„Nötig ist eine hohe Konfliktbereitschaft“

IG Metall
Frank Vincentz, Witten, CC BY-SA 3.0

Interview mit einem VW-Arbeiter aus Kassel

Wie lange arbeitest du schon bei VW? 

Ich arbeite schon seit Jahrzehnten bei VW in zweiter Generation. 

Der Vorstand hat jetzt seine Sparpläne bekräftigt und spricht davon, drei Werke schließen zu wollen und weitere betriebsbedingte Kündigungen in anderen Werken auszusprechen. Das hat es bei VW noch nicht gegeben. Viele – inklusive in der IG Metall sprechen von “Managementfehlern”. Wie siehst du das?

Klar, die Manager haben Fehler gemacht. Trotzdem darf die Krise bei VW nicht darauf reduziert werden. ZF, Bosch, Stellantis … überall gibt es Personalabbau. Die Automobilindustrie steckt weltweit in einer Überproduktionskrise. Für hohe Renditen wollen die Kapitalist*innen diese Krise auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Werksschließungen und Massenentlassungen sollen als Lösung dienen, wenn es nach dem Management geht.

Wie könnten die Arbeitsplätze deiner Meinung nach gerettet werden?

Zuallererst sollte über Arbeitszeitverkürzung diskutiert werden, um die aktuell vorhandene Arbeit aufzuteilen – bei vollem Lohnausgleich bzw. Lohnerhöhung. Als zweiter Schritt ist es notwendig, die Produktion auf den Bau von öffentlichen Verkehrsmitteln umzubauen. Es fehlt an einem guten ÖPNV, viele Menschen sind davon abgeschnitten. Die Nachfrage nach Schienenfahrzeugen ist groß. Wir, die Beschäftigten aus der Automobilindustrie, sind in der Lage, diese Bedarfe zu decken. Die Vernunft spricht dafür, die Interessen der Kapitalist*innen sprechen dagegen.

Wie ist die Reaktion der Gewerkschaftsführung und der Betriebsräte, und was ist aus deiner Sicht nötig?

Wir standen bei VW noch nie vor so einer Existenzbedrohung. Nötig für die kommenden Tage und Wochen sind eine hohe Konfliktbereitschaft und eine kämpferische Strategie. Sozialpartnerschaft bringt uns nicht weiter. Anfang Dezember endet die Friedenspflicht. Diese muss unbedingt genutzt werden, um in die Offensive zu kommen und Streikerfahrung aufzubauen. Das ist das beste Signal an den Vorstand. Wenn die Schließungs- und Entlassungspläne konkret werden, ist es nötig, weitergehende Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen, bis hin zur Betriebsbesetzung.

Wie können andere Beschäftigte und ihre Gewerkschaften Unterstützung leisten? 

Falls das Management bei VW mit Massenentlassungen durchkommt, wird die komplette Region betroffen sein. Irgendwie hängt alles an VW: heute wir, morgen ihr. So sollte man die Solidarität mit Beschäftigten von VW betrachten und in den Gewerkschaften diskutieren. Ganz besonders gilt das für unsere Kolleg*innen in der Automobil- und Zulieferindustrie. Falls das Management bei VW – mit über neunzig Prozent IGM-Mitgliedern – damit durchkommt, dann werden sich Manager*innen anderer Hersteller dieses zum Beispiel nehmen. 

Was erwartest du von der Arbeiter*innenbewegung und der Linken? 

Ich erwarte mir natürlich, falls das Management nicht abrückt von Massenentlassungen und es zu Arbeitskampfmaßnahmen kommt, Solidarität. Ich erwarte von einer Linken international, dass direkte Kontakte zwischen Automobilbeschäftigten aufgebaut werden. Wir müssen eine internationale Strategie entwickeln. Sonst ist die Gefahr von Not und Elend groß. 

Du bist Teil einer Gruppe von Gewerkschaftsmitgliedern namens „IG Metall von Unten“, was sind eure Ziele und wie wollt ihr diese erreichen? 

Wir sind ein Zusammenschluss von Kolleginnen und Kollegen und treffen uns alle paar Wochen. Wir wollen keine weiteren Verschlechterungen mehr hinnehmen und diskutieren über unsere Situation und Möglichkeiten. Uns eint, dass wir Arbeitshetze und Wochenendarbeit etwas entgegensetzen wollen. Einige schreiben in der Zeitung „Antrieb“.