AfD: Eingefasst in einem Korsett aus rechtsextremen Verbindungen, zahlungskräftigen Unternehmern und windigen Netzwerkern
„Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’“, lautete ein geflügeltes Wort mittelalterlicher Minnesänger, welches Handlungsanweisung und Bekenntnis zugleich war. Freischaffende Sänger zogen von Hof zu Hof und gewöhnten sich daran, jenen Fürsten melodische Lobpreisungen zu dichten, von denen sie ausgehalten wurden.
Verglichen mit der AfD im 21. Jahrhundert hatten jene Troubadoure den Vorzug, dass sie hierüber sich und ebenso anderen Rechenschaft ablegten und ganz nebenbei ein Bonmot in die Welt setzten, welches das Handeln von so mancher Größe der AfD heute gut erklären könnte.
Von Steve Hollasky, Dresden
Versucht man den undurchdringbaren Nebel des zwar um die AfD angelegten, doch längst in sie hineinreichenden Beziehungsgeflechts zu durchdringen, stellt man sich einer letzten Endes kaum lösbaren Aufgabe.
Das vergangenen November in Potsdam abgehaltene Treffen schlägt längst hohe Wellen. Der Österreicher Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung (IB), stellte dort seinen Masterplan für Remigration vor. Er ließ er keinen Zweifel daran, was er darunter versteht: Massenweise Abschiebung, selbst Menschen mit deutschem Pass sollen nicht verschont werden, ebenso politisch missliebige Personen.
Unterschrieben waren viele Einladungen zu diesem Treffen der Auserwählten, das zu betreten einem ausschließlich per persönlichem Anschreiben und der Zahlung von 5000 Euro erlaubt war, von einem gewissen Hans-Christian Limmer. Der ehemalige Besitzer von „Backwerk“ und spätere Anteilseigner von „Hans im Glück“ bewegt Millionen auf die Vermögenswaage. Er selbst gibt inzwischen an, von nichts gewusst zu haben. Weder wollte er über Sellners Vortrag im Bilde gewesen sein, noch habe er an der Organisation des Treffens teilgenommen.
Limmer, das werden wir noch sehen, ist beileibe nicht der einzige aus AfD-nahen Netzwerken, der an einer sehr eigenwilligen Art der Amnesie zu leiden scheint. Immerhin distanzierte er sich auf Presseanfrage von den Inhalten des Treffens in Potsdam.
Wer einen Blick in Limmers Vergangenheit wirft, der beginnt an der Aufrichtigkeit seiner vorgebrachten Schwüre zu zweifeln. Für kurze Zeit war Limmer schon vor etwa 20 Jahren Miteigentümer einer Liegenschaft im sächsischen Borna, in der auch der Verein „Gedächtnisstätte“ ein Zuhause fand.1 Der betreibt gänzlich ungeniert Geschichtsumschreibung in national-“sozialistischer“ Manier und holt Neonazis und Rechtsextremisten aller Couleur an die Tische seiner Veranstaltungen. Eingefädelt hatte den Kauf Limmers Vater. Der war „eine bekannte Person in der extremen Rechten“, urteilte schon im Mai 2008 „Belltower News“ auf seiner Internetseite. Im Zuge einer Hausdurchsuchung drei Jahre vor erwähntem Bericht fand man bei Karl Limmer gar „holocaustleugnende Unterlagen“, wie derselbe Artikel festhält.2
Bei der Eröffnung der Immobilie soll auch Ursula Haverbeck, die aktuell wohl bekannteste, in rechtsextremen Gruppen sicherlich beliebteste und längst rechtskräftig verurteilte Holocaustleugnerin der Republik, anwesend gewesen sein.3 Deren Teilnahme dürfte wenig überraschend gewesen sein, hatte sie doch den Verein 1992 ins Leben gerufen.4
Doch nicht nur Limmers dicke Brieftasche soll eine Rolle gespielt haben. Der eigentliche Organisator des Treffens, Gernot Mörig, nannte eine ganze Liste von Finanziers während des Treffens. Zu ihnen zählt auch Gloria von Thurn und Taxis.5 Auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks (BR) stritt sie Zahlungen an Mörig ab.6 Gegenüber dem BR gab sie noch zu Protokoll, sie habe zu den auf den Treffen besprochenen Themen „keine Meinung“ und über die Absicht Menschen zu deportieren, müsse aus ihrer Sicht die Politik entscheiden.7 Distanzierungen, und seien sie auch nur halbherzig, lesen sich anders.
Jüngste Untersuchungen haben zudem scheinbar auch die Teilnahme von Mörigs Sohn, Arne Friedrich Mörig, an der Zusammenkunft in Potsdam belegt.8 Brisant hieran ist dessen Verhältnis zur AfD: Er „soll für den Parteivorstand gearbeitet haben“, informiert n-tv auf seiner Internetpräsenz.9 Bezahlt wurde er aus Mitteln, die dem Vorstand der AfD zur Verfügung stehen und über die Alice Weidel verfügen kann.10
Auf dem Treffen soll der Sohn des Einladers einen Vortrag „über eine rechte Influencer-Agentur gehalten haben“, wie t-online berichtet.11 Der Inhalt der Rede dürfte für Mörig den Jüngeren kein Neuland gewesen sein. Immerhin hatte er dem Bundesvorstand der AfD bereits ähnliche Vorschläge unterbreitet. Nachdem seine Teilnahme an dem Treffen öffentlich wurde, hat der Bundesvorstand der Rechtspopulist*innen anscheinend Konsequenzen gezogen und Arne Friedrich Mörig entlassen.12
Nicht das erste Treffen
Der Kreis, der da in Potsdam fleißig rechtsextremistische Fieberträume phantasierte, war von Mörig nicht das erste Mal zusammengerufen worden. Bereits 2021 hielt Mörig das „Düsseldorfer Forum“, so der wohl klingende Titel, ab. Damals soll auch Parteichef Tino Chrupalla zugegen gewesen sein, wie Nachforschungen von „Zeit online“ zu belegen scheinen. Dazu befragt, gab Chrupalla vor, er könne sich schlichtweg nicht erinnern. Gedankt wurde dem Mann mit dem leistungsschwachen Gedächtnis dennoch in einem Brief nach der Zusammenkunft für seine Teilnahme.13 Damals war Mörigs Absicht Geld für ein rechtsextremistisches Medienprojekt zusammenzukratzen.
Man hoffte wohl die Finanzierung für den Kauf des Radio- und Fernsehsenders Nice TV in Berlin zu sichern.14
Dass selbst Größen der AfD hinter geschlossenen Fensterläden seine Nähe suchen, dürfte Beleg genug sein, dass Mörig weit mehr als nur ein paar Kröten zusammenbringen kann.
Der Mitteldeutsche Rundfunk (mdr) verwies zudem in einem Bericht vom 14. Januar diesen Jahres unter Bezug auf das Onlinemagazin „Correctiv“ auf interne Emails, die beweisen sollen, dass es sich bei dem Treffen in Potsdam im November bereits um das siebente seiner Art gehandelt haben soll.15 So sei es bei diesen Zusammenkünften darum gegangen, „politisch einflussreiche Menschen mit potenten Geldgebern aus Unternehmen zu vernetzen, um einen politischen Umschwung folgen zu lassen“, wie sich der mdr auf seiner Internetseite ausdrückt.16
Feine Herren mit Geld
Im November letzten Jahres war Sellner von der Identitären Bewegung der Hauptredner auf dem „Düsseldorfer Forum“. Er dürfte viele seiner rassistischen Ideen von Götz Kubitschek bezogen haben. Der Kopf des rechtsextremistischen Antaios-Verlags und des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) gilt als graue Eminenz der sich intellektuell dünkenden extremen Rechten. Sein IfS war bei den Führungsgrößen der AfD von Höcke bis Weidel eine gern gesehene Tribüne.17 Ein Auftritt in Schnellroda, dem Sitz von Kubitschek, kommt einem Ritterschlag innerhalb der extremistischen Rechten gleich.
Zuletzt dürften sich Kubitschek und Sellner im Sommer 2023 in Peter Kurths Privatwohnung begegnet sein.18 Der frühere Finanzsenator von Berlin ist zwar Mitglied der CDU, spendet aber dennoch schon mal für die AfD.19 Da wundert es wenig, wenn auch Berlins AfD-Landeschefin Kristin Brinker mit von der Partie war, wie der „Tagesspiegel“ am 17. Januar berichtete.20
Auf der ganz privaten Veranstaltung war auch Maximilian Krah anwesend. Der Spitzenkandidat der AfD bei der Europawahl im Juni, gilt zurecht als Vertrauter von Björn Höcke.
Kurth hatte bereits 2019, als er selbst noch Mitglied der CDU war, der Firma „Schanze eins“ den Betrag von 120.000 Euro gespendet. „Schanze eins“ ist stetig bemüht für rechtsextreme Projekte Geld aufzutreiben. Nur einen Tag nach der Überweisung Kurths, erhielt ein weiterer Mittelsmann von der zuvor bedachten Firma 200.000 Euro, um damit im österreichischen Steyregg bei Linz ein Gebäude zu erwerben, das als Hausprojekt der Identitären dient.21 Schon damals spekulierte der Bürgermeister über deutsche Geldgeber. Im Haus waren später immer wieder AfD-Politiker zu Gast.22
Auch Höcke konnte sich in den letzten Jahren über fehlendes Protegieren kaum beschweren. In der ersten Hälfte des letzten Jahres spendete der Bauunternehmer Hartmut Issmer der AfD 265.000 Euro.23 Der aus Hessen stammende Millionär prahlt schon mal mit persönlichen Beziehungen ins Lager des offiziell aufgelösten völkischen „Flügels“. An der Spitze der AfD-internen Fraktion stand Björn Höcke, als dessen Unterstützer sich Issmer, nach eigenem Bekunden, versteht.24 Der Mann, der vor einer „Weltdiktatur der internationalen Hochfinanz mithilfe einer linken Ökodiktatur“ warnt,25 steckt selbst mal schnell mehr als eine Viertelmillion Euro in die AfD – für Issmer wohl die viel zitierten Peanuts.
Höcke und Issmer kennen einander auch persönlich: Nachdem der Chef einer Kneipe, die er von Issmer gepachtet hatte, den vom rechtsextremen Bauunternehmer geforderten AfD-Stammtisch nicht organisierte, war es Issmer höchstselbst, der zum gemütlichen Beisammensein einlud.26 „AfD-Rechtsaußen Höcke war einer der ersten Gäste“ berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).27
Auch publizistisch erhielt Höcke, beziehungsweise sein AfD-Landesverband in Thüringen, Rückenwind durch die Zeitschrift „Wahlhelfer“.28 Das 16-seitige Blatt war wohl ein Projekt der „Vereinigung der Freien Medien“ und wurde in einer Auflage von mehreren hunderttausend Stück an private Haushalte verteilt. Im Impressum der Zeitung finden sich Vera Lengsfeld und der Blogger Hanno Vollenweider als Verantwortliche im Sinne des Presserechts.29 Beide stehen in den Vereinslisten als Mitglieder. Mit dabei auch der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte, islamfeindliche Blogger Michael Stürzenberger. Um das Quartett voll zu machen ist auch David Bendels Teil der Vereinigung.30 Dem vormaligen CSU-Mitglied Bendels wird nachgesagt, „Millionen Euro aus unbekannten Quellen für Wahlkampagnen zugunsten der AfD“31 ausgegeben zu haben. Zugleich ist er Kopf des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, hinter dem zwölf Millionäre stehen, die als Geldgeber fungieren, deren Namen aber nicht genannt werden.32
Das vor seinem Tod auch August Baron von Finck dazugehört hat, kann man vermuten, beweisen lässt es sich nicht.33
Bereits 2013, also im Jahr der Gründung der AfD, formulierte ein etwas mehr als zwanzig Seiten langes Papier der CDU-nahen „Konrad-Adenauer-Stiftung“ unter anderem den Verdacht, dass der Besitzer von Mövenpick der damals neu gegründeten rechtspopulistischen Partei finanziell unter die Arme griff. Lanciert hatte den Verdacht seinerzeit die Zeitung „Die Welt“ auf ihrer Internetpräsenz in Gestalt des stellvertretenden Chefredakteurs Robin Alexander höchstselbst.34 Mittelsfrau soll Beatrix von Storch gewesen sein. Die AfD-Politikerin bestritt das gegenüber der „Welt“.35 Auch Nachforschungen des „Spiegels“ verweisen aber darauf, dass der schwerreiche Unternehmer zu den frühen Gönnern der AfD zählte.
Den AfD-nahen „Deutschland Kurier“, dessen Chefredakteur Bendels war, konzipierte von Finck über seinen Vertrauten, den Geschäftsmann Ernst Knuth Stahl, wohl mit, zumindest legt das ein Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ aus dem Jahr 2018 nahe.36 Die massive Verteilung dieser Zeitung veranlasste das Internetportal „Lobbypedia“ zu der Feststellung, der „Deutschland-Kurier“ sei „de facto eine Fortsetzung der Wahlwerbung für die AfD mit anderen Mitteln“ gewesen.37 Dem Baron, dessen Vater von der Arisierung von Banken im Eigentum jüdischer Besitzer profitierte, saß das Spendengeld, wenn es um rechte und rechtsextreme Anliegen ging, schon immer eher locker. Mit sechs Millionen Euro alimentierte er eine Kampagne des „BürgerKonvents“38, der bis 2015 existierte und in dem Vera Lengsfeld ein weiteres mal eine bedeutende Rolle spielte, ebenso wie Beatrix von Storch.
Von Finck rief 2010 die Degussa Goldhandel GmbH ins Leben, dessen zeitweiliger Sprecher Markus Krall war, der als Redner durch AfD-Veranstaltungen tingelte und forderte, dass Transferleistungsempfänger*innen sich entweder für den Bezug von Wohn- und Kindergeld und damals Arbeitslosengeld II, heute Bürgergeld, oder für die Ausübung des Wahlrechts zu entscheiden hätten. Eine Entscheidung, die für viele Menschen keine wäre, denn sie könnten sich kaum den Verlust von staatlichen Transferleistungen leisten und müssten demnach auf ihr Recht zu wählen verzichten.
Der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ mietete in der Bundestagswahl 2017 große Werbeflächen für Plakate, die offiziell keine AfD- Poster waren, aber zur Wahl der AfD aufriefen. Dabei dürfte der Verein lediglich als Tarnorganisation fungiert haben. Genügend Geld, um eine millionenschwere Kampagne diesen Ausmaßes finanzieren zu können, fand sich zumindest auf dem Konto des Vereins nie.39
Bei den Planungstreffen des Vereins waren auch Mitarbeiter der Goal AG, einer Werbefirma, anwesend.
Henning Conle wiederum, der milliardenschwere Immobilienbesitzer spendete für Alice Weidel 132.000 Euro zur Verbesserung ihres Social-Media-Auftritts.40 Da diese Art der Parteienspenden illegal sind, versuchten die Beteiligten die Spenden zu verschleiern, teilten sie in Tranchen ein und besorgten bestochene Strohmänner und -frauen, die angaben, die Spenden kämen von ihnen.41 Die Recherchen von WDR investigativ, die den Sachverhalt aufdeckten, riefen auch die Bundestagsverwaltung auf den Plan.42 Die stellt der AfD 2020 einen Strafbescheid in dreifacher Höhe der Spende zu. Alice Weidel zahlte die Spende später wieder zurück.
Alice Weidel wiederum trifft sich seit dem letzten Jahr mit Theo Müller.43 Der größte Anteilseigner der Theo-Müller-Gruppe trat seinerzeit bereits als Spender für die rechtsextremistischen Republikaner auf.44 Dem Magazin „Wiener“, das als erstes über die Geldströme von Müller an die Republikaner berichtete flatterte seinerzeit eine Unterlassungsklage von Müller ins Haus.45 Aktuell gibt er an, kein Geld der AfD zur Verfügung zu stellen.46 Die Treffen mit Weidel trügen privaten Charakter.
Sein und Bewusstsein
„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, man sollte die an die AfD gerichteten Geldspenden als das benennen, was sie sind: Politische Einflussnahmen.
Wenn Alice Weidel einerseits vom Immobilienunternehmer Henning Conle Geld erhält und andererseits in ihrem 2019 – und somit zwei Jahre nach der fraglichen finanziellen Zuwendung – erschienen Buch „Widerworte“ die angeblich zu hohen Steuern und die von ihr als „zu rigide“ empfundenen „Bauvorschriften, Umwelt- und Energieeinsparvorschriften“ zur Ursache der steigenden Mieten erklärt, dann wendet sie den Blick gern vom Offensichtlichen ab. Und das Wesentliche ist, dass der Großteil der Mietshäuser längst abbezahlt, die Baukosten beglichen und einzig die Profite die Preistreiber sind. Über den genauen Beitrag, den Henning Conles bereitwilliger Obolus an jenen Zeilen hatte, wird man reichlich spekulieren können. Weidel war lange vor ihrer Zeit in der AfD eine neoliberale Volkswirtin. Interessen treffen einander.
Wenn die Besitzer*innen großer Vermögen der AfD Spenden herüberreichen, dann ist klar, dass diese Mitglieder der „oberen Zehntausend“ in der vermeintlichen „Partei der kleinen Leute“ eine Vertretung ihrer Interessen sehen – die nun gerade im Widerspruch zu den Interessen der so genannten „kleinen Leute“ stehen.
Die Geldgeber*innen der AfD sind nicht die „kleinen Leute“, die Alexander Gauland, der Ehrenvorsitzende der Partei, schon vor Jahren vorgab zu vertreten, sondern die Leute, die von der Arbeit der „kleinen Leute“ leben.
Die AfD, die gern vorgibt gegen das Establishment anzugehen, ist Teil desselben. Wenn sie Markus Krall auf ihren Veranstaltungen Forderungen nach Abschaffung des Wahlrechts für Transferleistungsempfänger*innen formulieren lässt und dieser dabei Zustimmung durch Führungspersonal erfährt, wie im erzgebirgischen Olbernhau geschehen, dann zeigt die AfD zur Genüge, dass sie eine Establishment- und keine Anti-Establishmentkraft ist. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
Soziologisch korrekter und zugleich nicht weniger scharf in der Polemik hatten es Karl Marx und Friedrich Engels in der „Deutschen Ideologie“ in Worte gefasst: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.”
Will das Kapital eine AfD-Regierung?
Betrachtet man die zahlungskräftigen Freund*innen der AfD, ist man in Gefahr zu übersehen, dass das Gros der kapitalistischen Klasse die Brieftaschen geschlossen hält. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, die Feinschaft der AfD gegenüber Gewerkschaften und anderen Organisationen der Arbeiter*innenklasse dürften hingegen genauso wenig Ursache dessen sein wie der permanent vorgetragene Rassismus der Partei von Weidel und Chrupalla.
Eine Schwächung der Arbeiter*innebewegung, nicht zuletzt durch Spaltung der Belegschaften nach Herkunft, Religion, Hautfarbe und Sprache, liegt objektiv gesehen eher im Interesse der Damen und Herren in Nadelstreifen. Eine gespaltene Belegschaft, ist eine schwache Belegschaft.
Die AfD lehnt jedoch die Europäische Union ab, nicht, weil an ihren Außengrenzen Menschen sterben, die auf der Flucht sind und ganz sicher auch nicht, weil die EU Anteil daran hat, dass soziale Standards infrage gestellt werden. Die AfD glaubt an eine Benachteiligung Deutschlands in der Europäischen Union.
Genau hier dürfte die AfD die Interessen eines großen Teils des deutschen Kapitals nicht mehr widerspiegeln. Der weit überwiegende Teil der deutschen Exporte geht in die EU. Entsprechend hart fiel die Kritik des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) am im letzten Jahr der Öffentlichkeit präsentierten Zehn-Punkte-Plan der AfD aus. „Die internationale Vernetzung der deutschen Industrie“, twitterte der BDI bei X, sei „entscheidend für unseren Wohlstand und den Erfolg unserer Wirtschaft“. Folglich gehe der BDI auf „klare Distanz zu dem Selbstverständnis, den Zielen und dem Auftreten der AfD.”
Dem versucht nicht zuletzt die Strömung Alice Weidels innerhalb der AfD entgegenzukommen. Schon 2019 hob sie in „Widerworte“ hervor, die EU reformieren und nicht abschaffen zu wollen. Das führte beim Erstellen des Europawahlprogramms der AfD zu einem Streit mit dem Flügel um Björn Höcke. Einstweilen zog dieser den Kürzeren.
Es müssen Arbeiter*innen, Migrant*innen, Rentner*innen und Jugendlichen sein, die den Kampf gegen die AfD führen. Große, soziale Kämpfe für bezahlbare Miete bei angemessenem Wohnraum und lebenswerten Vierteln können nur erfolgreich sein, wenn die Kämpfenden nicht rassistisch gespalten werden. Ebenso könnten Kampagnen für ein Gesundheitswesen und eine Pflege in öffentlicher Hand, für mehr Personal in Krankenhäusern und Altenpflege nur dann Erfolg haben, wenn Beschäftigte über vermeintliche Grenzen von Hautfarbe und Religion oder Sprache hinweg zusammenhalten. Der Rassismus der AfD ist gefährlich, weil er Menschen spaltet. Die Aufgabe von Gewerkschaften und der Partei Die Linke wäre, es diese Kämpfe zu organisieren.
Der Kampf gegen eine von „großen Leuten“ alimentierte, rassistische, sexistische und neoliberale Partei stellt die Frage, wie die von der AfD als „kleine Leute“ bezeichneten Menschen, die den Reichtum dieses Landes erwirtschaften, leben wollen. Es sind eben jene, die demokratisch über das Vermögen von 13 Billionen Euro, das Deutschland angesammelt hat, entscheiden sollten. Das wird im Kapitalismus unmöglich sein, weshalb wir uns für eine Alternative zu einem System stark machen müssen, dass für viele nur noch Leid, Elend, niedrige Bezahlung, Klimawandel, Krieg, Flucht und Rassismus bedeutet. Der Kapitalismus muss einer sozialistischen Demokratie Platz machen und damit einem System, in dem sich niemand mehr eine Partei kaufen kann.
1Vgl.: Tillar, Jannik; Robertz, Victoria (2024): „Rechtsextreme Kontakte: Wer ist Unternehmer Hans-Christian Limmer“, https://www.capital.de/wirtschaft-politik/hans-im-glueck-und-afd–wer-ist-unternehmer-hans-christian-limmer–34354722.html [Stand: 30.01.2024].
2Raabe, Jan (2008): „Gedächtnisstätte e.V.“, https://www.belltower.news/gedaechtnisstaette-e-v-51270/ [Stand: 30.01.2024].
3Vgl.: Tillar, Jannik; Robertz, Victoria; Kaiser, Tina (2024): „Rechtsextreme Kontakte: Das ist Unternehmer Hans-Christian Limmer“, https://www.stern.de/wirtschaft/news/hans-christian-limmer–der-unternehmer-mit-rechtsextremen-kontakten-34357298.html [Stand: 30.01.2024].
4Vgl.: Ebd.
5Vgl.: Heim, Hanna (2024): „Nach dem Treffen der Rechten: Führen Spuren nach Bayern?“, https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/nach-treffen-der-rechten-fuehren-spuren-nach-bayern,U13ZwHx [Stand: 30.01.2024].
6Vgl.: Ebd.
7Vgl.: Ebd.
8Vgl.: „AfD soll mit Potsdamer Treffen noch stärker verwoben sein“,
https://www.n-tv.de/der_tag/Der-Tag-am-Mittwoch-den-31-Januar-2024-article24700914.html [Stand: 31.01.2024].
9Ebd.
10Vgl.: Ebd.
11„Bericht über Geheimtreffen: AfD-Nähe enger als gedacht“, https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_100333144/afd-kontakte-zu-mitgliedern-von-geheimtreffen-wohl-enger-als-gedacht.html [Stand: 31.01.2024].
12Vgl.: Ebd.
13Vgl: mdr sachsen (2024): „AfD-Chef Chrupalla offenbar bei früherem Geheimtreff von Rechtsextremen dabei“, https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/afd-chrupalla-rechtsextreme-remigration-duesseldorfer-100.html [Stand: 30.01.2024].
14Vgl.: Ebd.
15Vgl.: Ebd.
16Vgl.: Ebd.
17Vgl.: Tornau, Joachim F. (2021): „Geistiges Rüstzeug für die AfD“, Interview mit Andreas Speit, https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/interview-andreas-speit-geistiges-ruestzeug-fuer-die-afd [Stand: 31.01.2024].
18Vgl.: Fröhlich, Alexander (2024): „Krah, Kubitschek, Sellner“, https://www.tagesspiegel.de/berlin/krah-kubitschek-sellner-berlins-ex-finanzsenator-peter-kurth-empfing-fuhrende-rechte-kopfe-11042002.html [Stand: 30.01.2024].
19Vgl.: Ebd.
20Vgl.: Fröhlich, Alexander; Kiesel, Robert; Krause, Sophie (2024): „Mit Krah, Kubitschek und Sellner“, https://www.tagesspiegel.de/berlin/mit-krah-kubitschek-und-sellner-auch-afd-landeschefin-brinker-war-bei-rechtem-treffen-in-wohnung-von-berliner-ex-senator-11066767.html [Stand: 30.01.2024].
21Vgl.: „Ex-CDU-Politiker investiert laut Berichten in rechtsextreme Projekte“, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-01/peter-kurth-ex-cdu-politiker-spenden-identitaere-bewegung [Stand: 31.01.2024].
22Vgl.: Report-K (2024): „‘Monitor‘: Finanzierte Ex-CDU-Politiker Projekt der ‚Identitären Bewegung‘“, https://www.report-k.de/monitor-finanzierte-ex-cdu-politiker-projekt-der-identitaeren-bewegung/ [Stand: 30.01.2024].
23Vgl.: RND (2024): „Hutbürger mit Geld – Wer ist der dubiose AfD-Großspender?“, https://www.rnd.de/politik/hartmut-issmer-wer-ist-der-dubiose-afd-grossspender-E3J4XP4CJZEEFNXJRD65VDJZ6Q.html [Stand: 30.01.2024].
24Vgl.: Spreit, Andreas (2024): „Die AfD und das Geld – Spenden und Staatsmittel“, https://blog.campact.de/2024/01/grossspender-steuern-afd/ [Stand: 31.01.2024].
25Zit. nach: Hübner, Wolfgang (2023): „Hartmut Issmer: Rechter AfD-Geldgeber“, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175212.parteispenden-hartmut-issmer-rechter-afd-geldgeber.html [Stand: 31.01.2024].
26Vgl.: Ebd.
27Ebd.
28Vgl.: Mueller-Tewe, J.; Thust, S.; Wiebe, J. (2024): „Dubiose Zeitschrift macht Wahlwerbung in Thüringen“, https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_86619536/afd-der-wahlhelfer-in-thueringen-briefkastenfirma-rechter-autoren-steckt-hinter-zeitschrift.html [Stand: 30.01.2024].
29Vgl.: Mueller-Thöwe, S,; Thust, S.; Wiebe, J. (2019): „Dubiose Zeitschrift macht Wahlwerbung in Thüringen“, https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_86619536/afd-der-wahlhelfer-in-thueringen-briefkastenfirma-rechter-autoren-steckt-hinter-zeitschrift.html [Stand: 31.01.2024].
30Vgl.: Eckert, T.; Ginzel, A.; Rahms, H.; Stoll, U. (2019): „Die AfD und der ‚Wahlhelfer‘“, https://www.zdf.de/politik/frontal/die-afd-und-der-wahlhelfer-100.html [Stand: 31.01.2024].
31Ebd.
32Vgl.: Ermittelt wurde der Sachverhalt von WDR investigativ. Katja Riedel, die für WDR investigativ arbeitet stellt den Sachverhalt in einem 15minütigen Beitrag dar, der auf youtube abrufbar ist: https://www.youtube.com/watch?v=XJKnInw6IvE [Stand: 31.01.2024], nachfolgend Katja Riedel/WDR investigativ.
33Vgl.: Pittelkow, Sebastian; Richter, Nicolas; Riedel, Katja (2018): „Strebte ein Münchener Milliard#r nach Einfluss beim ‚Deutschland-Kurier?“, https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-deutschland-kurier-1.4224782 [Stand: 31.01.2024].
34Vgl.: Alexander, Robin (2013): „Finanziert Mövenpick-Milliardär AfD-Wahlkampf?“, https://www.welt.de/politik/deutschland/article115512728/Finanziert-Moevenpick-Milliardaer-AfD-Wahlkampf.html [Stand: 31.01.2013].
35Vgl.: Ebd,
36Vgl.: Vgl.: Pittelkow, Sebastian; Richter, Nicolas; Riedel, Katja (2018): „Strebte ein Münchener Milliard#r nach Einfluss beim ‚Deutschland-Kurier?“, https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-deutschland-kurier-1.4224782 [Stand: 31.01.2024].
37„Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, https://lobbypedia.de/wiki/Verein_zur_Erhaltung_der_Rechtsstaatlichkeit_und_der_b%C3%BCrgerlichen_Freiheiten [Stand: 31.01.2024].
38Vgl.: Rickens, Christian (2005): „Der geheime Finanzier“, https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-390197.html [Stand: 31.01.2024].
39Vgl.: Fuchs, C.; Pittelkow, S.; Riedel, K.; Vogel, H. (2021): „Der Verein, der nur Tarnung war“, https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/afd-spenden-135.html [Stand: 31.01.2024].
40Vgl.: Katja Riedel/WDR investigativ.
41Vgl.: Ebd.
42Vgl.: Ebd.
43Vgl.: t-online (2024): „Viele Kunden stehen Müllermilch skeptisch gegenüber“, https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/wirtschaft/id_100307232/treffen-mit-afd-chefin-viele-kunden-sehen-muellermilch-negativer.html [Stand: 31.01.2024], nachfolgend: „Müllermilch“.
44Vgl.: Kaspar, Thomas (2024): „Müllermilch bleibt rechts“, https://www.fr.de/wirtschaft/rechts-muellermilch-bleibt-92707167.html https://www.fr.de/wirtschaft/rechts-muellermilch-bleibt-92707167.html [Stand: 31.01.2024].
45Vgl.: Ebd.
46Vgl.: „Müllermilch“.