Frankreich: Zweiter Wahlgang ein Erfolg gegen Rechtsaußen

((c) MathieuMD / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Stellungnahme der Gauche révolutionnaire (Revolutionäre Linke) um Wahlerfolg der Neuen Volksfront und den weiteren Aufgaben der Linken:

Wir haben Bardella und Le Pen zurückgedrängt, die neue Volksfront liegt vorne!

Gegen Macron und die Kapitalist*innen ist es an der Zeit, unsere Forderungen durchzusetzen!

Kein Bündnis mit Macron und seinen Verbündeten!

Am 9. Juni hatte Macron uns eine „scharfe Granate zwischen die Beine geworfen“ (laut seinen eigenen Worten!)*, indem er die Nationalversammlung auflöste. Damit ließ er Bardellas Rassemblement National (RN), der die Europawahlen gewonnen hatte, freie Hand sich an die Spitze der Regierung zu stellen.

Die Ergebnisse des ersten Wahlgangs am Sonntag, den 30. Juni, bestätigten die Bedrohung. Mit 33 Prozent der Stimmen erreichte der RN eine Rekordzahl an Stimmen. Er profitierte von der enormen Wut gegen Macron und auch von dem Rassismus, den seine Regierung ständig geschürt hat. Seine Stimmenzahl stieg durch eine sehr hohe Wahlbeteiligung, aber auch weil ein Teil der jungen Menschen (zwei von drei) und der Arbeiter*innen, die angewidert oder desorientiert waren, nicht zur Wahl gegangen sind.

Im zweiten Wahlgang nutzten jedoch ein Teil der Jugendlichen und Arbeiter*innen die Wahl der Neuen Volksfront (NFP), um Bardella und den RN zu blockieren. Diese Taktik funktionierte: Wir haben eine ultra-reaktionäre, noch rassistischere Regierung verhindert, die ebenfalls im Dienst der Kapitalisten stünde!

Die Neue Volksfront liegt mit 180 Abgeordneten an der Spitze. Einige, die sich in der ersten Runde enthalten hatten, gingen am 7. Juli wählen, entweder für den KandidatInnen der Neuen Volksfront oder gegen den RN – insbesondere viele junge Menschen zwischen 18 und 34 Jahren (35 bis 38 Prozent). Das ist eine Erleichterung für die große Mehrheit der Jugendlichen und Arbeiter*innen, die nicht noch mehr Autoritarismus, Chaos, Spaltung und Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen wollen!

Politische Fragmentierung

Macron hat immer noch einige Karten in der Hand, darunter die Ernennung des/der Premierminister*in und damit die Bestimmung der politischen Ausrichtung der zukünftigen Regierung. Aber die „scharfe Granate“ ist ihm ein Stück weit zurück zwischen die eigenen Beine gefallen. Kein Zweifel: Er wird weiterhin versuchen, die NFP zu spalten, indem er es auf La France Insoumise (LFI) und Mélenchon abzielt. Allein ist sein Handlungsspielraum gering. Daher sucht er Unterstützung „zu seiner Linken“ bei der PS (Parti Socialiste) von Hollande, bei den EELV (Grüne), die bereits daran gewöhnt sind, eine Politik für die Kapitalist*innen zu machen (z.B. das Arbeitsgesetz „El Khomri“ im Jahr 2016) und bei der klassischen Rechten von LR (Les Républicains).

Die Auflösung bestätigt eine Fragmentierung der politischen Situation mit drei großen Blöcken: dem RN, Ensemble (Macrons Partei), und der France Insoumise, die die stärkste Kraft der NFP mit den meisten Abgeordneten ist (71 von 180). Innerhalb dieser Blöcke sind einige Parteien wie LR (39 Abgeordnete) und die PS (64 Abgeordnete, darunter Hollande und Glucksmann) über Die Frage möglicher Bündnisse gespalten, um ihre Karriere fortzusetzen und weiterhin die Interessen der Kapitalist*innen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung und der Arbeiter*innen zu bedienen.

Wie schwächen wir den RN?

Wir wissen, dass der RN die Partei mit den meisten Abgeordneten ist (126 RN + 17 LR-RN). Und wir wissen, dass die Macronist*innen und die Rechte zusammen mit dem RN bereits Gesetze wie das Asyl- und Einwanderungsgesetz gemeinsam verabschiedet haben. Klar ist: Wenn Macrons Politik nicht durch massive Mobilisierungen infrage gestellt und besiegt wird, wird sie weiterhin den Aufstieg des RN fördern.

Wenn Arbeiter*innen und Jugendliche gemeinsam kämpfen, verlieren Bardella und Macron die Oberhand und die Spaltungen beginnen zu schwinden. Es ist für die Arbeiter*innen lebenswichtig, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erzwingen. Um das Blatt gegen Macron, den RN und die Kapitalist*innen zu wenden, müssen wir uns um unsere Forderungen vereinen und gegen alle Spaltungen kämpfen, die dieses kapitalistische System hervorbringt. Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus oder Diskriminierungen.

Neue Volksfront und Regierung

Eine andere Politik im Dienste der Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiter*innen und der Jugendlichen ist notwendig. Das Programm der Neuen Volksfront verspricht, die Rente mit 64 Jahren zurückzunehmen (zurück auf 60 Jahre A.d.Ü.), den Mindestlohn auf 1600 € netto zu erhöhen, die Preise zu deckeln, echte öffentliche Dienstleistungen bereitzustellen und eine Position gegen den Krieg, insbesondere in Gaza, zu beziehen! Dies sind dringend notwendige Maßnahmen. Eine NFP-Regierung müsste diese umsetzen. Aber die Umsetzung dieses Programms bedeutet eine Konfrontation mit Macron und den Interessen der Kapitalist*innen. Das ist unvermeidlich. Doch genau das unterstützt ein Teil der NFP, insbesondere die PS-EELV, nicht. Macron weiß das sehr gut und wird daher versuchen, die NFP weiter zu spalten. Es gibt bereits Politiker*innen, die bereit sind, alles zu tun, um an der NFP festzuhalten, um gewählt zu werden.

Aber ein sehr wichtiger Teil der Arbeiter*innen erinnert sich gut an die sogenannten „linken“ Regierungen, die uns hart getroffen haben und den öffentlichen Dienst zerstört haben und eine Politik für die Reichen und Kapitalist*innen geführt haben. Das Misstrauen ist daher groß, und das zu Recht. Jede Koalition mit Macron wäre ein Verrat an den WählerInnen der NFP und an den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, da sie die Umsetzung einer solchen Politik unmöglich machen würde.

Bei den Wahlen haben wir die Kandidat*innen der NFP, die in den Ämtern eine „Macron-kompatible“ Politik führen (Hollande, Delga und andere), kein Vertrauen entgegengebracht. Nachdem sie auf der Welle der NFP, oft getragen von der kämpferischen Kraft der France Insoumise (mit 71 Abgeordneten) gesurft sind, werden die Macron-kompatiblen nicht zögern, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Der Vorwand der Gefahr des RN hält nicht stand. Wir vergessen nicht die Forderungen des Programms. Die France Insoumise war oft ein Kompass für all jene, die gegen Macron, den RN und die großen Kapitalist*innen widerstehen und gewinnen wollen. Es kommt nicht in Frage, dass LFI in eine solche Koalition eintritt. Was die PCF (Parti communiste francais) betrifft, so war die Entscheidung von Roussel (Nationalsekretär des PCF A.d.Ü.) auf eine schwache politische Allianz mit der PS und anderen zu setzen, vor allem gegen LFI und Mélenchon ausgerichtet, und das ohne eine Klassenposition einzunehmen. Er zahlt den Preis dafür in der zweiten Runde mit nur neun gewählten Abgeordneten.

Es ist an uns, das Ruder wieder in die Hand zu nehmen, jetzt ist der Moment!

Wir müssen uns gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus organisieren!

Die politische Instabilität bleibt nach diesen von Macron einberufenen Notwahlen sehr groß. Er wollte uns den Atem rauben und uns mit einem unerträglichen politischen Tempo und der Angst vor einer Regierung Bardella-Macron zermürben. Und jetzt sagt er, er wolle sich Zeit lassen, um eine*n Premierminister*in zu ernennen. Was für eine Farce!

Zur politischen Instabilität kommt eine wahrscheinliche Rezession der französischen Wirtschaft in den kommenden Monaten hinzu. Die Kapitalist*innen und jede Regierung in ihrem Dienst werden versuchen, ihr arbeitslosenfeindliches Gesetz durchzusetzen, den öffentlichen Dienst weiter zu demontieren, die Zukunft der Jugend zu zerstören…

Die Frage, dieser Politik sofort Einhalt zu gebieten, steht im Raum. Die Arbeiter*innenbewegung, die Gewerkschaften und die Parteien, die die Arbeiter*innen verteidigen, waren im vergangenen Jahr angesichts des Ausmaßes der Angriffe nicht auf der Höhe. Und teilweise erklärt dies die Position, die der RN auf der politischen Bühne in Frankreich eingenommen hat. Es kommt nicht in Frage, ein weiteres Jahr ohne massive Streiks und Kämpfe zu haben!

Ob mit einer pro-Macron und pro-kapitalistischen Koalitionsregierung oder mit einer Regierung der Neuen Volksfront – um sicherzustellen, dass wir keine Niederlagen ohne wahren Kampf mehr erleiden, müssen wir uns organisieren! Tritt jetzt der Gauche révolutionnaire bei, um die revolutionär-marxistischen Ideen zu diskutieren und in die Tat umzusetzen, um sich im Kampf gegen Macron, die Kapitalist*innen und für eine wirklich sozialistische, demokratische Gesellschaft zu engagieren, die frei von Ausbeutung, Krieg sowie Rassismus und sexuellen, geschlechtlichen und auf sexuellen Orientierungen basierenden Diskriminierungen ist.

Die Arbeiter*innenbewegung wieder aufbauen, um nicht isoliert zu bleiben!

Bei der Gauche Révolutionnaire sind wir revolutionäre MarxistInnen. Wir kämpfen dafür, unser Lager zu stärken und unterstützen jeden positiven Schritt in diese Richtung. Seit den 1990er Jahren haben die Arbeiter*innen und Jugendlichen keine eigene Partei mehr, in der sie sich zu Tausenden organisieren und Politik machen können, während die Kapitalist*innen, die Bollorés und Arnaults die Mehrheit der Medien und Parteien zu ihren Diensten haben.

Es braucht eine echte MassenArbeiter*innenpartei gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus, ein politisches Werkzeug, um über das Programm zu diskutieren, unsere Aktionen zu koordinieren und zu strukturieren, alle Arbeiter*innen und Jugendlichen zusammen. Im Moment existiert diese Kraft überhaupt nicht.

Heute hat die France Insoumise eine besondere Stellung in der politischen Situation. Gestärkt mit ihren über 100.000 neuen Mitgliedern in einem Monat haben die France Insoumise, Mélenchon und die Führung der LFI eine Verantwortung. Sie sollten Unverzüglich dazu aufrufen, dass der Druck erhöht werden muss. Sie sollten sich politisch wappnen, um den aktuellen Schwierigkeiten gewachsen zu sein, indem sie eine echte Partei aus der France Insoumise schaffen, basierend auf einem Bruch mit dem Kapitalismus und einem kämpferischen Programm, das die AktivistInnen gemeinsam diskutieren und erarbeiten können. Indem sie nach diesen Wahlen dazu aufrufen, massenhaft einer stärkeren und effektiveren, inklusiveren und demokratischeren politischen Kraft beizutreten, würden Tausende von Arbeiter*innen und Jugendlichen das politische Engagement und den Kampf gegen den Kapitalismus entschlossen in Angriff nehmen.

*Einem Artikel der Tageszeitung Le Monde zufolge hat Macron am Tag nach der Ankündigung der Auflösung der Nationalversammlung auf die Frage eines mit dem Élisée vertrauten Großunternehmers wie es ginge und ob die Tage nicht zu hart seien geantwortet: „Aber überhaupt nicht! Ich bereite das seit Wochen vor und bin begeistert. Ich habe ihnen meine scharfe Granate vor die Füße geworfen. Jetzt werden wir sehen, wie sie sich schlagen…“ (A. d. Ü.).

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