“Die glühendste Flamme der neuen Revolution”

Block der Sol und von Jugend für Sozialismus auf dem Protest gegen die AfD in Essen

Vorwort der im Manifest Verlag veröffentlichten Textsammlung “Die Jugend und der Kampf für Sozialismus”

Der Manifest Verlag hat eine Textsammlung mit Texten von Karl Liebknecht, Clara Zetkin, Oskar Hippe, Wang Fanxi und Leo Trotzki zur Rolle der Jugend im Kampf für eine sozialistische Veränderung veröffentlicht. Wir veröffentlichen hier das Vorwort.

Warum macht man sich die Mühe, eine Sammlung von Texten zur Jugend herauszugeben? Die Bewegung insbesondere der Arbeiter*innenjugend war seit jeher Teil der gesamten Arbeiter*innenbewegung. Diesem Umstand ist es auch »zu schulden«, dass Klassiker wie Marx, Engels, Lenin und Trotzki nie explizit Texte zur Jugend verfasst haben, sondern sie immer in die Gesamtbewegung eingebettet betrachtet haben. Bis auf die heutzutage wenig bekannten Artikel Karl Liebknechts, ist die Suche nach einer Beschreibung der Rolle der revolutionären Jugend recht mühsam. Also noch einmal: Warum eine Textsammlung zur Jugend?

von René Arnsburg

Lassen wir Karl Liebknecht zusammenfassen, warum die Jugend es verdient hat, ihr ein spezielles Interesse zu widmen:

»Mit der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat sich auch die Psyche der Jugendlichen geändert. Sie wachsen heute unter anderen Verhältnissen auf als früher. Diese und die geistigen Strömungen in den Städten machen den Jugendlichen früher reif. Er wird in die großen Kämpfe der Geister hineingezogen. Er wird gezwungen, an ihnen teilzunehmen. Lediglich dem Zwange der Verhältnisse folgend,strebt der Jugendliche heute mehr denn je nach Selbstständigkeit, Selbstbetätigung. […]

Nichts empfindet der jugendliche Arbeiter, noch mehr der Lehrling, drückender als seine heutige materielle Situation. Dieser Druck wird verstärkt durch die Unkenntnis des Jugendlichen, die er über die heutige Gesellschaftsordnung im allgemeinen besitzt. Jedenfalls sehnt sich der Jugendliche mehr nach seiner wirtschaftlichen Befreiung als der erwachsene Arbeiter. Bestrebungen nun, die den Jugendlichen an diesen seinen ureigensten Interessen, wie es seine wirtschaftlichen sind, packen, ziehen die große Masse der Jugendlichen an.«

Diese Zeilen, vor mehr als 100 Jahren verfasst, können heute im Angesicht einer wachsenden Massenarbeitslosigkeit und Verarmung breiter Schichten der Jugend auf der ganzen Welt und in Folge multipler Krisen kaum aktueller klingen. Die Jugend bedarf also auf Grund ihrer Stellung im Produktionsprozess, als Teil der ausgebeuteten Klasse, einer revolutionären Organisation, um gemeinsam mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten ihre Selbstbefreiung zu erkämpfen.

Seit jeher hat die Jugend und vor allem ihre revolutionären Flügel in Kämpfen um Verbesserungen eine maßgebliche Rolle gespielt. Nicht nur, dass Jugendliche besonders krass die Folgen von Unterdrückung und ökonomischer Abhängigkeit spüren. Sie sind noch nicht im gleichen Maße wie die »Alten« vom Kapitalismus verdorben, desillusioniert, resigniert, schlichtweg noch nicht so kaputt gemacht.

In ihnen brennt noch der Gedanke und die Überzeugung, Veränderungen herbeiführen zu können, sie sind noch nicht mit den gleichen Zweifeln und Zögernissen behaftet, wie es die Eltern- und Großelterngenerationen sind. Das wurde deutlich während der Oktoberrevolution 1917 in Russland und der Novemberrevolution 1918 in Deutschland, in denen die Jugend sich nicht von versöhnlerischen Phrasen der Herrschenden und ihrer Handlanger blenden ließ, sondern an vorderster Front um die Befreiung von Krieg und Kapitalismus kämpfte.

Aber auch später, während der Proteste gegen die Aufrüstung in Europa während der 50er Jahre, der 68er-Bewegung, der Lehrlingsbewegung Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, die einen Umdenken in den Gewerkschaften erreichte, wurde dies deutlich. Ebenfalls sind uns die Uni-Besetzungen und die Bildungsstreiks, Antikriegs- und globalisierungsbewegung mit mehreren hunderttausend Teilnehmer*innen in den 2000ern noch im Gedächtnis.

Der unbändige Drang zu Veränderung, ihr Elan, ihr Mut und ihre Ungestümtheit sind die Stärke der Jugend. Aber gleichzeitig auch ihre Schwäche. Zu leicht verliert sich eine Jugendbewegung in Spontaneität und einem begrüßenswerten Aktionismus, der allerdings schnell wieder abflauen kann, wenn das Ziel und die Grundlage der Bewegung unklar sind.

Wie im ersten Abschnitt »Die Rolle der revolutionären Jugend und ihrer Organisationen« ersichtlich wird, musste sich die Jugend ihren Platz als Teil der Arbeiter*innenbewegung erst erarbeiten. Aber nur als solchen kann sie Erfolg haben. Viele Bewegungen scheiterten, da der Schulterschluss mit der organisierten Arbeiter*innenklasse zu spät oder gar nicht erfolgte. Oder weil die Ideen nicht ausgereift und die Grundlage des Handelns unklar war. Im biographischen Abriss Trotzkis ist zu erkennen, dass der gute Wille allein manchmal nicht reicht, sondern viel praktische Erfahrung und theoretische Kenntnisse des Marxismus für den Aufbau einer revolutionären Organisation unabdingbar sind, wenn es darum geht, die Befreiung der Menschheit zu erkämpfen.

Des Weiteren sind hier Texte von Karl Liebknecht aufgeführt, der sich in seiner Funktion als Jugendsekretär der SPD vor und während des ersten Weltkrieges dafür einsetzte, der Jugend ihren Platz in der Bewegung zu schaffen. Durch seine Mitarbeit entstanden auch die ersten Jugendzeitungen (»Die Junge Garde«, »Militarismus und Antimilitarismus«, »Die Arbeitende Jugend«) der unabhängigen Jugendorganisationen, die der Sozialdemokratie nahe standen. Die Texte, in denen er sich mit der Jugend, dem Schulsystem und ihrer Verbindung mit dem preußischen Militarismus gewinnen gerade wieder an Aktualität. Zwar sind wir noch nicht wieder bei der Karzerstrafe für aufsässige Studierende, aber die ideologische und strukturelle Umgestaltung des Bildungswesens hin zur Erziehung künftiger Soldat*innen nimmt wieder Fahrt auf. Die Forschung der Universitäten soll mehr mit dem Militär verbunden werden, die Bundeswehr such händeringend nach Rekrut*innen, schließlich braucht man Leute, um das neue Kriegsmaterial zu bedienen. Die Auseinandersetzungen um ihren Platz auf der Welt zwischen den imperialistischen Mächten nehmen wieder zu und so versuchen die deutschen Herrschenden seit Beginn des Ukraine-Kriegs und noch einmal verschärft seit dem Krieg gegen Gaza, den in weiten Teilen der Bevölkerung existierenden pazifistischen oder antimilitaristischen Konsens zu brechen. Die Repression gegen Aktivist*innen, die es wagen, die deutsche Staatsräson der uneingeschränkten Unterstützung für den israelischen Staat zu kritisieren, reicht bis weit in die Universitäten und Schulen hinein.

Eine längere Rede von Clara Zetkin zur Rolle und Aufgabe der Jugendorganisation zeigt, mir welcher Klarheit es Zetkin bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstand, die Fragen von Jugend, Familie, Frauenunterdrückung und umfassender Befreiung zu verbinden und auf der Grundlage einer revolutionären sozialistischen Haltung einen gemeinsamen Kampf im kapitalistischen Heute für eine sozialistischen Gesellschaft im Morgen zu umreißen.

Der Abschnitt »Von der Oktoberrevolution zur Kommunistischen Jugendinternationale« beschreibt den Aufbau des Kommunistischen Jugendverbandes und vermittelt gleichzeitig einen Eindruck von einem Jugendprogramm, das auf der konstituierenden Sitzung der KJI verabschiedet wurde. Auf dieser Basis sollte die praktische Alltagsarbeit des Aufbaus des Jugendverbandes in der Biographie Oskar Hippes gesehen werden.

Den chronologischen Abschluss bildet der dritte Teil »Gegen den Stalinismus und für den Aufbau neuer revolutionärer Organisationen«. Wang Fanxi beschreibt seine Erfahrungen als junger chinesischer Revolutionär an einer Moskauer Parteiuniversität nach dem Scheitern der Revolution in China 1927. Er schildert eindrucksvoll, wie der Kampf gegen die Opposition von der Bürokratie, deren Kopf Stalin war, geführt wurde und wie verhindert werden sollte, dass sich die jungen Stundent*innen zu selbstständig denkenden Revolutionär*innen entwickeln konnten. Fanxi beschreibt hier den absoluten Gehorsam, der ihnen verordnet wurde und durch den eine unabhängige Auseinandersetzung mit dem Kämpfen innerhalb der Kommunistischen Partei und der Geschichte der Oktoberrevolution unterbunden wurde.

Die Folgen der Herrschaft der Bürokratie und die Entartung des ersten Arbeiterstaats der Welt werden von Trotzki in »Verratene Revolution« analysiert. Ein Teil davon, der die Auswirkung auf die Jugend in der Sowjetunion beschreibt, wird hier wiedergegeben.

Die praktische Schlussfolgerung aus der fehlerhaften Politik der stalinistischen Führung der Kommunistischen Internationale und die daraus resultierenden blutigen Niederlagen der Arbeiter*innen weltweit, war die Gründung einer neuen, der Vierten Internationale. Von den Gründungsdokumenten kann man noch heute die Methode der Übergangsforderungen für die Jugend studieren und ihre Bedeutung für das Hier und Jetzt begreifen.

Die Biographien, die hier auszugsweise angeführt sind, sollen weder stumpfe Begeisterung für große Revolutionäre in der Geschichte auslösen, noch Wehmut darüber, dass die großen Kämpfe der Vergangenheit angehören. Gerade in Zeiten, in denen das Bewusstsein der arbeitenden Massen auf einem niedrigen Niveau ist und der Klassenkampf sich ebenfalls auf einem sehr niedrigen Level vollzieht, kann die Jugend ein Hebel sein, um Kämpfe anzustoßen. Sie sollen beispielhaft dafür sein, dass es auf die Aktivität und die Ausbildung aller ankommt, um eine Organisation aufzubauen, die in der Lage ist, an der Spitze im Kampf gegen den Kapitalismus und für Sozialismus zu stehen.

Liebknecht sagt dazu:

»Der Zweck aller Bildungsbestrebungen für die Jugend muss sein: das geistige Niveau der Masse zu heben, nicht einzelnen, besonders begabten Jünglingen ein Fortkommen zu schaffen.«

Um zu schließen, einen Satz von ihm, den er im Feuer der Novemberrevolution 1918 in Deutschland geschrieben hat:

»Die revolutionäre Jugend des Proletariats, sie war die heißeste, reinste Flamme der bisherigen deutschen Revolution; sie wird die glühendste, heiligste, unlöschbare Flamme der neuen Revolution sein, die da kommen muß und wird: der sozialen Revolution des deutschen, des Weltproletariats.«

Das Buch kann hier bestellt werden: https://manifest-buecher.de/produkt/die-jugend-und-der-kampf-fuer-sozialismus/