyn und Bernie Sanders waren nicht bereit, die Initiative zum Aufbau neuer Parteien der Arbeiter*innenklasse zu ergreifen. Robert Bechert vom Internationalen Sekretariat des CWI hat die Bedeutung eines revolutionären Programms und der politischen Klarheit betont. Während das CWI sich auch am Wiederaufbau einer kämpferischen und sozialistischen Arbeiter*innenbewegung beteiligt, sieht es daher eine besondere Notwendigkeit den Aufbau revolutionär-marxistischer Kräfte fokussiert anzugehen. Viele linke und revolutionäre Kräfte befinden sich auf Irrwegen auf ihrer Suche nach Abkürzungen und verlaufen sich dabei.
Deutsche Perspektiven
Die darauffolgende Diskussion über die Deutschen Perspektiven wurden von Svenja Jeschak, Sol-Bundesvorstandsmitglied und Ortsgruppensekretärin in Dortmund eingeleitet. Der deutsche Kapitalismus und die bürgerliche Ampel Regierung befinden sich in einer tiefen Krise. Die deutsche Wirtschaft steuert auf eine Rezession zu. Durch ihre Abhängigkeit von Exporten ist sie stark durch die internationalen Krisen getroffen. Außerdem machen eine Reihe struktureller Probleme, wie der selbstverschuldete Arbeitskräftemangel, dem deutschen Kapitalismus zu schaffen.
Die nach dem Karlsruher Urteil eingetretene Haushaltskrise wird zur Zerreißprobe für die Bundesregierung und es ist nicht abzusehen, ob die Regierung bis zum Ende der Legislatur aufrechterhalten werden wird oder es zu frühzeitigen Neuwahlen kommt. Doch selbst eine CDU-geführte Regierung würde keine grundlegende Stabilität bringen. Die schon zuvor angekündigten Kürzungen im Haushalt werden nun weiter verschärft. Das Karlsruher Urteil könnte Ausgangspunkt für einen Generalangriff auf die Arbeiter*innenklasse in der nicht all zu fernen Zukunft werden. Nur das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, mit welchem sich der deutsche Imperialismus für ein offensives Auftreten auf der Weltbühne rüsten will, bleibt mit Sicherheit von Kürzungen verschont.
Angesichts der sich zuspitzenden sozialen Lage könnte es im nächsten Jahr verstärkt Proteste und Widerstand gegen die Sozialkürzungen geben. Gleichzeitig befindet sich DIE LINKE in einer historischen Krise – und das nicht erst seit oder wegen der Spaltung der Partei. Mit dem Austritt von Sahra Wagenknecht und weiteren Bundestagsabgeordneten aus der Partei hat die LINKE ihren Fraktionsstatus im Bundestag verloren. Im Januar steht die Gründung der Partei rund um Wagenknecht und ihre Unterstützer*innen an. Es wird sich zeigen wie sich diese Partei entwickeln wird. Wie wir an anderer Stelle geschrieben haben, wird es kein Schritt in Richtung einer dringend benötigten sozialistischen Arbeiter*innenpartei sein, welche auf Selbstermächtigung und Klassenkampf setzt. Wagenknechts migrationsfeindliche Positionen können die Spaltung der Arbeiter*innenklasse verstärken und ihr Populismus richtet sich auch dann nicht gegen den Kapitalismus, wenn er für linkere Sozialpolitik eintritt. In Ermangelung einer besseren Alternative könnten aber Teile der Arbeiter*innenklasse in die neue Partei Hoffnungen setzen.
Dass DIE LINKE nun aus der Krise findet, ist mehr als fraglich. Seit dem Europaparteitag der LINKEN sind zwar 2000 neue Mitglieder aus Bewegungen im Umfeld der LINKEN beigetreten. Dies ist eine positive Entwicklung, aber löst die grundlegenden Probleme der Partei nicht. Unter dem Mantel der Einheit werden die drängenden Fragen, wie die Stellung zur Regierungsbeteiligung an Koalitionen mit SPD und Grünen oder eine fortschreitende Verwässerung der sozialistischen Positionen nicht diskutiert.
Der Aufstieg der AfD, die hohen Umfrageergebnisse der CDU und die Rechtsverschiebung u.a. in der Migrationspolitik der letzten Wochen machen vielen Menschen Angst. Bei den EU- und Landtagswahlen im nächsten Jahr drohen weitere Erfolge der AfD und damit die reale Gefahr von einer Zunahme von zum Beispiel rassistischer Hetze. In verschiedenen Beiträgen wurde auf der Konferenz aber auch auf die Grenzen und gegenteiligen Entwicklungen hingewiesen, welche weiter dafür sprechen, dass wir es mit einer gesellschaftlichen Polarisierung und nicht mit einem allgemeinen Rechtsruck auch im Bewusstsein der Mehrheit zu tun haben. In diesem Jahr konnten wir ein neues Aufleben einer Streikbewegung sehen. Hunderttausende beteiligten sich an Warnstreiks und sammelten wertvolle Erfahrung im Klassenkampf. Die Gewerkschaft ver.di verzeichnete die höchsten Mitgliederneueintritte seit Gründung. Auch wenn viele Kolleg*innen von den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst, der Bahn und der Post enttäuscht sein dürften, hat sich unsere Perspektive bestätigt, dass die Gewerkschaften trotz ihrer bürokratischen Führung als Orientierungspunkt für die Arbeiter*innenklasse dienen.
Aufbau der Sol
Die Diskussion zum Aufbau unserer Organisation leitete Max Klinkner, Sol-Bundesvorstandsmitglied und Ortsgruppensekretär aus Mainz, ein. Auch wenn sich unsere Perspektiven über einen heißen Herbst nicht bestätigt haben, konnten wir im vergangenen Jahr seit der letzten Bundeskonferenz in vielen Orten weiter aufbauen. Ein besonderer Erfolg war die Durchführung lokaler Sozialismustage in Mainz, Lemgo, Aachen, Dortmund und Berlin. Die Aachener Ortsgruppe konnte Ihre Mitgliedschaft im vergangenen Jahr verdoppeln mit der Perspektive weiterer Eintritte und bis Ende des Jahres möglicherweise sogar verdreifachen. Die Berliner Ortsgruppe hat so weit aufgebaut, dass sie eine Teilung vornehmen konnte.
Sol-Mitglieder waren auch streikaktiv bzw. solidarisch-unterstützend dabei in den verschiedenen Tarifrunden, u.a. im Öffentlichen Dienst, bei der Post oder der Bahn. Zusammen mit kritischen Kolleg*innen aus dem Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di halfen Sol-Mitglieder dabei, Unmut und Opposition gegen die schlechten Kompromisse im TVöD und bei der Post zur Geltung zu bringen. Seitdem hat sich das Netzwerk wiederbelebt – dieses wollen wir weiter vorantreiben.
Sol-Mitglieder waren in diesem Jahr auch an der Gründung von Jugend für Sozialismus führend beteiligt. Mit einem ersten Gründungstreffen online zum Beginn des Jahres und einem erfolgreichen Pfingstcamp mit Gründungskonferenz war die Gründung ein voller Erfolg. Auch wenn sich unsere Perspektive, dass sich noch eine Reihe weiterer Linksjugendgruppen Jugend für Sozialismus anschließen werden nicht erfüllt hat, konnten wir unser Umfeld auf einzelne weitere Orte ausweiten.
Für die nächsten sechs Monate soll der Fokus neben der Gewinnung neuer Mitglieder vor allem auf der praktischen und theoretischen Ausbildung unserer Mitgliedschaft liegen. Wir wollen damit jedes Mitglied einen Schritt näher bringen unser Programm und unsere Methoden im Klassenkampf zu verstehen und anzuwenden.
Vier Arbeitskreise diskutierten außerdem intensiv über die Gewinnung neuer Mitglieder, die Jugendarbeit, die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit sowie die politische Ausbildung innerhalb der Organisation. Robert Bechert berichtete über den Aufbau des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale. In mehreren Grußworten aus Sektionen des CWI in Irland, Sri Lanka, Chile, England und Wales, Nigeria, Frankreich, Österreich, Schottland und Südafrika wurde die zentrale Rolle Deutschlands im weltweiten kapitalistischen System und damit verbunden auch die Notwendigkeit einer revolutionären Organisation betont, die für eine Überwindung des Kapitalismus und für den Aufbau des Sozialismus kämpft. Für diesen Aufbau wurde auf der Konferenz in einem Winterspendenappell bereits über 19.000 Euro gesammelt. Bis Ende des Jahres soll die Summe noch weiter erhöht werden. Wenn du spenden willst, kannst du das hier tun.
Ein großer Teil des Geldes geht an den Aufbau unserer Internationalen – zur Unterstützung des Aufbaus der Sektionen in der neokolonialen Welt, sowie für Reisekosten zu internationalen Treffen des CWI.
Die Konferenz diskutierte und verabschiedete zwei Resolutionen: eine zur politischen Lage und den Aufgaben der Sol und eine zur politischen Ausbildung in der Mitgliedschaft. Erstere wird in gekürzter Fassung auch auf solidaritaet.info veröffentlicht. Diese Resolutionen und die auf der Konferenz geführten Diskussionen sollen Grundlage für die kommenden Auseinandersetzungen sein. Zudem wurde auch ein neuer Bundesvorstand, eine Kontrollkommission und neue Finanzrevisor*innen gewählt.
Mit der Bundeskonferenz haben wir eine wichtige Grundlage geschaffen, um mit revolutionärem Optimismus in eine schwierige und von vielen Umwälzungen geprägte Zukunft zu blicken und den weiteren Aufbau unserer marxistischen Kräfte anzugehen.