Besuch bei der Konferenz der Independent Socialist Group (ISG)
Auf der Konferenz der Independent Socialist Group (ISG), die im Oktober in der Universitätsstadt Worcester in Massachusetts stattfand, betonten die Teilnehmer*innen, dass bei allen wichtigen Unterschieden zwischen den Donald Trump und Kamala Harris, beide als Vertreter*innen von dem Kapitalismus verpflichteten Parteien (Republikaner und Demokraten) die Interessen von Banken und Konzernen vertreten.
von Sascha Staničić, Besucher der ISG-Konferenz in den USA
Kamala Harris hat während des Wahlkampfs zudem eine deutliche Rechtsverschiebung ihrer Positionen vorgenommen, nicht zuletzt in der Einwanderungspolitik. Auf einer Wahlversammlung vor Wirtschfatsvertreter*innen sagte sie: „I am a capitalist!“ – während Trumps Wahlkampf von Elon Musk und einer Rekordzahl von US-Milliardär*innen unterstützt wird. Und doch hat Trump seine Unterstützung unter Arbeiter*innen ausbauen können, weil vier Jahre der Biden-Harris-Administration die Situation der Menschen aus der Arbeiter*innenklasse und der Mittelschichten nicht verbessert hat. Ein ISG-Mitglied brachte es so auf den Punkt: „Die einen wählen Harris, weil sie gegen Trump sind, die anderen Trump, weil sie gegen Harris sind.“
Arbeiter*innenpartei nötig
Die Polarisierung zwischen den Präsidentschaftskandidat*innen ist aber nicht Ausdruck einer zwischen Republikaner*innen und Demokrat*innen gespaltenen Gesellschaft. Im Gegenteil ist die Zustimmung zur Frage, ob eine dritte Partei nötig sei, auf einem Rekordhoch. Das böte den Gewerkschaften und der Linken die Möglichkeit, Schritte in Richtung einer Arbeiter*innenpartei zu ergreifen, was diese leider nicht tun. Das Potenzial wird unter anderem in Nebraska deutlich: dort kandidiert der ehemalige Gewerkschafts- und Streikführer Dan Osborne als Unabhängiger für den Senat und liegt in Meinungsumfragen gerade vorne. Bei der Präsidentschaftswahl werden die beiden bedeutenderen linken Kandidat*innen – Jill Stein von der Grünen Partei (die in den USA eine kleine antikapitalistische Partei ist) und der unabhängige Cornel West – sicher zwischen der Trump-Harris-Polarisierung zerrieben, aber die hohe Unterstützung für Stein unter muslimischen US-Amerikaner*innen zeigt auch hier, dass politische Ereignisse – hier die Unterstützung Israels durch Joe Biden und Kamala Harris – wichtige Veränderungen auslösen können.
Die ISG ruft zur Wahl von Jill Stein auf (und in den Bundesstaaten, wo sie nicht antritt zur Wahl von West), vor allem aber fordert sie beide Kampagnen dazu auf, zusammenzukommen und einen Beitrag zur Gründung einer Arbeiter*innenpartei zu leisten.
Gewerkschaften
Die ISG-Konferenz bildete einen Betriebs- und Gewerkschafts-Arbeitskreis der Organisation, was Ausdruck davon ist, dass viele Mitglieder in diesem Bereich aktiv sind. Oftmals geht es darum, gewerkschaftliche Basisorganisationen auf betrieblicher Ebene überhaupt erst einmal zu bilden. Nick Wurst, Mitglied der ISG-Leitung, wurde in diesem Jahr zum Sekretär der Railway Workers United, einem Zusammenschluss kämpferischer Mitglieder der verschiedenen Eisenbahner*innen-Gewerkschaften gewählt. Diese so genannten innergewerkschaftlichen Reformorganisationen bestehen in vielen Gewerkschaften und fordern demokratische Strukturen und eine kämpferische Politik. Ich konnte in Boston auf einer Kundgebung einer solchen Reformorganisation der Briefträger*innen-Gewerkschaft sprechen – interessanterweise diskutieren einige dieser Aktivist*innen auch darüber bei anstehenden Wahlen unabhängige Kandidat*innen ins Rennen zu schicken.
Anders als in früheren Zeiten von Präsidentschaftswahlkämpfen nahmen Streiks in diesem Jahr nicht ab. Im Herbst streikten unter anderem Hafenarbeiter*innen an der Ostküste und die Beschäftigten von Boeing. Das ist Ausdruck davon, dass alles Gerede von einer besseren Wirtschaftslage für Lohnabhängige bedeutungslos ist, weil sich ihre Lage nicht verbessert hat, sondern weiterhin von zu hohen Preisen und niedrigen Löhnen gekennzeichnet ist. Aktivist*innen der ISG greifen in diese Streiks mit Vorschlägen für eine kämpferische Strategie und Propaganda für die Bildung einer sozialistischen Arbeiter*innenpartei ein.