Ursachen und Auswirkungen der Präsidentschaftswahlen
Der Sieg von Trump und seiner neu formierten republikanischen Partei eröffnet eindeutig ein neues Kapitel in der Geschichte der USA und der Welt.
von Robert Bechert, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale
In den polarisierten USA wird dieser Sieg des Rechtspopulismus für viele mehr als nur einen Hauch von Angst auslösen, vor allem bei Frauen, die Angriffe auf ihre reproduktiven Rechte befürchten, und bei Migrant*innen, die befürchten, dass sie oder ihre Familienangehörigen in Trumps versprochene Abschiebeaktion verwickelt werden könnten.
Es stellt sich auch die Frage, ob Trump sich an seinen früheren Feinden rächen wird, was nicht ungewöhnlich ist, da auch die Demokraten nicht davor zurückschrecken, den Staatsapparat gegen ihre Gegner einzusetzen. Diejenigen jedoch, die Trumps Versprechungen über ein Ende der Inflation, einen Anstieg des Lebensstandards und bessere Tage, ein „Great America“ und ein „neues goldenes Zeitalter“ geglaubt haben, werden im Moment große Hoffnungen in die Zukunft setzen. Aber letztlich werden diese Träume zerplatzen, wenn die kapitalistische Realität sie einholt.
Auf internationaler Ebene öffnet Trumps Sieg die Tür für möglicherweise wichtige Veränderungen, wie zum Beispiel die Durchsetzung eines Abkommens zwischen der Ukraine und Russland, wahrscheinlich zugunsten Russlands. Außerdem gibt Trump Netanjahu grünes Licht für einen ernsthaften Angriff auf den Iran, möglicherweise mit Unterstützung der USA – just nachdem Biden die Stationierung von strategischen B52-Bombern im Nahen Osten genehmigt hat. Kein Wunder, dass Netanjahu Trump rasch zu seinem „großen Sieg“ gratulierte!
Vor allem besteht die Aussicht auf verstärkte Spannungen und möglicherweise Konflikte mit China. Die wahrscheinliche Einführung neuer und höherer Einfuhrzölle wird Auswirkungen auf die ganze Welt haben, insbesondere auf China, Mexiko und Europa. Dies wird wahrscheinlich zu einer Störung des Weltmarktes, möglicherweise zu Rezessionen in einigen Ländern und in der Folge zu verstärkten Spannungen führen.
Wirtschaft
Trumps Sieg ist eine große Niederlage für die Teile der US-Kapitalist*innenklasse, die ihm nicht trauen und die gegen seine Kandidatur bei dieser teuersten US-Präsidentschaftswahl aller Zeiten gekämpft haben. Aber die Demokraten waren nicht in der Lage, auf Trumps wiederholte Verwendung von Reagans Frage aus dem Jahr 1980 – „Geht es Ihnen besser als vor vier Jahren?“ – zu antworten. Unter den Wähler*innen war die Wirtschaft mit 39 Prozent das wichtigste Thema, gefolgt von der Einwanderung mit 20 Prozent. Harris zeigte sich jedoch nicht willens oder in der Lage, die wichtigsten Fragen zu den praktischen Problemen zu beantworten.
Der Schmerz, den die hohe Inflation vor zwei Jahren verursacht hat, ist nicht verschwunden, und obwohl die Inflationsrate heute niedriger ist, sind die meisten Preise, insbesondere für Lebensmittel, nicht gesunken, sondern sie steigen nur langsamer. Dies ist einer der Hauptgründe für den starken Rückgang der Wähler*innenstimmen bei den Demokraten. Neben der Eindämmung der Inflation präsentierte sich Trump als „starker Mann“, der sich um Einwanderung und Sicherheit kümmert und Kriege verhindern kann.
Der Krieg im Gaza-Streifen war zusammen mit der jüngsten israelischen Offensive im Libanon ein weiterer Faktor, der die Unterstützung der Demokraten beeinträchtigte. Die Wut darüber, dass die USA Israel mit Waffen ausstatten, die in Gaza mehr als 43.000 Menschen getötet haben, führte in einigen Vorwahlen der Demokraten zu einer beträchtlichen Zahl von Nichtwähler*innen. Bezeichnenderweise stimmten in Michigan mehr als 44.600 Menschen für Jill Stein von der Antikriegspartei der Grünen. Das sind mehr als dreimal so viele Stimmen, wie die Grünen im Jahr 2020 hatten. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es trotz der Polarisierung einige gab, die sich nicht hinter die Politik der Demokraten klemmen wollten, nur um Trump zu stoppen.
In ihrem Wahlkampf haben Trump und insbesondere sein Stellvertreter Vance auf demagogische Weise Elemente der „Klassen“-Rhetorik verwendet, um die Unterstützung von Arbeiter*innen zu mobilisieren. Harris hingegen nutzte vage Reden über „Hoffnung“ in Kombination mit Identitätspolitik und die zunehmende Beteiligung rechter, gegen Trump gerichteter Republikaner an ihrer Kampagne. Trumps Sieg ist auch eine Niederlage für einen Großteil der liberalen Intelligenz, die aufgrund ihrer Arroganz und ihrer Unterstützung für die Demokraten nicht in der Lage oder nicht willens war, überzeugende Antworten auf die wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu geben, mit denen Trump Wahlkampf machte, und zwar in einer Weise, die seine Anhänger*innenschaft spalten könnte. Trump einfach als „Faschisten“ zu bezeichnen, wurde von seinen Anhänger*innen im Gegenteil als Versuch der Elite gesehen, ihre eigene Macht und ihren Einfluss zu erhalten.
Zwar liegen aktuell noch keine endgültigen Zahlen vor, doch anders als 2016 hat Trump eine Mehrheit der Stimmen gewonnen, etwa 51 Prozent zu Harris’ 47,5 Prozent. In 48 der 50 US-Bundesstaaten scheint der Stimmenanteil der Republikaner gestiegen zu sein. Bezeichnenderweise konnte Trump bei weißen Wähler*innen ohne College-Abschluss (von 48 Prozent Unterstützung im Jahr 2020 auf jetzt 65 Prozent), bei 18- bis 29-Jährigen (von 36 Prozent auf 42 Prozent) und bei hispanischen Wählern (von 32 Prozent auf 45 Prozent) weiter zulegen; tatsächlich ging Trumps Unterstützung nur bei den über 65-Jährigen und bei Frauen mit College-Abschluss zurück.
Trump steht nun vor der Aufgabe, zu liefern, insbesondere in Bezug auf den Lebensstandard. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Republikaner ein „Dreiergespann“ bilden werden – die Präsidentschaft, den Senat und das Repräsentantenhaus sowie einen unterstützenden Obersten Gerichtshof – bedeutet, dass Trump kaum Ausreden haben wird. Seine Anhänger*innen werden von ihm ein entschlossenes Handeln erwarten. Trump könnte seine Präsidentschaft mit öffentlichkeitswirksamen Razzien gegen Einwanderer*innen ohne Papiere und anderen Aktionen dieser Art beginnen. Schließlich sagte Trump im Dezember letzten Jahres: „Abgesehen vom ersten Tag … bin ich kein Diktator“.
Aber der Schlüssel, wie er selbst wiederholt gesagt hat, sind Lebensstandards und gute Arbeitsplätze. Wenn es Trump nicht gelingt, diese zu schaffen, werden immer mehr Menschen zu dem Schluss kommen, dass sie selbst aktiv werden müssen, dass sie kämpfen müssen, um ihr Los zu verbessern. Es ist durchaus möglich, dass einige Trump-Wähler*innen zu entschlossenen Kämpfern der Arbeiter*innenklasse werden, wenn sie sehen, dass Trump und Vance ihre Versprechen nicht einhalten.
Für die Mehrheit der herrschenden Klasse in den USA ist dies eine weitere besorgniserregende Aussicht, da sie Trump nicht als zuverlässigen Repräsentanten ansehen und fürchten, was er tun könnte, wenn seine Präsidentschaft in eine Krise gerät. Dies gilt umso mehr, als der Oberste Gerichtshof im vergangenen Juli entschieden hat, dass ein US-Präsident für seine „offiziellen“ Handlungen Immunität genießt. Teile der herrschenden Klasse sind besorgt über die Befehle, die Trump im In- und Ausland erteilen könnte, zumal er „Oberbefehlshaber“ des gesamten Militärs ist. Obwohl Trump keine faschistische Bewegung anführt, die darauf abzielt, alle anderen zu vernichten, droht er eindeutig damit, die Macht des Staates gegen einige Minderheiten und Gegner*innen einzusetzen.
Das Scheitern des „kleineren Übels”
In dieser extrem polarisierten Wahl werden die Millionen, die Harris als „kleineres“ Übel oder als Kandidatin des „Wandels“ gewählt haben, weil sie eine schwarze Frau ist, natürlich enttäuscht und verängstigt sein. Es könnte sogar Verzweiflung aufkommen, die durch die unvermeidlichen Versuche, den Wähler*innen, insbesondere denen aus der Arbeiter*innenklasse, die Schuld an Trumps Sieg zu geben, noch verstärkt werden könnte. Aber die Realität ist nicht nur, dass die Demokraten die unmittelbaren Probleme nicht lösen konnten, sondern dass sie selbst, als standhafte Partei des Kapitalismus, Teil des Problems sind.
Die Demokraten haben keine grundlegenden Lösungen. Die Art und Weise, wie Biden abgesetzt wurde und dann keine Diskussion darüber zugelassen wurde, wer ihr Kandidat sein sollte, zeigt, dass die Demokraten eine Maschine sind und keine echte politische Partei, und schon gar keine demokratische. Politisch vertreten sie wichtige Teile der herrschenden Klasse, was sich daran zeigt, dass die Demokraten den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit den Anti-Trump-Republikanern legen, anstatt auch nur den Versuch zu unternehmen, auf die Anliegen der Arbeiter*innen einzugehen, die von Trump angezogen wurden.
Es liegen stürmische Zeiten vor uns, auf die sich Sozialist*innen und Aktivist*innen vorbereiten müssen. Die öffentliche Unterstützung für Gewerkschaften ist mit weit über zwei Dritteln der US-Bevölkerung so hoch wie seit 60 Jahren nicht mehr. Unter Trumps vorheriger Präsidentschaft kam es zu einer Streikwelle, und in jüngster Zeit gab es große Streiks von Beschäftigten in der Automobilindustrie, an den Häfen oder bei Boeing. Die größere Bereitschaft zu Streiks wird ein wichtiger Faktor für die künftige Entwicklung sein.
Die Ereignisse und künftigen Kämpfe werden die Frage aufwerfen, welche politische Alternative benötigt wird. Die Republikaner könnten irgendwann in eine Krise geraten, wenn Kämpfe um die Kontrolle der Partei ausbrechen, insbesondere nach dem Abgang von Trump. Ein solcher Kampf könnte zur Entwicklung einer rechtspopulistischen Partei führen, die dem „Establishment“ feindlich gegenübersteht, wie es in Teilen Europas und Lateinamerikas der Fall ist.
Die Demokraten mögen versuchen, sich ein neues Gesicht zu geben, werden aber im Kern eine durch und durch pro-kapitalistische Gruppierung bleiben, die an der Macht keine entscheidenden Veränderungen mit sich bringt. Aber wie die Republikaner tragen auch die Demokraten die Möglichkeit einer Spaltung in sich, da sie nicht immer wieder dieselbe alte Geschichte ihre Anhänger*innen zu enttäuschen wiederholen können.
Jetzt geht es darum, sich auf eine Zukunft vorzubereiten, die wahrscheinlich stürmisch sein wird. Auf der Linken muss eine Bilanz der letzten Jahre gezogen werden, als die Unterstützung für die allgemeine Idee des „Sozialismus“ massiv zunahm, aber ein erheblicher Teil der Linken unter dem Banner der Unterstützung des „kleineren Übels“ zu den Demokraten zog. Das ist zwar verständlich, aber das Ergebnis dieser Politik ist die Fortführung des bestehenden Zweiparteiensystems, das die Mehrheit im Stich lässt. Dieses Wahlergebnis ist auch ein Scheitern der Strategie des „kleineren Übels“, bei der ein Teil der sogenannten Linken vor der Führung der Demokraten kapitulierte, sich einer gemeinsamen Kampagne der Demokraten mit den Anti-Trump-Republikanern nicht widersetzte und damit effektiv eine Strategie unterstützte, die Trumps Anziehungskraft auf einen Teil der Arbeiter*innenklasse verstärkte.
Bereits vor dieser Wahl gab es eine neue Runde der anhaltenden Debatte darüber, ob Arbeiter*innen und Sozialist*innen danach streben sollten, Kampagnen und Organisationen aufzubauen, die von kapitalistischen Formationen unabhängig und in Kämpfe eingebunden sind. Solche Schritte sind mit der Notwendigkeit verbunden, dass von kapitalistischen Parteien unabhängige Kandidat*innen bei den Wahlen kandidieren, um eine Partei aufzubauen, die wirklich von der und für die Arbeiter*innenklasse geführt wird.
Diese Aufgabe ist jetzt noch wichtiger geworden, da die Infragestellung des US-Systems weiter geht. Eine Umfrage von Fox News am Wahltag ergab, dass etwa 70 Prozent der Wähler*innen das Gefühl haben, dass die USA „auf dem falschen Weg“ sind – dieses Gefühl wird nicht einfach verschwinden. Die Herausforderung besteht darin, die Kräfte aufzubauen, die in der Lage sind, sowohl für unmittelbare Verbesserungen als auch für die notwendige sozialistische Alternative zu kämpfen.