Israel und Palästina verstehen

Zu den Wurzeln und der Geschichte des Nahost-Konflikts

Die imperialistischen Weltmächte haben im Nahen Osten schon immer für ihre eigenen politischen, strategischen und wirtschaftlichen Interessen interveniert. Mit Investitionen, Hilfen, Handelsabkommen und Schutzversprechen auf der einen Seite und Drohungen, Sanktionen und militärischer Gewalt auf der anderen Seite haben sie auf Kosten der Bevölkerung in der Region, einschließlich der nationalen Rechte, abgeschöpft, was sie konnten.

Von Judy Beishon, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Der israelisch-arabische Konflikt ist das Ergebnis imperialistischer Einmischung nach dem Ersten Weltkrieg. Im vergangenen Jahrhundert gab es 13 offizielle Kriege und viele weitere blutige Auseinandersetzungen.

Araber*innen und Jüd*innen vor der Gründung Israels

In der Feudalzeit wurden die Kalifate, in denen die Palästinenser*innen lebten und zu denen andere arabische Gebiete gehörten, vom türkischen Osmanischen Reich erobert. Dieses Reich zerfiel nach militärischen Niederlagen vor und während des Ersten Weltkriegs, und der Nahe Osten wurde unter den imperialistischen Siegern aufgeteilt. Zu den Plänen, die Vorherrschaft einzunehmen, gehörte das geheime Sykes-Picot-Abkommen zwischen Großbritannien und Frankreich von 1916, das Großbritannien die Kontrolle über Palästina und Jordanien und Frankreich die Kontrolle über Syrien und den Libanon zusicherte. Damit wurde ein britisches Versprechen gebrochen, das den arabischen Führern zuvor gegeben worden war, dass sie in diesen Gebieten ihren eigenen Staat haben würden.

Aufgrund dieses Abkommens und anderer imperialistischer Verträge beherrschte Großbritannien Palästina nach dem Ersten Weltkrieg, bis es sich zum Zeitpunkt der Gründung Israels im Jahr 1948 zurückzog. Der Weg für einen israelischen Staat wurde durch die “Balfour-Erklärung” von 1917 geebnet, in der sich der britische Außenminister Arthur Balfour verpflichtete, “die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen zu betrachten”.

Dies war ein großes Geschenk für die zionistische Bewegung, die sich für einen jüdischen Staat in Palästina einsetzte. Für die Araber*innen in Palästina, die rund neunzig Prozent der Bevölkerung ausmachten und damals unter britischer Kolonialherrschaft standen, war dies jedoch ein schwerer Schlag, da sie keine Aussicht auf einen eigenen Staat hatten.

Jüdische Gemeinden gab es zu dieser Zeit im gesamten Nahen Osten. Sie machten etwa zehn Prozent der palästinensischen Bevölkerung aus, von denen etwa die Hälfte seit Jahrhunderten in diesem Land lebte.

Nach der Balfour-Erklärung befürchteten die palästinensischen Araber*innen, dass sie marginalisiert werden würden. Es kam zu Protesten und gewaltsamen Zusammenstößen, was Balfour jedoch nicht davon abhielt, 1922 zu schreiben, worin die rassistische imperialistische Ideologie zum Ausdruck kommt: “Der Zionismus, ob richtig oder falsch, gut oder schlecht, ist von weitaus größerer Bedeutung als die Wünsche und Vorurteile der 700.000 Araber, die jetzt dieses alte Land bewohnen”.

Die jüdische Einwanderung nahm zu, was die Araber*innen zunehmend beunruhigte. Sie brachen 1936-39 zu einer Massenrebellion aus, die von den britischen Streitkräften brutal niedergeschlagen wurde. Während dieses Aufstandes schlug der britische Imperialismus 1937 vor, einen kleinen jüdischen Staat in Palästina zu gründen.

Was war die moderne zionistische Bewegung? Moses Hess, ein Zeitgenosse von Marx und Engels, war einer der ersten Pioniere des Zionismus im 19. Jahrhundert, der sich für die jüdische Kolonisierung Palästinas und deren imperialistische Förderung einsetzte. Im Jahr 1896 schrieb Theodor Herzl, ein Journalist in Wien, ein Buch, in dem er die Ideen von Hess und anderen weiterführte, und im folgenden Jahr organisierte er den ersten Zionistenkongress in Basel, auf dem die Zionistische Organisation gegründet wurde und verkündete: “Der Zionismus strebt danach, dem jüdischen Volk eine öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte in Palästina zu schaffen”. Herzl war maßgeblich daran beteiligt, die politische Ideologie des Zionismus voranzutreiben und die Unterstützung der imperialistischen Mächte dafür zu gewinnen. Palästina wurde auf der Grundlage seiner angestammten jüdischen Präsenz zum Hauptziel für einen jüdischen Staat.

Der politische Zionismus war im Wesentlichen eine Reaktion auf den endemischen Antisemitismus, der überall auf der Welt unterschiedliche Formen annahm. Während des Zerfalls der feudalen Verhältnisse im österreichisch-ungarischen und russischen Zarenreich wurden Jüd*innen in Osteuropa nach und nach aus ihrer Heimat vertrieben. Zur gleichen Zeit begannen die von den imperialistischen Mächten aufgezwungenen kapitalistischen Verhältnisse bereits zu zerfallen. In ganz Russland und im heutigen Polen schürten die Regime ab den 1880er Jahren Vorurteile gegen Jüd*innen, um von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf alle Arbeiter*innen und Bäuer*innen abzulenken. In Wien baute Karl Lueger, der ab 1897 13 Jahre lang Bürgermeister war, seine Karriere auf Antisemitismus auf, den er auch gegen die wachsende Arbeiter*innenbewegung einsetzte. In einigen Ländern kam es zu schrecklichen Pogromen gegen Jüd*innen. Auf der Flucht vor Verfolgung und Massenarbeitslosigkeit wanderten in dieser Zeit etwa vier Millionen Jüd*innen nach Westeuropa, in die Vereinigten Staaten und in andere Länder aus, wobei sie dazu tendierten, sich in die dortigen Bevölkerungen zu integrieren.  

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts orientierten sich die meisten politisch aktiven Jüd*innen nicht am Zionismus, sondern an Arbeiter*innenorganisationen und -kämpfen. In Deutschland und Österreich spielten Sozialist*innen mit jüdischem Hintergrund eine herausragende Rolle beim Aufbau der ersten Arbeiter*innenorganisationen, ein Faktor, den sich rechte Parteien zunutze machten, als sie ihre Ablehnung des Sozialismus mit Antisemitismus verbanden. In Russland wurden viele Jüd*innen Mitglieder der 1898 gegründeten Russischen Sozialdemokratischen Arbeiter*innenpartei, eine Schicht von ihnen über den Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund, der Autonomie für Jüd*innen anstrebte, aber eine antizionistische Haltung entwickelte. Eine Reihe von Führern der russischen Revolution von 1917 hatte einen jüdischen Hintergrund, darunter Kamenew, Sinowjew und Trotzki – was die antikommunistischen Kräfte dazu veranlasste, den Antisemitismus sowohl gegen die Bolschewiki als auch gegen andere Organisationen mit marxistischen Wurzeln einzusetzen.

Insgesamt bestand das Ziel der Zionist*innen, einer kleinen Minderheit von Jüd*innen weltweit, nicht darin, den Antisemitismus zu bekämpfen und sich für die Rechte der jüdischen Bevölkerung in Europa einzusetzen, sondern vielmehr darin, ihm zu entkommen – eine Ideologie, die durch die Ergebnisse des Scheiterns der Arbeiter*innenbewegungen in ganz Europa, der russischen Revolution nachzueifern und den Kapitalismus zu beseitigen, Auftrieb erhielt. Die Zionist*innen traten für ein jüdisches Heimatland ein, in dem die Jüd*innen frei von Unterdrückung leben und ihre Kultur entfalten konnten.

Dennoch hatte die russische Revolution einen tiefgreifenden Einfluss auf die zionistische Linke. Die marxistisch-zionistische internationale Organisation Poale Zion spaltete sich 1920 und ihr linker Flügel beantragte die Aufnahme in die Kommunistische Internationale. Die Kommunistische Internationale sprach sich gegen die Unterstützung der Linken Poale Zion für die Migration nach Palästina aus und forderte die Mitglieder der Poale Zion auf, sich ihren lokalen kommunistischen Parteien anzuschließen, was einige auch taten. In Palästina wurden Teile der Linken Poale Zion zur Grundlage der Kommunistischen Partei, ein anderer Teil der zionistischen Linken wurde schließlich zu Mapam (Vereinigte Arbeiterpartei, einer der Vorläufer der israelischen Partei Meretz), während der rechte Flügel der Poale Zion die Grundlage für die prokapitalistische zionistische Partei Mapai unter David Ben-Gurion bildete, der Israels erster Premierminister wurde.  

Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 in Deutschland nahm die Unterstützung für den Zionismus zu. Hinzu kamen weitere Hindernisse, mit denen Jüd*innen konfrontiert waren, die vor dem Nationalsozialismus und anderen reaktionären Regimen zu fliehen versuchten. In Großbritannien wurden jüdische Geflüchtete, denen Asyl verweigert wurde, fast bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Europa zurückgeschickt. Am Vorabend dieses Krieges fand ein zionistischer Kongress statt, auf dem über eine Million Jüd*innen – etwa sieben Prozent der jüdischen Weltbevölkerung – vertreten waren und an dem Delegierte der verschiedensten zionistischen Parteien teilnahmen. Es überrascht nicht, dass die Schrecken des Holocausts unter Hitler – die Ermordung von sechs Millionen Jüd*innen sowie vieler Sozialist*innen, Gewerkschafter*innen, Menschen mit Behinderungen, LGBTQ-Personen und anderer – und die Nachkriegspogrome in einigen Ländern weithin als weitere Gründe für den Zionismus angesehen wurden.

Gründung Israels 1948

In den zwei Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gerieten die britischen Streitkräfte mit ihrer Strategie des “Teile und Herrsche” in Palästina in eine Krise. Sie versuchten, die jüdische Einwanderung zu begrenzen, worauf jüdische Milizen mit Sabotage und Terroranschlägen reagierten. Der Aufstand der Zionist*innen gegen die britische Herrschaft löste im Juli 1946 einen weltweiten Schock aus, als die Irgun-Miliz einen Teil des Jerusalemer King-David-Hotels in die Luft sprengte, in dem britisches Personal wohnte, und 91 Menschen tötete. Da das britische Kabinett Attlees nicht in der Lage war, das “Wespennest” Palästina, wie der britische Kanzler Hugh Dalton es nannte, zu stabilisieren, stimmten die Vereinten Nationen (UN) 1947 für die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Diese Entscheidung war nicht nur auf die falsche Perspektive zurückzuführen, Palästina stabilisieren zu wollen; der US-Imperialismus sah es auch als Ziel für Hunderttausende jüdischer Nachkriegsflüchtlinge, die von Ländern in ganz Europa und auch von den USA abgewiesen wurden.

Die Araber*innen in Palästina reagierten mit Empörung auf dieses imperialistische Edikt. Gleichzeitig waren die Zionist*innen bestrebt, so viel Land wie möglich für ihren neuen Staat zu erobern. Ein Bürger*innenkrieg brach aus, in dem jüdische Kräfte unter der Führung der Haganah-Miliz Gebiete eroberten, die im Mai 1948 zur Ausrufung des Staates Israel führten. In einer zweiten Phase des Krieges wehrte der neue israelische Staat eine Invasion von fünf arabischen Armeen ab. Bis 1949 hatte Israel mehr Land eingenommen, als ihm von der UNO zugewiesen worden war, Jordanien kontrollierte das Westjordanland und Ägypten den Gazastreifen. Das ungeheure Unrecht, Palästina von der Landkarte zu tilgen, führte dazu, dass rund 750.000 Palästinenser*innen aus ihrer Heimat vertrieben und zu Geflüchteten im Gazastreifen, im Westjordanland, in Israel und den umliegenden Ländern wurden. Die Palästinenser*innen nennen diese schreckliche Vertreibung ihre Naqba, auf Arabisch: “Katastrophe”.

Der Massenmord an den Juden im Holocaust kann nicht als Rechtfertigung für die Naqba und die Schaffung der Voraussetzungen für neue Völkermorde in der Neuzeit herangezogen werden. Leo Trotzki hatte 1940, einen Monat bevor er von Stalins Agenten ermordet wurde, gewarnt, dass ein jüdischer Staat in Palästina eine “blutige Falle” für die Juden sein könnte, da das Land bereits bewohnt sei. Dies hat sich auf tragische Weise bewahrheitet, sowohl für die Palästinenser*innen als auch für die Jüd*innen.

Das Wachstum Israels

1949 schloss Israel Waffenstillstandsvereinbarungen mit seinen vier arabischen Nachbarstaaten ab: Ägypten, Jordanien, Syrien und Libanon. Die Demarkationslinien werden seither oft als “grüne Linie” bezeichnet. Die Bevölkerung des Landes wuchs durch die Einwanderung rasch an. Keineswegs waren alle Nachkriegseinwandernden Zionist*innen; viele konnten nirgendwo anders hin. Die nachfolgende Einwanderungswelle aus arabischen und anderen muslimischen Ländern war unter zionistischem Druck zur Auswanderung gedrängt worden oder hatte infolge der Gründung Israels Verfolgung oder Vertreibung erlitten.

Viele der ersten zionistischen Einwanderer in Palästina hatten landwirtschaftliche Kibbuzim gegründet und lebten in ihnen. Sie basierten auf Kooperation und gewissermaßen sozialistischen Ideen, zum Teil, um unter den schwierigen Bedingungen zu überleben, aber auch aufgrund des Einflusses durch die europäische Arbeiter*innenbewegung, wobei sie diesen zu einer Art Tarnung für das Projekt der Kolonisierung palästinensischen Bodens entstellten.

Ein Großteil der Einwandernden nach 1948 lebte jedoch in Durchgangslagern und später in rasch gebauten Wohnungen in “Entwicklungsstädten” – die geraubten Grundstücke, aus denen die Palästinenser*innen vertrieben worden waren, reichte nicht für alle; 1,6 Millionen jüdische Einwander*innen kamen in den ersten drei Jahrzehnten Israels.

Von Anfang an basierte Israel auf kapitalistischen Verhältnissen. Nach einer anfänglichen Wirtschaftskrise in der Nachkriegszeit wuchs die Wirtschaft des Landes, angetrieben durch Reparationen aus Deutschland, ausländische Investoren und US-Hilfe. Der israelische Staat profitierte in hohem Maße von den hohen Gewinn- und Investitionsraten während des Weltwirtschaftsbooms der Nachkriegszeit in den 1950er und 1960er Jahren.

Die Entwicklung der Wirtschaft wurde auch durch ein hohes Maß an staatlicher Förderung begünstigt. Der Staat und die Histadrut (Allgemeine Organisation der Arbeitenden in Israel) beschäftigten in den 1950er Jahren zusammen vierzig Prozent der Arbeiter*innen des Landes, und der Staat gewährte anderen großen Unternehmen Subventionen. Dabei handelte es sich jedoch nicht um irgendeine Form von Sozialismus, wie Finanzminister Levi Eshkol 1957 selbst betonte: “Was ist unser Regime? Es ist ein Regime, das dem Privatkapital den Weg bereitet und die Straße pflastert, vorausgesetzt, es existiert und will hierher kommen”. Eshkol war eine führende Persönlichkeit der Mapai-Partei, die in den ersten drei Jahrzehnten alle israelischen Regierungen leitete, die allesamt pro-kapitalistisch waren. Zunächst als Mapai und ab 1968 als Israelische Labourpartei (sozialdemokratische Partei). Parallel zum Wirtschaftswachstum erfolgte der Aufbau der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), die mit Hightech-Waffen, einschließlich einer nicht veröffentlichten Nuklearkapazität, ausgerüstet waren.

Nach der Gründung des israelischen Staates versuchten viele palästinensische Geflüchtete in ihre Häuser und auf ihr Land zurückzukehren. An den Waffenstillstandsgrenzen kam es zu Zusammenstößen, die von der IDF mit Schüssen und strafenden Überfällen auf Grenzgebiete beantwortet wurden. Ein IDF-Major, Ariel Sharon, der später israelischer Premierminister wurde, leitete 1953 einen Angriff und ein Massaker an 69 Palästinenser*innen in dem Dorf Qibya im Westjordanland. 1955 überfielen die IDF ein ägyptisches Militärlager im Gazastreifen und töteten 38 ägyptische Soldaten. Auch gegen Palästinenser*innen, denen es während und nach 1948 gelungen war, innerhalb der israelischen Grenzen zu bleiben, wurde massiv repressiv vorgegangen. Ihre Städte und Dörfer wurden bis 1966 unter israelisches Kriegsrecht gestellt.   

Die Kriege von 1956 und 1967

Der US-Imperialismus hatte ein zunehmendes politisches Interesse an der Unterstützung Israels als Teil seiner Strategie im “Kalten Krieg” der Nachkriegszeit zwischen den von den USA dominierten kapitalistischen Westmächten und dem stalinistischen Ostblock unter Führung der Sowjetunion (UdSSR), einem Patt zwischen zwei antagonistischen Wirtschaftssystemen. Der Nahe Osten war für beide Supermächte von Interesse, nicht zuletzt wegen seiner Ölreserven und seiner geografischen Bedeutung für den Handel. In einer Zeit der Unruhen und des Regimewechsels in dieser Region rangen sie um Einfluss. Ursprünglich unterstützte die UdSSR die Gründung Israels und half bei der Bewaffnung des neuen Staates mit Waffen aus der damaligen Tschechoslowakei, in der Hoffnung, dass dieser ein Verbündeter gegen die vom Westen unterstützten arabischen Monarchien sein würde. Die Situation änderte sich jedoch, als der erfolgreiche Putsch der Bewegung Freier Offiziere 1952 in Ägypten das regionale Kräftegleichgewicht veränderte. Stalin und seine Nachfolger versuchten, Einfluss auf die an die Macht gekommenen arabischen nationalistischen Regime zu nehmen, und schlossen 1955 ein Waffengeschäft mit der Regierung von Gamal Abdel Nasser in Ägypten ab, die zwischen dem kapitalistischen Westen und dem Sowjetblock balancierte.

Der westliche Imperialismus wollte diesen Einfluss zurückdrängen und sah in dem linksgerichteten, überwiegend säkularen Nasser-Regime und seiner großen Anziehungskraft auf die arabischen Massen ohnehin eine große Bedrohung. Nasser regierte autokratisch und blieb innerhalb der Grenzen des Kapitalismus, aber in einem revolutionären Prozess, der sich auf den gesamten Nahen Osten auswirkte, übernahm er Aspekte sozialistischer Ideologie in Kombination mit arabischem Nationalismus. Sein Regime verteilte Land von den Großgrundbesitzern an die arme Landbevölkerung, verstaatlichte den Suezkanal und andere britische und französische Unternehmen in Ägypten und stellte den ägyptischen Massen ein nie dagewesenes Maß an öffentlichen Dienstleistungen zur Verfügung. Daher sahen die westlichen kapitalistischen Mächte in dem entschieden prowestlichen imperialistischen Israel eine wichtige Basis zur Unterstützung ihrer Interessen gegen die Herausforderung, die der Nasserismus darstellte.

Die so genannte “jüdische Lobby” in den USA war ebenfalls ein Faktor in den Beziehungen zwischen den USA und Israel und ist es auch heute noch: US-Kapitalist*innen mit jüdischem Hintergrund haben Verbindungen zum israelischen Großkapital, und US-Arbeiter*innen mit jüdischem Hintergrund haben in einigen US-Bundesstaaten Einfluss auf die Wahlen.

Die herrschende Klasse Israels ihrerseits wollte die Hilfe und den Schutz der USA; sie fürchtete die Bewaffnung feindlicher arabischer Regime durch die UdSSR. Israel unterstützte in der Vergangenheit die Interessen der USA im Nahen Osten und in anderen Teilen der Welt durch nachrichtendienstliche und militärische Koordinierung.

Der Suezkrieg von 1956 wurde jedoch vom US-Imperialismus nicht begrüßt. Im Oktober 1956 marschierte Israel mit britischer und französischer Unterstützung auf der Sinai-Halbinsel ein, um die Kontrolle über den Suez-Kanal zu erlangen und Nasser zu stürzen. Auf den arabischen Straßen und bei anderen Arbeiter*innen auf der ganzen Welt kam es zu wütenden Protesten, unter anderem zu einer Kundgebung mit 30.000 Teilnehmer*innen gegen den Krieg in London. Die USA wollten unbedingt eine Unterbrechung der Öllieferungen und des Handels sowie eine Ausbreitung des Krieges verhindern – die UdSSR drohte mit einer Intervention – und übten Druck auf die Invasoren aus, sich zurückzuziehen. Das Ergebnis war ein demütigender Rückzug für den britischen und französischen Imperialismus, gefolgt vom Rückzug Israels aus dem Sinai.

Als 1967 die Spannungen und Zusammenstöße zwischen Israel und den Nachbarländern weiter zunahmen und Ägypten seine Blockade des israelischen Schiffsverkehrs durch die Straße von Tiran verschärfte, bereiteten beide Seiten einen neuen Krieg vor. Nachdem die USA grünes Licht gegeben hatten, begann Israel am 5. Juni mit militärischen Angriffen auf Ägypten, Syrien und Jordanien, die als “Sechstagekrieg” bekannt wurden. Die israelischen Streitkräfte erzielten einen dramatischen und unerwarteten Erfolg und gewannen die Kontrolle über das Westjordanland, Ostjerusalem, den Gazastreifen, die Golanhöhen und den Sinai von Jordanien, Ägypten und Syrien. Der Krieg war nicht nur der Beginn der israelischen Besatzung, sondern hat auch rund 400.000 palästinensische Geflüchtete zur Folge gehabt, von denen einige bereits zum zweiten Mal in die Flucht geschlagen wurden.

Im November 1967 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die bekannte Resolution 242, in der der Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten gefordert wurde. Doch mit Ausnahme des Sinai sind sie bis heute von Israel besetzt. Immer wieder wird Israel unter anderem von Menschenrechtsorganisationen, darunter viele linke Gruppen, vorgeworfen, das Völkerrecht zu verletzen, aber die gesamte Geschichte des Konflikts hat gezeigt, wie folgenlos diese Appelle sind. Dieses Recht wird im Wesentlichen von den imperialistischen Mächten bestimmt, und Versuche, es durchzusetzen, können nur von deren nationalstaatlichen Streitkräften unternommen werden. Im Falle Israels war es unter dem Strich nicht in ihrem Interesse, es durchzusetzen, und Israels Machthaber wissen das.

Innerhalb weniger Monate nach dem Sechstagekrieg begann Israel mit dem Bau jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten und entwickelte ein Regime brutaler Unterdrückung gegen die dort lebenden Palästinenser*innen. Praktisch jeder Aspekt ihres Lebens wurde von Israel kontrolliert, mit harten und tödlichen Strafen für Übertretungen. Im Laufe der Jahre führten die IDF zahlreiche blutige Razzien in Städten des Westjordanlands und des Gazastreifens durch und ermordeten palästinensische Milizenführer und Kämpfer. Vierzig Prozent der männlichen Bevölkerung in den Gebieten haben bereits Zeit in israelischen Gefängnissen verbracht, wobei Tausende gleichzeitig inhaftiert waren, darunter viele ohne Gerichtsverfahren.  

Palästinensischer Widerstand

Ende der 1950er Jahre gründete eine Gruppe von Palästinensern unter der Führung von Jassir Arafat die Fatah, eine Abkürzung für die “Palästinensische Nationale Befreiungsbewegung”. Bis 1969 war die Fatah die dominierende Partei in der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), einem Dachverband zahlreicher palästinensischer Organisationen, die überwiegend säkular waren und die revolutionären Prozesse in der Region widerspiegelten. Sie förderte die palästinensische Identität und das Bewusstsein für die Notlage der Palästinenser*innen und fand in der palästinensischen Diaspora, unter anderen Arabern und bei Organisationen wie dem ANC in Südafrika breite Unterstützung.  Sie führte bewaffnete Angriffe gegen das israelische Militär und die israelische Infrastruktur durch. Gleichzeitig schrecken jedoch Gruppen- und Einzelanschläge, die in den 1970er Jahren von verschiedenen PLO-Gruppierungen verübt wurden, viele Arbeiter*innen auf internationaler Ebene von ihren Methoden ab. Zu diesen Anschlägen gehörten die Entführung von Flugzeugen, die Ermordung israelischer Schulkinder und die Geiselnahme und Ermordung israelischer Sportler während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München.

Die PLO versuchte nicht, eine Massenmobilisierung der palästinensischen Arbeiter*innenklasse und der Armen gegen die Unterdrückung aufzubauen, sondern positionierte sich als Akteur im Namen der Massen, wobei ihr Terrorismus keine Methode war, mit der der militärisch mächtige israelische Staat besiegt werden konnte. Auf diese Weise ersetzte sie die Aktionen von kleinen Gruppen anstelle von Massenaktionen, die für den Kampf um die palästinensische Befreiung notwendig waren.

In späteren Perioden haben Massenbewegungen wie die palästinensische Intifada 1987-92 oder die Aufstände des “Arabischen Frühlings” 2011 die potenzielle Kraft von Massenmobilisierungen gezeigt, die sich als viel effektiver erwiesen als die Guerilla-Kampagnen und Gruppenterrorakte, die von den Organisationen innerhalb der PLO und anderen durchgeführt wurden. In Ausnahmefällen kann eine Guerillatruppe einen Sieg erringen, wie etwa 1959 in Kuba. In diesen Fällen war es zwar möglich, den Kapitalismus zu stürzen, aber es war nicht möglich, durch diese Guerillakämpfe eine sozialistische Demokratie zu schaffen. Sie basierten auf der Bauernschaft und nicht darauf, dass die Arbeiter*innenklasse die führende Rolle spielte, die für den Übergang zum Sozialismus notwendig gewesen wäre. Das Ergebnis in Kuba war ein populäres, aber bürokratisches Regime. In Südafrika war das revolutionäre Potenzial einer Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse ausschlaggebend für den Sieg über das Apartheidregime, und nicht die Guerillakampagne des ANC.

Die PLO forderte einen säkularen palästinensischen Staat mit gleichen Rechten für Juden in diesem Staat, betrachtete sie aber nicht als Juden mit kollektiven Rechten. Einige der ihr angehörenden Organisationen waren vom Stalinismus beeinflusst und wurden von der Sowjetunion und China unterstützt. Im Einklang mit der stalinistischen Ideologie verschoben sie den Kampf für den Sozialismus auf eine Phase nach der Befreiung Palästinas. Mit den Kampfmethoden der PLO konnte jedoch nicht nur die Befreiung Palästinas nicht erreicht werden, sondern es wird auch nicht möglich sein, diese auf kapitalistischer Grundlage zu erreichen.

Für die israelische Kapitalistenklasse ermöglicht die Verweigerung der Selbstbestimmung der Palästinenser*innen, die Kämpfe der palästinensischen Bevölkerung zum Vorteil ihrer jüdisch-nationalistischen Propaganda innerhalb Israels zu nutzen – mit dem Argument, dass die “Bedrohung” durch feindliche Araber*innen bedeutet, dass die israelischen Juden gegen einen gemeinsamen Feind zusammenhalten müssten, wodurch sie die Klassenspaltung Israels versuchen zu verschleiern. Vor allem war die israelische kapitalistische Klasse nie bereit, die Existenz eines benachbarten unabhängigen palästinensischen Staates mit Kontrolle über seine eigenen Grenzen und Ressourcen zuzulassen, weil sie die Erwartungen fürchtet, die dies bei den Palästinensern und den benachbarten arabischen Massen wecken würde – die auf kapitalistischer Grundlage nicht erfüllt werden könnten – und dass sie eine Führung wählen würden, die ihren eigenen Interessen sehr feindlich gegenüberstehen.

Außerdem wird kein kapitalistisches palästinensisches Gebilde in der Lage sein, einen angemessenen Lebensstandard für seine Bevölkerung zu gewährleisten. Wo auf der Welt sorgt eine kapitalistische herrschende Klasse unter den heutigen Bedingungen des kapitalistischen Niedergangs konsequent für einen steigenden Lebensstandard für alle Gesellschaftsschichten außer denen an der Spitze? Am allerwenigsten in einem Gebiet ohne industrielle Basis und mit einer Geschichte des Blutvergießens.

Auf jeden Fall haben die arabischen Regime, die sich ebenfalls auf den Kapitalismus stützen, immer einen starken konterrevolutionären Einfluss auf die PLO ausgeübt, indem sie sie finanzierten und beherbergten. Einerseits versuchen ihre Eliten, sich so darzustellen, als seien sie genauso wütend wie die Massen im gesamten Nahen Osten über die Notlage der Palästinenser*innen, während es andererseits in ihrem Interesse liegt, alle Schritte zum Aufbau der einzigen Kräfte zu behindern, die die Besatzung beenden können: Organisationen der Arbeiter*innenklasse in den besetzten Gebieten und in Israel.

Trotz ihres Einflusses auf die PLO wurde sie von den arabischen Staaten oft als lästig und manchmal als Bedrohung angesehen. Im “Schwarzen September” 1970 befahl König Hussein in Jordanien seiner Armee, den PLO-Stützpunkt in Jordanien zu zerstören, wobei Tausende von Palästinenser*innen getötet wurden und die PLO gezwungen wurde, ihr Hauptquartier in den Libanon zu verlegen, da er sie als Bedrohung für die Herrschaft der Monarchie ansah.

In Israel entwickelte sich 1975/76 eine palästinensische Massenbewegung gegen die Politik des israelischen Staates, palästinensisches Land zu beschlagnahmen. Sie erreichte ihren Höhepunkt, als am 30. März 1976 ein Generalstreik der Palästinenser*innen in Israel stattfand, der von Palästinensern in den besetzten Gebieten und im Libanon unterstützt wurde. Bei der brutalen Repression der IDF gegen palästinensische Menschen, vor allem in Galiläa, kamen sechs Palästinenser ums Leben, deren Tod seither bei den jährlichen Landtagsdemonstrationen gedacht wird.

Jom-Kippur-Krieg und wirtschaftlicher Niedergang

In den Jahren 1969/70 fand ein “Zermürbungskrieg” vor allem zwischen Ägypten und Israel statt, und einige Jahre später, im Oktober 1973, brach ein größerer Krieg aus. Dies war der Jom-Kippur-Krieg, der am gleichnamigen jüdischen Feiertag begann. Ägypten und Syrien starteten eine unerwartete Militäroffensive gegen Israel, um ihre verlorenen Gebiete zurückzuerobern, wobei sie von einer Reihe anderer arabischer Länder unterstützt wurden. In Anbetracht des Kalten Krieges rüstete die Sowjetunion die arabischen Kämpfer auf, und nach dem Jom-Kippur-Krieg begannen die USA, Israel intensiv aufzurüsten.

Nach dem Krieg führte Saudi-Arabien einen arabischen Boykott der Ölexporte in die Länder an, die Israel während des Krieges unterstützt hatten, was in den folgenden fünf Monaten zu einer Verdreifachung des Ölpreises führte. Das wirkte sich auf eine Weltwirtschaft aus, die bereits Anzeichen eines Rückgangs nach den schwungvollen Jahren des Booms nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte. Eine weltweite Rezession setzte ein, und Israels Wirtschaft wurde stark in Mitleidenschaft gezogen: Das Wirtschaftswachstum ging zurück, die Inflation nahm an Fahrt auf und das Zahlungsbilanzdefizit vergrößerte sich.

Anfang der 1980er Jahre hatte sich die israelische Wirtschaft noch immer nicht erholt. Im Jahr 1983 brachen die Aktienkurse der größten Banken ein und die Regierung sah sich gezwungen, sie zu verstaatlichen. Im Jahr 1984 erreichte die Inflation 445 %. Eine kurzlebige Regierung der “nationalen Einheit” führte 1985 einen neoliberalen “Stabilisierungsplan” ein, der u. a. die Staatsausgaben kürzte, die Löhne der Arbeiter*innen niedrig hielt und die Währung abwertete. Die Regierung und ihre Nachfolger begannen dann ein Geldsegen für die Reichen durch die Privatisierung staatlicher Unternehmen, einschließlich der Rückführung der Banken in kapitalistische Hände.

Wahl der israelischen Rechten

Vor den israelischen Parlamentswahlen von 1977 wurde die Labour-Regierung, die seit 1974 nach dem Rücktritt von Golda Meir von Yitzhak Rabin geführt wurde, immer noch beschuldigt, vom Jom-Kippur-Krieg überrumpelt worden zu sein, und es herrschte Unmut über Korruptionsskandale an der Spitze. Rabin selbst trat einen Monat vor den Wahlen wegen eines Verstoßes gegen die Devisenvorschriften zurück. Die sich verschlechternde Wirtschaftslage machte die Enttäuschung über die Labourpartei noch größer, vor allem unter den israelischen Mizrachi-Juden, die aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Asien stammen, und den sephardischen Juden, die aus dem Mittelmeerraum stammen. Sie hatten schon immer unter der Diskriminierung durch die israelischen aschkenasischen Juden gelitten, die hauptsächlich aus Mittel- und Osteuropa stammten und die Labour-Partei dominierten. Die Mizrachim und Sephardim litten unter größerer Armut und schlechteren Wohnverhältnissen, Arbeitsplätzen und Dienstleistungen und mussten mit ansehen, wie ihre Kultur zugunsten der aschkenasischen Kultur ausgegrenzt wurde, da diese als zu nahöstlich angesehen wurde. In den 1970er Jahren kam es unter ihnen zu Unruhen und Protesten, darunter die Gründung einer radikalen “Black Panther”-Gruppe junger Mizrachim im Jahr 1971, die vom israelischen Staat stark unterdrückt wurde.

Bei den Wahlen von 1977 stimmten viele Mizrachim und Sephardim für die rechtsgerichtete Partei Likud und verhalfen damit der Rechten zum ersten Mal an die Macht, und zwar in Form einer von Likud geführten Koalition. Die Likud-Führung profitierte also von der Entfremdung der Mizrachim und Sephardim von der regierenden Elite der Labour-Partei, obwohl die meisten Likud-Führer ebenfalls eine mittel- oder osteuropäische Herkunft hatten.

Dies hatte Folgen für die Besatzung. Wie der Autor Avi Shlaim beschreibt: “Es war der Triumph des revisionistischen Zionismus nach einem halben Jahrhundert erbitterten Kampfes gegen den Mainstream-Labour-Zionismus”. Der revisionistische Zionismus wurde erstmals von Ze’ev Jabotinsky entwickelt, der sich gegen einen schrittweisen Ansatz zur Schaffung eines israelischen Staates ausgesprochen hatte. Er vertrat die Ansicht, dass die Palästinenser*innen eine Teilung niemals akzeptieren würden und daher eine “eiserne Mauer” aus militärischer Stärke zwischen einem jüdischen Staat und den Araber*innen erforderlich sei.

Die israelische Rechte, die auf diese Ideen zurückgeht, lehnt in der Regel jeden Kompromiss in der Frage des Territoriums ab und behauptet, dass Israel gemäß der Bibel das Recht auf ganz Judäa und Samaria, die biblischen Bezeichnungen für das Westjordanland, und auch auf den Gazastreifen hat. Sobald sie an der Macht waren, beschleunigten sie den Bau jüdischer Siedlungen im Westjordanland mit dem Ziel eines “Groß-Israel”. Der Autor Ahron Bregman beschrieb dies in seinem Buch “Der verfluchte Sieg” als “einen großen Plan, um die Besatzung unumkehrbar zu machen”.

Auch die von der Labour-Partei geführten Regierungen in Israel haben den Siedlungsbau ausgeweitet, begründeten dies aber hauptsächlich mit Sicherheitsbedürfnissen und nicht mit Expansionismus. Nach 1967 erklärte sich die Labour-Partei bereit, Teile des Westjordanlandes abzutreten, allerdings nicht an die Palästinenser*innen, sondern an die jordanische Monarchie, da die Labour-Partei sich weigerte, die nationalen Rechte der Palästinenser*innen anzuerkennen.

Jabotinsky hatte bis zu seinem Tod im Jahr 1940 die jüdische Miliz Irgun angeführt. Menachem Begin, der die Irgun-Miliz 1943-48 anführte, war 1977 israelischer Premierminister an der Spitze des Likud. Begin leitete die Camp-David-Abkommen, die 1978 und 1979 mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat unterzeichnet wurden. Die Verhandlungen waren ursprünglich von US-Präsident Gerald Ford vorangetrieben worden und wurden unter seinem Nachfolger Jimmy Carter abgeschlossen. Als Gegenleistung dafür, dass Ägypten die Existenz Israels akzeptierte und ihm die Nutzung des Suezkanals gestattete, zog Begin Israel aus dem Sinai zurück, den die israelische Rechte nicht als Teil des “Landes Israel” betrachtete. Der Deal wurde durch die Zusage der USA versüßt, beiden Ländern Milliarden von Dollar an militärischer und anderer Hilfe zukommen zu lassen.  

Ägypten hatte auch eine formale Zustimmung zu einem “Rahmen” für die besetzten palästinensischen Gebiete erwirkt, damit diese eine eigene Autorität als Schritt auf dem Weg zu einem Staat erhielten und die UN-Resolution 242 umgesetzt wurde, aber die israelische Regierung wusste, dass sie die Umsetzung dessen, was sie als Wunschzettel abtat, behindern konnte.

Invasion im Libanon

Im März 1978 marschierte Israel in den Südlibanon ein, um gegen die Aktionen der PLO vorzugehen, die nun im Libanon ansässig war, zog sich aber nach einer Woche wieder zurück. 1982 führte Begins zweite Regierung eine weitreichendere Invasion durch, um die PLO zu zerstören, die syrische Armee aus dem Libanon zu vertreiben und die libanesischen christlichen Maroniten an die Macht zu bringen. Der israelische Verteidigungsminister Ariel Sharon führte eine grausame Belagerung des Westens von Beirut durch, die die PLO zwang, ihren Stützpunkt nach Tunis zu verlegen, das von den USA überwacht wurde. Der Krieg weitete sich dann zu einem grausamen Massaker an palästinensischen Geflüchteten und libanesischen Zivilist*innen in den Gebieten Sabra und Chatila in Beirut durch die rechtsgerichteten christlichen Phalanges aus, wobei Sharons Truppen das Gemetzel unterstützten. In Israel brach eine Anti-Kriegs-Bewegung mit Hunderttausenden von Menschen aus, und die Invasionstruppen zogen sich aus Beirut zurück und verschanzten sich in einem langwierigen Sumpf, in dem sie – bis zum Jahr 2000 – einen Streifen im Südlibanon gemeinsam mit der christlichen libanesischen “Südlibanon-Armee” besetzten.

Insgesamt war dieser Krieg ein großer Misserfolg für die israelische Führung, der zudem die Voraussetzungen für die Bildung der Hisbollah schuf, einer schiitischen libanesischen Organisation, die sich auf den rechten politischen Islam stützt, sich gegen die israelische Aggression richtet und vom Iran finanziert wird. Im April 1996 startete Israel einen Angriff auf die Hisbollah und führte 2006 erneut einen Monat lang Krieg gegen sie, wobei Hunderte von Menschen getötet wurden und die Hisbollah mit andauerndem Raketenbeschuss reagierte.

Erste Intifada

1987 brach in den besetzten Gebieten spontan eine massive Protestbewegung von Palästinenser*innen aus, die sechs Jahre lang andauerte und als “erste Intifada” bekannt wurde. Die gesamte Bevölkerung beteiligte sich an Massendemonstrationen und Streiks. Die IDF reagierte auf die unbewaffneten Menschenmengen mit Gummigeschossen, Wasserwerfern, Tränengas und Schüssen. Sie griff auch auf Ausgangssperren, Verhaftungen, die Schließung von Schulen, die Zerstörung von Häusern, Folter und Deportationen zurück.

Aber wie Avi Shlaim schrieb: “Die Intifada hat in ihren ersten Monaten mehr erreicht als jahrzehntelange militärische Operationen der PLO. Zumindest einige der israelischen Führer begannen einzugestehen, dass militärische Macht ihre Grenzen hat und dass es keine militärische Lösung für ein im Wesentlichen politisches Problem geben kann”. Shlaim zitierte einige Worte des Akademikers Shlomo Avineri: “Eine Armee kann eine Armee schlagen, aber eine Armee kann kein Volk schlagen”.

Die PLO-Führer in Tunis hatten keine Rolle beim Ausbruch der Intifada gespielt, aber sie griffen ein, um die Führung zu übernehmen. Unter dem Druck der Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen, die ein Ende der Besatzung forderten, beschloss die PLO 1988, die Existenz des israelischen Staates anzuerkennen, und sprach sich offiziell für eine Zwei-Staaten-Lösung aus: Die besetzten Gebiete sollten neben Israel zu einem palästinensischen Staat werden.

Dieser Vorschlag wurde von Yitzhak Shamir, dem Nachfolger von Begin im Likud, schnell abgelehnt. Shamir stammte ebenfalls aus dem politischen Umfeld Jabotinskys, hatte sich jedoch vor 1948 der von Avraham Stern angeführten Stern-Bande, einem Ableger der Irgun, angeschlossen. Wie eine Reihe anderer israelischer Führer hatte Shamir terroristische Gräueltaten genehmigt, darunter die Ermordung eines UN-Vermittlers im Jahr 1948. Dennoch haben diese israelischen Führer nie gezögert, die palästinensischen Milizen, die Gräueltaten verübt haben, als “terroristisch” zu verurteilen.  

Erster Golfkrieg und Oslo-Abkommen

Der Zusammenbruch des Stalinismus und die Rückkehr des Kapitalismus in der UdSSR und in Osteuropa in den Jahren 1989-91 haben die Weltbeziehungen tiefgreifend verändert. Es begann eine Zeit, in der der US-Imperialismus weltweit eine dominierende Rolle spielen konnte und die Eliten des Nahen Ostens nicht mehr zwischen zwei unterschiedlichen Wirtschaftssystemen manövrieren konnten. Ein wichtiges Beispiel für die sich rasch verändernden Beziehungen war die von den USA gebildete Koalition gegen Saddam Husseins irakische Invasion in Kuwait im Jahr 1990. Die Koalition umfasste 42 Länder, darunter die Sowjetunion, die Westmächte und viele arabische Staaten.

Um die arabischen Länder an Bord zu halten, schlossen die USA Israel aus der Koalition aus, obwohl Israel Unterstützung leistete. Nur zwei Monate nach Beginn des ersten Golfkriegs tötete die IDF 19 Palästinenser*innen in Jerusalem, was die Koalition gefährdete, weil es die unterschiedliche Haltung des US-Imperialismus gegenüber der irakischen Besetzung des ölreichen Kuwaits und der israelischen Besetzung, die er beiseite schob, deutlich machte.

Der Versuch, diese offensichtliche Doppelmoral zu überspielen, war einer der Gründe, warum die USA nach dem Krieg auf israelisch-palästinensische Friedensgespräche drängten. Saddam Hussein – der von der PLO unterstützt wurde – hatte sich als Verteidiger der Palästinenser*innen ausgegeben, indem er den Rückzug aus Kuwait mit dem Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten verknüpfte, so dass die Forderung der USA nach Verhandlungen über einen palästinensischen Staat Teil ihrer Propaganda gegen Hussein war. Der Hauptgrund für die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinenser*innen war jedoch, dass die erste Intifada noch immer wütete und durch die militärische Unterdrückung nicht eingedämmt werden konnte, so dass die US-amerikanische und die israelische Führung versuchten, sie durch Gespräche zu beenden. Sie hofften auch, die palästinensischen Milizen in den Gebieten, die sich auf den rechten politischen Islam stützten und an Unterstützung gewannen und immer kämpferischer wurden, zu umgehen.

Schamir hatte bereits in Betracht gezogen, die Intifada durch Zugeständnisse zu stoppen; 1989 brachte er die Idee einer begrenzten Autonomie für die Palästinenser*innen unter der Besatzung auf, zog sich dann aber davon zurück. Im Oktober 1991 begannen die Gespräche in Madrid, denen mehrere Runden in Washington folgten. Obwohl Schamir praktisch keine Zugeständnisse machte, verlor seine Regierungskoalition in Israel ihre Mehrheit, als zwei ultranationalistische Parteien aus Opposition zu den Gesprächen zurücktraten. Bei den darauffolgenden Parlamentswahlen im Juni 1992 brachten die israelischen Wählenden eine von der Labour-Partei geführte Regierung unter Rabin an die Macht, nachdem dieser eine Vereinbarung über die palästinensische Autonomie versprochen hatte. Dieses Wahlergebnis spiegelte den Wunsch der israelischen Bevölkerung nach einer Beendigung des sich wiederholenden Konflikts wider, der im Laufe der Jahrzehnte immer wieder zum Ausdruck kam, z. B. bei einer Friedensdemonstration mit 100.000 Teilnehmer*innen in Tel Aviv 1978 am Vorabend des Abkommens von Camp David oder bei der neunzigprozentigen Unterstützung für den Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon 1985.

Die Gespräche in Washington verliefen im Sande, aber in Oslo wurde heimlich ein eigener Vermittlungskanal eröffnet – zum ersten Mal direkt mit der PLO -, der 1993 zum Osloer Abkommen führte. Die israelische herrschende Klasse und ihre Strategen gaben aufgrund ihrer Unfähigkeit, die Intifada zu besiegen, ihre Politik der direkten militärischen Besatzung teilweise auf. Das Abkommen leitete jedoch eine Periode großer Enttäuschung und zunehmenden Blutvergießens ein, da sich die Bedingungen für die Palästinenser*innen nur verschlechterten. Es führte zur Einrichtung einer Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die einen Teil des Gazastreifens und nur 18 Prozent des Westjordanlandes in 14 voneinander getrennten Gebieten verwaltet. Israel behielt die direkte Kontrolle über sechzig Prozent des Westjordanlandes. Die übrigen 22 Prozent wurden gemischt verwaltet. Die israelischen Streitkräfte drangen weiterhin in palästinensische Gebiete ein, und die jüdischen Siedlungen mit der dazugehörigen Infrastruktur wurden ausgeweitet, wodurch Fakten geschaffen wurden, die einen palästinensischen Staat unmöglich erscheinen ließen.

Das Abkommen erwähnte nicht einmal einen palästinensischen Staat, der für Rabin – wie für jeden führenden pro-kapitalistischen israelischen Politiker – nicht in Frage kam. Rabin war im Krieg von 1967 Stabschef der Armee gewesen, und während der ersten Intifada hatte er die IDF aufgefordert, “Knochen zu brechen”; Brutalität war ihm nicht fremd. Nur weil die Brutalität die Palästinenser*innen nicht unterdrücken konnte und das Oslo-Abkommen Israel die Gesamtkontrolle über die palästinensischen Gebiete überließ, billigte er sie.

Heute gibt es über 700.000 Siedler im Westjordanland und in Ostjerusalem. Die meisten von ihnen leben aus finanziellen Gründen in den Siedlungen – Wohnraum ist dort billiger als in Israel -, aber eine Minderheit tut dies aus ideologischen Gründen, um Land im Westjordanland zu kolonisieren, wobei Mobs von ihnen regelmäßig palästinensische Dörfer angreifen, um zu versuchen, die Bewohner*innen zu vertreiben.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die zunächst von Arafat und später von seinem Fatah-Nachfolger Mahmood Abbas geführt wurde, wird von den Palästinenser*innen als korrupt verurteilt, da sich die Spitzenkräfte bereichern, während die einfachen Menschen in Armut leben. Sie agiert in Zusammenarbeit mit den israelischen Sicherheits- und Militärkräften als erste Linie der repressiven Polizeiarbeit. Obwohl sie auf diese Weise die Wünsche des israelischen Staates erfüllt, wurde sie von den israelischen Behörden häufig bestraft, indem sie Steuern und andere Gelder einbehielt, die von den Palästinensern eingezogen wurden und ihnen über die Palästinensische Autonomiebehörde zustehen – Teil einer gezielten Strategie zur Schwächung der PA. Heute ist die Palästinensische Autonomiebehörde so unpopulär, dass sich Präsident Abbas seit 17 Jahren weigert, Parlamentswahlen auszurufen, da er weiß, dass die Fatah nicht wiedergewählt werden wird.

Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus wurden linke palästinensische Organisationen wie die DFLP, die PFLP und die Kommunistische Partei immer verwirrter und demoralisierter und diskreditierten sich selbst, indem sie dem Nationalismus der Fatah hinterherliefen. Die Fatah hatte sich an die westlichen kapitalistischen Mächte gewandt, um Hilfe zu erhalten, und erwartete von ihnen, dass sie Druck auf Israel ausübten, damit es Zugeständnisse machte. Doch die westlichen Kapitalisten haben sich nie wirklich um die Völker in der Region gekümmert. Die schrecklichen Verwüstungen, die die von den USA und Großbritannien angeführten Koalitionen ab 2001 in Afghanistan und ab 2003 im Irak angerichtet haben, sind eine Erinnerung daran.

Die Angst vor dem revolutionären Potenzial der Massen im Nahen Osten war schon immer ein grundlegender Faktor für das Bündnis der USA mit der israelischen herrschenden Klasse und für die Unterstützung vieler arabischer Eliten. Einige der Gründe, die dem Bündnis zwischen den USA und der israelischen Führung zugrunde liegen, haben sich jedoch seit dem Zusammenbruch des Stalinismus verschoben, wobei ein Schlüsselfaktor das gemeinsame Interesse am Widerstand gegen die vom Iran angeführte antiwestliche imperialistische “Achse des Widerstands” geworden ist. Das Bündnis des US-Imperialismus mit der herrschenden Klasse Israels begrenzt die Interventionen der USA für Zugeständnisse an die Palästinenser*innen, obwohl sich die US-Präsidenten zuweilen gezwungen sahen, einen gewissen Druck auf Israel auszuüben, der den Druck auf ihre Regierung widerspiegelt. So hielt George H. W. Bush beispielsweise eine Darlehensgarantie in Höhe von 10 Milliarden Dollar für Israel zurück, um Schamir zur Aufnahme von Friedensgesprächen im Jahr 1991 zu bewegen.

Die gesamte Geschichte des Konflikts zeigt jedoch, dass die Palästinenser*innen kein Vertrauen in die imperialistischen Mächte, die arabischen Eliten oder die vom Iran angeführte Achse haben, um eine Lösung zu finden. Vielmehr war das übliche Ziel der meisten dieser kapitalistischen Regime der Versuch, die Unterdrückung der Palästinenser*innen zu stabilisieren. Einige der arabischen Eliten haben im Laufe der Zeit den Handel und die Beziehungen zu Israel intensiviert und dabei die Notlage der Palästinenser*innen ausgeklammert. Auf das Abkommen zwischen Israel und Ägypten folgte 1994 ein Abkommen mit Jordanien und 2020 ein Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko.

Hamas und Kampfmethoden

Im November 1995 wurde Rabin von einem rechtsgerichteten religiösen Juden ermordet, der das Olso-Abkommen ablehnte. Schimon Peres übernahm das Amt, verlor jedoch die Parlamentswahlen im Mai 1996 gegen Benjamin Netanjahu vom Likud, der die enttäuschenden Ergebnisse von Olso zu untergraben versuchte. Peres hatte in den Umfragen einen Vorsprung von zwanzig Prozent, aber Netanjahu profitierte von mehreren Selbstmordattentaten, bei denen 67 Israelis ums Leben kamen und die von der “Islamischen Widerstandsbewegung” Hamas in Opposition zu Oslo verübt wurden.

Die Hamas, ein Ableger der Muslimbruderschaft in Ägypten, der sich ebenfalls auf den rechtsgerichteten politischen sunnitischen Islam stützt, wurde kurz nach Beginn der ersten Intifada gegründet und bot wohltätige Dienste wie Gesundheit und Bildung an. In ihrer Gründungscharta forderte sie die Vernichtung Israels und einen islamistischen Staat auf der Grundlage der Scharia in ganz Palästina, erklärte sich aber später bereit, einen langfristigen Waffenstillstand einzugehen. 1989 verübte sie ihren ersten Anschlag auf Israel, bei dem zwei israelische Soldaten ums Leben kamen. Durch ihren bewaffneten Flügel wurde sie von vielen Palästinenser*innen aufgrund ihres kämpferischen Ansatzes und ihrer Ablehnung des Oslo-Abkommens im Gegensatz zur Untätigkeit der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde als Anführerin im Kampf gegen die Besatzung angesehen.

Ihre Aktionen und die der anderen palästinensischen Milizen stehen jedoch nicht unter demokratischer Kontrolle, und ihre Angriffe auf Zivilist*innen spielen der israelischen Rechten und ihrer kompromisslosen Rhetorik in die Hände. Das ist eine Konsequenz, die sich im Laufe des Konflikts immer wieder ereignet hat, so auch nach den Angriffen der PLO auf Zivilist*innen in den 1970er Jahren. Während solche Angriffe die Aufmerksamkeit auf die Unterdrückung der Palästinenser*innen lenken und die Verzweiflung der jungen Palästinenser*innen aufzeigen, die sich den Milizen anschließen, die sie verüben, können sie den israelischen Staat mit seiner massiven militärischen Überlegenheit nicht besiegen, und in jedem Fall dienen sie den Interessen der israelischen Rechten und der gesamten Agenda der israelischen Kapitalistenklasse und ihrer politischen Vertreter. Letztere können auf die Morde verweisen, um ihre nationalistische und rassistische Propaganda zu verstärken und eine große Schicht der israelischen Bevölkerung hinter den Einsatz massiver Feuerkraft zu bringen, mit dem falschen Versprechen für Sicherheit zu sorgen.

Dies bedeutet keineswegs, dass die Palästinenser*innen auf Waffen verzichten sollten. Im Gegenteil, sie haben das Recht auf bewaffneten Widerstand gegen die Brutalität, mit der sie konfrontiert sind. Aber ihr Widerstand muss die Form von Massenkämpfen und -aktionen unter der Kontrolle demokratisch gewählter Volkskomitees der Arbeiter*innenklasse und der Armen annehmen und sich gegen die Besatzung und nicht gegen israelische Zivilist*innen richten. Sie würden dann die wirksamsten Mittel des Kampfes aufbauen, und indem sie die Kräfte und die Infrastruktur der Besatzung ins Visier nehmen, wären sie besser in der Lage, an die israelischen Arbeiter*innen zu appellieren, sich den vom israelischen Staat durchgeführten militärischen Schlächtereien zu widersetzen, und das Ohr einer Schicht von ihnen zu gewinnen. Dieser Appell könnte auch Auswirkungen auf die Wehrpflichtigen in der israelischen Armee haben, von denen viele die Besatzung in Frage stellen. Dies wäre Teil eines Prozesses, der dazu beitragen würde, die Klassenspaltung in Israel aufzudecken und Verbindungen zwischen den palästinensischen Massen in den besetzten Gebieten und der Arbeiter*innenklasse in Israel herzustellen.

Dieser Ansatz würde sich deutlich von der Politik und den Methoden der palästinensischen Milizen unterscheiden, die in den Vordergrund getreten sind.

Die Doppelzüngigkeit und die Manöver der israelischen Führer zeigten sich, als sie den Vorläufer der Hamas, die Mujama al-Islamya, unterstützten, da sie diese als Gegengewicht zur PLO betrachteten und versuchten, eine linksgerichtete Opposition zur Fatah zu verhindern. Später förderte Netanjahu die Finanzierung der Hamas durch Katar, weil er die Feindseligkeit der Hamas gegenüber Israel als nützlich ansah, um die Unterstützung der Rechten in Israel zu stärken und Schritte in Richtung eines palästinensischen Staates abzuwehren.

Zweite Intifada

Weitere Gespräche mit der PLO, die 1999 in Camp David stattfanden, scheiterten. Die Verzweiflung über die schrecklichen Zustände in den palästinensischen Gebieten sowie die Frustration und Verzweiflung nach Oslo führten zum Ausbruch der zweiten Intifada im September 2000. Der Auslöser war eine Mega-Provokation von Scharon. Er betrat das Edle Heiligtum – die drittwichtigste religiöse Stätte der Welt für Muslime, die die al-Aqsa-Moschee und den Felsendom umfasst. Für Juden ist es der Tempelberg, auf dem sich einst jüdische Tempel befanden.

Die palästinensische Wut brach aus, zunächst als unbewaffneter Volksaufstand. Ahron Bregman argumentiert in seinem Buch “Der verfluchte Sieg” überzeugend, dass die israelischen Strategen ihn in einen gewaltsamen Aufstand verwandeln wollten, um Israels militärische Kapazitäten auszunutzen. Die IDF feuerten im ersten Monat der Intifada “schwindelerregende 1,3 Millionen Kugeln” ab und “schafften es tatsächlich, den Aufstand der palästinensischen Zivilbevölkerung allmählich in einen bewaffneten Aufstand zu verwandeln, bei dem … Gewehre die Steine ersetzten”.

Die IDF schickte Panzer, Kampfhubschrauber und Kampfjets. Diese Intifada hatte einen anderen Charakter als die erste Intifada. An die Stelle von Massenaktionen traten individuelle und gruppenweise Terroranschläge, die auf israelische Zivilist*innen abzielten. Dies wiederum spielte den rechtsgerichteten Reaktionären in Israel in die Hände und führte dazu, dass Scharon die Wahlen 2001 gewann. Um dem Friedenswillen in Israel Rechnung zu tragen, versprach Scharon, die Friedensgespräche fortzusetzen, was jedoch eine grobe Täuschung war, da er nie Schritte in Richtung einer Endstatusregelung für die palästinensischen Gebiete unternahm.

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten in israelischen Städten begann er 2002 mit der Invasion und Wiederbesetzung von Städten im Westjordanland im Rahmen der “Operation Schutzschild” (engl.: Operation Defensive Shield), wobei Häuser und Krankenhäuser zerstört und rund 500 Palästinenser*innen getötet wurden. Der Ausbau der Siedlungen wurde fortgesetzt, und die Regierung Scharon begann mit dem Bau einer massiven Sicherheitsmauer im Westjordanland, mit der ein Streifen des Westjordanlandes an Israel angegliedert wurde. Dieser repressive Akt wurde von vielen Israelis unterstützt, die sich davon ein Ende der Selbstmordattentate erhofften. Für die Palästinenser*innen im Westjordanland brachte sie weitere Qualen mit sich, denn sie trennte viele von ihrem Land und wurde zu einem zusätzlichen Hindernis für diejenigen, die zu Arbeitsplätzen innerhalb Israels reisen wollten – was von den israelischen Behörden ohnehin oft eingeschränkt oder ganz verhindert wurde. Während des gesamten Wachstums der israelischen Wirtschaft hat die israelische Führung darauf geachtet, niemals auf palästinensische Arbeitskräfte angewiesen zu sein, und in den letzten Jahren stattdessen Arbeitskräfte aus Ländern wie Thailand importiert.

Im Jahr 2003 mischte sich Tony Blair ein, frisch von der Invasion im Irak, und führte eine “Roadmap” des Quartetts aus UN, EU, Großbritannien und USA an. Später im Jahr 2003 kam eine weitere Initiative hinzu – die Genfer Vereinbarung. Scharon sorgte dafür, dass diese begrenzten Interventionen ins Leere liefen, und versuchte, sie durch einen eigenen Plan zu ersetzen: den einseitigen Rückzug aus dem Gazastreifen. Dies geschah 2005 mit dem Abzug der Siedler*innen aus dem Gazastreifen, nicht als Zugeständnis an die Palästinenser*innen, sondern um die am schwierigsten und teuersten zu schützenden Siedlungen zu entfernen und den Streifen in ein Gefängnis mit Blockaden zu verwandeln. Sein leitender Berater, Dov Weiglass, sagte unverblümt: “Die Bedeutung des Rückzugsplans ist das Einfrieren des Friedensprozesses. Und wenn man diesen Prozess einfriert, verhindert man die Gründung eines palästinensischen Staates”.

Israels herrschende Klasse kam zu dem Schluss, dass die Palästinenser*innen militärisch nicht unterworfen werden könnten, dass die Besatzung teuer sei und dass die relative Geburtenrate dazu führen würde, dass die Palästinenser*innen in allen von Israel kontrollierten Gebieten die Jüd*innen zahlenmäßig übertreffen würden, so dass eine erzwungene Trennung im besten Interesse Israels sei, nicht zuletzt, um es als mehrheitlich jüdischen Staat zu erhalten. In diesem Zusammenhang erhielt Scharon die schriftliche Unterstützung von US-Präsident George W. Bush, damit Israel die sechs wichtigsten Siedlungsblöcke beibehalten und den palästinensischen Geflüchteten jegliches Recht auf Rückkehr verweigern konnte. Der Rückzug aus dem Gazastreifen beinhaltete die Evakuierung von nur zwei Prozent der Gesamtzahl der Siedler*innen. Scharon machte sich daran, die Zahl der Siedler*innen im Westjordanland um weit mehr als diese zwei Prozent zu erhöhen, und plante unter anderem, Ostjerusalem einzukreisen.

Der Rückzug brachte den Menschen in Gaza keine Freiheit. Die IDF behielt die Kontrolle über das Land, die Luft und das Meer rund um den Streifen, mit Ausnahme der Südgrenze, die von Ägypten überwacht wird. Den Bewohner*innen des Gazastreifens wurde eine kollektive Bestrafung auferlegt, indem der Verkehr aus dem Streifen und die Einfuhr von Waren stark eingeschränkt wurden. Die Besatzung hatte nur eine andere Form angenommen.

Hamas im Jahr 2006 gewählt

Es hätte niemanden überraschen dürfen, dass die Hamas die Wahlen zur Palästinensischen Autonomiebehörde 2006 unter dem Motto “Wandel und Reform” gewann, was für die Fatah eine vernichtende Niederlage bedeutete. Doch selbst die Hamas war davon überrascht und unternahm Schritte, um die Macht mit der Fatah zu teilen. Die westlichen kapitalistischen Medien schrien alarmiert auf, dass “Terroristen” die Wahl gewonnen hätten, sagten aber wenig über den massiven staatlichen Militärterror, den die Palästinenser*innen von Israel erdulden mussten. US-Agenten intervenierten in Zusammenarbeit mit Israel und versuchten zu verhindern, dass die Hamas an der Führung der PA beteiligt wird. Indem sie ein nicht gewähltes prowestliches Fatah-Regime gegen die gewählte Hamas begünstigten, ermutigten sie die Fatah zu einem gewaltsamen Machtkampf mit der Hamas, wobei die USA und eine Reihe anderer Länder den militärischen Kräften der Fatah-PA militärische Hilfe zukommen ließen. Die daraus resultierenden Zusammenstöße führten dazu, dass die Hamas im Gazastreifen regierte, während die Fatah weiterhin das Westjordanland kontrollierte.

Die Blockade des Gazastreifens wurde verschärft, und es kam zu regelmäßigen Raketenangriffen auf palästinensische Kämpfer und Zivilist*innen im Gazastreifen, wobei etwa zehnmal mehr Menschen im Gazastreifen durch den Raketenbeschuss Israels getötet wurden als israelische Zivilist*innen durch verschiedene palästinensische Milizen.

Ende 2008 begann die IDF mit der Operation Gegossenes Blei (engl.: Cast Lead) einen Krieg gegen den Gazastreifen, um die Hamas zu zerschlagen. In dem dreiwöchigen Krieg wurden mehr als eintausend Palästinenser*innen und 13 Israelis getötet. Das Parlamentsgebäude im Gazastreifen wurde zerstört, ebenso wie etwa 4000 weitere Gebäude. Nur wenige Menschen im Gazastreifen haben Zugang zu verstärkten Schutzräumen und Bunkern, während sie einem Großteil der israelischen Bevölkerung zur Verfügung stehen. Außerdem verfügt Israel über sein Iron-Dome-System, das die meisten Raketen abfängt.

In den Jahren 2012, 2014, 2021 und 2023 wurden weitere schreckliche Kriege gegen den Gazastreifen geführt, die von israelischen Militärs abfällig als “Rasenmähen” bezeichnet wurden. Jedes Mal richtete die IDF Massentötungen und Terror an. Keiner der Kriege kann die Hamas auslöschen, da ihre Ideologie durch eine Schicht der palästinensischen Bevölkerung weiterleben kann – das heißt, bis sich eine alternative Kampfmethode anstelle der Hamas und der anderen palästinensischen Parteien aufbaut, die allesamt keine Lösung haben.

Der Krieg von 2021 begann, als Milizen aus dem Gazastreifen Proteste gegen die Vertreibung von Palästinenser*innen im Ostjerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah und gegen die Unterdrückung von Palästinenser*innen in und um die al-Aqsa-Moschee mit Raketenbeschuss beantworteten. Die Proteste weiteten sich auf die palästinensischen Städte im Westjordanland und auf palästinensische Gemeinden innerhalb Israels aus, wo es aufgrund von Provokationen durch ultranationalistische jüdische Banden zu gewaltsamen Zusammenstößen kam. Der israelische Staat sah sich daher mit gleichzeitigen Unruhen der Palästinenser in allen Teilen der besetzten Gebiete und in israelischen Städten konfrontiert, die in einen palästinensischen Generalstreik mündeten.

Diese Geschichte des Konflikts wurde im November 2023 geschrieben, als der bisher schlimmste Krieg gegen Gaza stattfand. Zuvor waren in dem Konflikt seit dem Jahr 2000 10.655 Palästinenser*innen und 1330 Israelis ums Leben gekommen. Diese beiden Zahlen haben sich innerhalb von nur fünf Wochen verdoppelt, und die erstgenannte Zahl wird sich wahrscheinlich verdreifachen oder sogar weiter vervielfältigen. Der beispiellose Angriff der Hamas und des Islamischen Dschihad auf israelische Militärstützpunkte und Wohngebiete am 7. Oktober 2023 löste in Israel eine gewaltige Schockwelle aus. Das Ausmaß des Angriffs veranlasste viele israelische Jüd*innen, ihn als den Beginn einer Periode erhöhter existenzieller Bedrohung Israels zu betrachten, weshalb sie sich sich mit überwältigender Mehrheit hinter die Reaktion der Netanjahu Regierung zu stellen, die der gefangengehaltene Bevölkerung im Gazastreifen schreckliche Verwüstungen, Vertreibung und Traumata zufügte. Gleichzeitig war die Wut auf die Regierung groß, weil sie die von der Hamas geführten Angriffe nicht verhindert hatte.

Netanjahu führt bereits zum sechsten Mal eine Regierung, wobei zwei der rechtsextremsten Parteien Teil seiner Koalition sind. Sie schüren offen die Rassentrennung, bedrohen das muslimische Gebet am Tempelberg und wollen die Palästinenser*innen weiter aus dem gesamten Land vertreiben, das sie als jüdisch deklarieren. Die etablierte Rechte in Israel hat sich ihrem Druck in vielerlei Hinsicht gebeugt; so bezeichnete Netanjahu den Krieg gegen Gaza im Jahr 2023 als “zweiten Unabhängigkeitskrieg”, während der erste der Krieg von 1947-49 mit seiner Massenvertreibung der Palästinenser*innen gewesen sei. Obwohl die israelische extreme Rechte besonders aufrührerisch und gefährlich ist, sind alle israelischen Regierungen bereit, mit brutaler Gewalt gegen die Palästinenser*innen vorzugehen und ihnen die Selbstbestimmung zu verweigern.

Israelische Arbeiter*innenklasse

Israel ist eine kapitalistische, klassenbasierte Gesellschaft mit dem zweithöchsten Grad an Ungleichheit in der industriell entwickelten Welt. Der Lebensstandard der Mehrheit der Israelis wurde durch niedrige Löhne, exorbitante Wohnkosten, Inflation und Kürzungen bei Dienstleistungen und Sozialleistungen ausgehöhlt.

Es gab zahlreiche Arbeiter*innenstreiks – einschließlich einiger Generalstreiks – und Kämpfe auf kommunaler Ebene. Im Jahr 2011 brach eine Massenbewegung gegen die Wohnungskrise aus und weitete sich auf andere Themen aus, inspiriert von den Aufständen, die in jenem Jahr die arabischen Länder erschütterten. Ab Dezember 2017 gab es regelmäßig große Proteste gegen Netanjahu wegen der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe, und im Januar 2023 begann eine neunmonatige Massenbewegung – die größte aller Zeiten – gegen die Einschränkung der Rechte der Justiz durch die Regierung bzw. gegen die Regierung selbst. Es gab auch viele Kämpfe von Minderheiten in Israel: zum Beispiel von palästinensischen Staatsbürger*innen Israels, äthiopischen Jüd*innen und von Beduin*innen, um nur einige zu nennen.

Gewöhnliche Israelis sind mit dem Zustand ihres Landes sicherlich nicht zufrieden, und die Auswanderungsrate ist hoch. Middle East Monitor berichtet, dass das häufigste Wort bei Google-Suchen in Israel “auswandern” geworden ist (6.10.23). Die Unterstützung für die Labour Partei ist in den letzten drei Jahrzehnten deutlich eingebrochen, und es herrscht Ernüchterung gegenüber allen großen politischen Parteien. Außerdem haben sich immer mehr junge Israelis dem Militärdienst entzogen. Dieser Trend wurde durch den Krieg von 2023 vorübergehend gestoppt, aber wenn der Krieg wieder einmal keine Lösung hervorbringt, werden die Fragen und die Enttäuschung sicherlich wieder zunehmen.

Jeder Krieg hat zu einem Anstieg der Belagerungsmentalität in Israel geführt und die Israelis dazu gebracht, den Einsatz militärischer Gewalt zu unterstützen. Einige linke Organisationen glauben fälschlicherweise, dass dies für immer der Fall sein wird – dass der Nationalismus in der israelischen Arbeiter*innenklasse für immer vor der Unterstützung für die Rechte der Palästinenser*innen stehen wird. Aber die Ursache und treibende Kraft des Konflikts waren immer die imperialistischen Mächte und die israelische herrschende Klasse und nicht die einfachen Israelis, die davon nichts zu gewinnen haben. Mehrfach hat eine Mehrheit bereits ihre Unterstützung für Friedensprozesse und einen eigenen Staat für die Palästinenser*innen zum Ausdruck gebracht, aber die Interessen der herrschenden Klasse haben sich immer wieder durchgesetzt.

Das bedeutet nicht, dass die Palästinenser*innen auf israelische Arbeiter*innen warten sollten, um den israelischen Kapitalismus herauszufordern. Neben den Intifadas gab es viele andere Massenmobilisierungen von Palästinenser*innen, die einen Weg für zukünftige Kämpfe zur Durchsetzung ihrer Interessen aufzeigen. Von Demonstrationen am Gaza-Zaun 2018/19 bis zu Streiks von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und anderen. Eine dritte Intifada ist notwendig, nur dieses Mal demokratisch organisiert und auf Grundlage sozialistischer Ideen.

Die palästinensischen Arbeiter*innen müssen zudem ihre eigene politische Partei aufbauen, die die prokapitalistischen Parteien im Westjordanland und im Gazastreifen herausfordern kann. Dasselbe gilt für Israel: Es muss eine israelische Arbeiter*innenmassenpartei aufgebaut werden. Da keine Lösung des Konflikts möglich ist, wenn die Interessen der kapitalistischen Klasse und ihres verrotteten Systems gewahrt bleiben, müssen diese Parteien sozialistische Programme zur Beseitigung des Kapitalismus annehmen. Öffentliches Eigentum an den wichtigsten Unternehmen und eine demokratisch kontrollierte Wirtschaftsplanung würden bedeuten, dass die notwendigen Ressourcen geschaffen werden könnten, um Armut zu beseitigen und den Lebensstandard auf beiden Seiten zu erhöhen, und zwar mit ökologisch nachhaltigen Methoden.

Die Überwindung des Kapitalismus mit seinem Bedarf an Wettbewerb und Märkten würde auch die Grundlage für die Überwindung des Konflikts liefern. Demokratisch gewählte Vertreter*innen beider Seiten wären in der Lage, Lösungen auf Grundlage von Zusammenarbeit auszuhandeln, unter Wahrung der Minderheitenrechte und wenn gewünscht in zwei sozialistischen Staaten (Hervorhebung durch Übersetzer).

Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre, einschließlich der repressiven und spaltenden Maßnahmen des israelischen Regimes und der Erfahrungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde, hat die palästinensische Bevölkerung heute die Hoffnung verloren, dass zwei Staaten erreicht werden können oder realisierbar sind. Auch in Israel ist nach den vielen enttäuschten Hoffnungen im Friedensprozess die Skepsis gegenüber einer Zweistaatenlösung weit verbreitet. Die Idee von zwei Staaten ist jedoch auf beiden Seiten viel akzeptabler als “ein Staat für zwei Völker”, denn die Erfahrung im Rahmen des Kapitalismus besteht in einem wachsenden Misstrauen durch Jahrzehnte des Blutvergießens, in der verständlichen Angst, in einem Staat diskriminiert zu werden und keine nationalen Rechte zu erhalten, und in Israel in der Angst vor einer Verschlechterung des Lebensstandards.

Unter den heutigen Bedingungen entspricht also das Programm der “sozialistischen Zwei-Staaten-Lösung” eher den Bestrebungen auf beiden Seiten als das Programm der “sozialistischen Ein-Staat-Lösung”, auch wenn mit der Entwicklung des politischen Bewusstseins darüber, was echter Sozialismus in Bezug auf die Verteidigung der Rechte und die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen bedeutet, dass die Frage der Staatsform nicht unberührt bleiben wird. Auf der Grundlage des Aufbaus von Massenbewegungen palästinensischer und israelischer Arbeiter*innen, die die nationalen und demokratischen Rechte der Palästinenser*innen und Israelis verteidigen, in Verbindung mit einem sozialistischen Programm zum Bruch mit dem Kapitalismus, wäre es möglich, eine Lösung zu finden, die auf demokratischen Verhandlungen und einer Einigung zwischen palästinensischen und israelischen Arbeiter*innenvertreter*innen beruht. Diese Diskussionen werden bestimmen, wo es welche Grenzen geben wird, wenn überhaupt.

Im Kapitalismus verschlechtern sich die Bedingungen für die überwältigende Mehrheit der Menschen in der gesamten Region mit der Zeit. Die verrotteten, diktatorischen arabischen Regime müssen ebenso gestürzt werden wie die herrschende Klasse in Israel und die Eliten in den palästinensischen Gebieten. Eine sozialistische Konföderation des Nahen Ostens auf freier und gleicher Basis muss aufgebaut werden, die alle Ressourcen unter demokratische Kontrolle der Arbeiter*innen und Armen stellt.

Das CWI kämpft für:

  • Den Abzug aller israelischen Streitkräfte aus den palästinensischen Gebieten.
  • Das Recht der Palästinenser*innen, sich gegen Unterdrückung und Aggression zu wehren.
  • Einen palästinensischen Massenkampf für eine echte nationale und soziale Befreiung. 
  • Die Errichtung von öffentlichen, demokratisch kontrollierten Komitees, die den Kampf anführen und das Recht haben, bewaffneten Widerstand zu leisten.
  • Die nationale Befreiung der Palästinenser*innen und ihr Recht auf Selbstbestimmung, im Hinblick auf einen unabhängigen sozialistischen Staat.
  • Den Aufbau direkter Verbindungen zwischen den Arbeiter*innen auf beiden Seiten der nationalen Kluft.
  • Den Aufbau demokratischer und unabhängiger Arbeiter*innenparteien sowohl in den palästinensischen Gebieten als auch in Israel.
  • Das Recht der Israelis auf Selbstbestimmung durch ein sozialistisches Israel an der Seite eines sozialistischen Palästinas, mit vollen Rechten für Minderheiten.
  • Einen Kampf der Massen der arabischen Staaten gegen die diktatorischen kapitalistischen arabischen Führungseliten. Für eine freiwillige sozialistische Konföderation des Nahen Ostens.

Dieser Artikel erschien im englischen Original am 6. Dezember 2023 auf socialistworld.net