Interview mit Bafta Sarbo über Eric Williams‘ Klassiker
1944 erschien das erste Buch von Williams, „Capitalism and Slavery.“ Warum wird es bis heute als Standardwerk einer marxistischen Geschichtsschreibung über den Zusammenhang von Kolonialismus, obwohl Williams keinen expliziten Bezug zu Marx nimmt?
Williams schaut sich die Sklaverei als ökonomischen Faktor im Kapitalismus an. Diese materialistische Herangehensweise erlaubt es, die Entwicklung des Kapitalismus als Globalgeschichte zu verstehen. Diese hat mit dem transatlantischen Sklavenhandel einen Weltmarkt geschaffen.
Während das Buch in der englischsprachigen Welt und darüber hinaus als Klassiker gilt, wird es achtzig Jahre nach seinem Erscheinen vom Manifest Verlag gerade zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. Wie erklärst du dir das?
Zum einen, weil die marxistische Debatte in Deutschland jahrzehntelang zum großen Teil Kolonialismus als Gegenstand nicht behandelt hat. Zum anderen, weil viele Texte dieses Gesamtkanons karibischer Marxisten nicht oder unzureichend übersetzt und kaum diskutiert wurden, weshalb es in Deutschland zu dieser Kanonisierung nie gekommen ist. Das war ja ähnlich bei dem Werk von Walter Rodney, das in Deutschland nur unzureichend übersetzt und kaum rezipiert wurde.
Williams‘ Thesen waren von Beginn an starker Kritik ausgesetzt. Was war der hauptsächliche Angriffspunkt und inwiefern ist seine Analyse heute noch gültig?
Williams’ Analyse der Sklaverei, sowie ihrer Abschaffung widerspricht in vielerlei Hinsicht der Erzählung des britischen Imperiums, nämlich dass die Sklaverei aufgrund eines moralischen Wandels abgeschafft wurde. Er argumentiert dagegen, dass es vielmehr ökonomische Faktoren waren – dass die Sklaverei sich wirtschaftlich nicht mehr ausgezahlt hat – die verantwortlich dafür waren, dass sie letztlich abgeschafft wurden.
Warum beschäftigen wir uns heute wieder verstärkt mit den Themen Kolonialismus, Sklaverei und Kapitalismus und wieso gerät ein so altes Buch wieder vermehrt unter Beschuss?
Wir erleben heutzutage wieder einen neuen Kolonialrevanchismus, der die Geschichte des europäischen Kolonialismus weißwaschen will. Dieser Geschichtsrevisionismus geht insbesondere in Deutschland sicherlich auch mit dem Wiederaufkommen des deutschen Imperialismus und neuen Ansprüchen auf den Weltmarkt einher. In diesem Zusammenhang gibt es aber Bestrebungen, sich als geläuterte Nation zu präsentieren, die ihre Kolonialgeschichte aufarbeitet. Diese Aufarbeitung funktioniert aber vor allem auf einer moralischen Ebene und nicht auf einer politischen oder ökonomischen, weshalb Werke, wie das von Williams, die auf die ökonomischen Grundlagen dieser Geschichte eingehen und die moralische Selbstvergewisserung des Westens bedrohen, unliebsam sind.
Wie schon bei der Neuübersetzung von Walter Rodneys „Wie Europa Afrika unterentwickelte“ wirst du für dieses Buch einen Beitrag schreiben. Worum geht es?
Es geht im Wesentlichen um die Frage, welchen Stellenwert die Sklaverei innerhalb kapitalistischer Ausbeutungs- und Klassenverhältnisse einnimmt. Es war in der marxistischen Geschichtsschreibung lange umstritten, ob Sklaven als Arbeiter oder als Arbeitsmittel gelten und inwiefern es sich dabei um eine kapitalistische Form der Ausbeutung handelt. Wie Marx das genau gesehen hat, ist dabei weiterhin umstritten. Diese Frage ist aber nicht nur rein theoretisch interessant, sondern es gehen daraus auch politische Konsequenzen hervor, nämlich welche unterschiedlichen Formen Arbeiterrevolten oder Revolutionen annehmen können, zum Beispiel, ob die haitianische Revolution eine Form des Klassenkampfes war.
Das Buch kann hier bestellt werden: https://manifest-buecher.de/produkt/kapitalismus-und-sklaverei/