Dresden: “Lebensniveau der arbeitenden Bevölkerung bedroht”

Dresden: Stadtspitze plant beispiellosen Sparhaushalt. Ein Gespräch mit Anne Pötzsch

Anne Pötzsch ist gelernte Krankenpflegerin und beteiligte sich in Berlin an der „Krankenhausbewegung“. Inzwischen studiert sie in Dresden und ist aktiv beim „Bündnis für Pflege“ und der Sol.

Protestaktion gegen Haushaltskürzungen am 21.11.2024

Das Bündnis gegen Kürzungen Dresden ruft zur Demonstration gegen die Kürzungspläne vor dem Rathaus Dresden am 21.11.2024 ab 15 Uhr auf.

Die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ sprachen schon vor ein paar Wochen von einer „Liste der Grausamkeiten“. Was muss man sich darunter vorstellen?

Gemeint ist der Haushalt der Stadt Dresden. Aktuell haben Oberbürgermeister und Stadtspitze vor, im kommenden Jahr siebzig Millionen Euro und 2026 weitere achtzig Millionen Euro einzusparen. Damit geraten nun alle freiwilligen Aufgaben der Stadt auf den Prüfstand.

Wenn „freiwillige“ Aufgaben überprüft werden, wirkt das erstmal gar nicht so schlimm.

In Wirklichkeit ist es sehr schlimm. Die Dinge, die in einer Kommune für Lebensqualität stehen, sollen massiven Streichungen unterzogen werden: Bildung, Kultur, Soziales, Sport, Gesundheitsversorgung. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Derartige Kürzungen hat es in Dresden seit der Wiedervereinigung 1990 nicht gegeben.

Allein bei den Bibliotheken sollen 300.000 Euro gespart werden. Safe Dresden, ein Projekt zur Suchtberatung, soll wegfallen, mit unüberschaubaren Auswirkungen für die Betroffenen. Die Grundsteuer soll angehoben werden, was die großen Immobilienkonzerne auf die Mieter*innen umlegen und damit die Mieten in die Höhe treiben werden. 

Ab Januar könnten die Kita-Beiträge von 242 Euro pro Kind und Monat auf 349 Euro steigen. Sollte das so kommen, würde das Kindergeld nicht einmal mehr zur Finanzierung des Kita-Platzes ausreichen.

Allein bei der mobilen Kinder- und Jugendarbeit sollen 35 Millionen Euro gespart werden. Zudem sollen die Taktzeiten der Straßenbahnen von zehn auf 15 Minuten angehoben werden. Selbst die Privatisierung der Stadtreinigung fasst die Stadtspitze scheinbar ins Auge.

Wie kommt es plötzlich zu diesem restriktiven Sparkurs?

Er ist im Grunde ein Ausdruck der kapitalistischen Krise: Die öffentlichen Kassen werden durch Steuergeschenke an Superreiche und Konzerne geplündert. Kurzerhand verringert das Bundesland Sachsen den Überweisungsbetrag an die Stadt, und der Oberbürgermeister gibt die Kosten weiter an die Menschen, die hier leben. Während die zehn Prozent, die zwei Drittel des Vermögens in Deutschland haben, mal wieder geschont werden, werden die anderen neunzig Prozent belastet.

Der Kapitalismus bedroht immerzu das Lebensniveau der arbeitenden Bevölkerung, eben auch durch Einsparungen in der Kommune.

Längst nicht alle in Dresden scheinen das hinnehmen zu wollen.

Das stimmt. Die GerDA (Gerontopsychologie, Demenz, Alzheimer) hat eine Petition begonnen, die mehr als 2000 Menschen unterschrieben haben. Gefordert wird, die Schließung von zwei der vier Standorte zu verhindern. Eine weitere Petition aus der SPD-Stadtratsfraktion heraus, die die Anhebung der Kita-Beiträge verhindern will, wurde von mehr als 20.000 Dresdner*innen unterschrieben und erreicht damit einen Rekord.

Das „Bündnis für Pflege“ versucht, Aktionen gegen geplante Kürzungen zu organisieren. Sol-Mitglieder engagieren sich im „Bündnis für Pflege“. Was soll passieren?

Das Bündnis trifft sich regelmäßig zusammen mit anderen Gruppen und Initiativen. Viele von denen werden von den Kürzungen hart betroffen sein. Gemeinsam organisieren wir die Kampagne „Kürzungen? Nicht mit uns!“ 

Wir haben eine Erklärung verfasst, die vierzig Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen unterzeichnet haben. Sie steht online und wurde von mehr als 4000 Dresdner*innen unterstützt. Darin wird gefordert, die großen Vermögen zu belasten und nicht diejenigen, die kein Geld haben.

Wir werden am 6. November eine Anhörung der Betroffenen organisieren und am 21.11., dem Tag der Einbringung des Haushalts in den Stadtrat, zu Protesten vor dem Rathaus mobilisieren. 

Außerdem veröffentlichen wir auf einer Instagram-Seite regelmäßig Informationen über die Kürzungspläne der Stadt.

Bei der Anhörung am 6. November war der Saal voll