
Interview mit zwei Streikenden vom Charité Facility Management
Robin Weber und André Kirmes-Klameth arbeiten in der Medizintechnik bzw. dem Krankentransport beim Charité Facility Management (CFM) und sind dort im Streik für die Einführung des Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVÖD). Sie sind beide Teil der Streikleitung und der Tarifkommission von ver.di. Mit ihnen sprach Sascha Staničić über den Streik.
Sascha: CFM und Streiks ist in Berlin seit Jahren eigentlich ein bekanntes Thema. Erklärt doch bitte, worum es in dieser Auseinandersetzung geht.
Robin: Ich habe das Gefühl, dass es dieses Jahr das erste Mal ist, dass wir als CFM überall gesehen und gehört werden und nicht als Charité behandelt werden. Uns geht es darum, dass wir für und mit der Charité arbeiten, aber nicht nach Charité-Tarifvertrag, also dem TVÖD, bezahlt werden, sondern einen Haustarifvertrag haben. Das Thema besteht hier in der CFM seit zwanzig Jahren. Wir wollen jetzt endlich die Rückführung in gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen und eine Integration in den Tarif des öffentlichen Diensts.
André: Genau, wir haben nämlich bei uns auch Kollegen, die von der Charité gestellt sind, die dieselben Arbeiten ausführen wie wir, wirklich genau dieselben, aber eben nach TVÖD bezahlt werden, dementsprechend dann 500, 600, 700 bis 800 Euro mehr bekommen als wir. Und dass wir jetzt stärker wahrgenommen werden, stimmt. Ich bin schon seit Anfang an mit dabei, seit der Gründung der CFM. Und damals sind wir in den Medien nur vorgekommen, wenn es wegen unserer Proteste Verkehrsmeldungen und Beeinträchtigungen gab, aber es wurde nicht berichtet, um was es ging und was uns wichtig war. Da werden wir jetzt medial endlich besser wahrgenommen.
Geht es denn bei den Unterschieden zwischen TVÖD und eurem Haustarifvertrag nur ums Geld, also nur um die Entlohnung oder gibt es auch andere Aspekte?
Robin: Es gibt andere Aspekte. Aktuell ist es gerade für die Lohngruppen, die am Mindestlohnbereich sind, natürlich wichtig, dass sie mehr Geld bekommen. Das ist tatsächlich die erste Forderung, die irgendwie umgesetzt werden muss, weil es schlichtweg existenzgefährdend ist für einige Menschen, hier zu arbeiten. Es geht aber ganz vielen, insbesondere den Leuten, die schon länger in der CFM sind, auch um Gleichberechtigung, dass die Arbeit, die sie leisten, genauso anerkannt wird, wie die Arbeit der Charité-Kolleginnen. Das ist ja diese Ungerechtigkeit, die in dieser Stadt und in diesem Unternehmen einfach seit zwanzig Jahren herrscht. Und mit dem TVÖD kommen ja auch ganz viele andere Verbesserungen, der sogenannte Mantelbereich in den Tarifverträgen, wo wir ja auch abgehängt sind.
Die CFM ist ein Konstrukt von vor zwanzig Jahren und davor waren die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in der CFM sind, einfach Charité-Beschäftigte. Diskutiert ihr denn auch die Forderung nach einer Wiedereingliederung der CFM in die Charité?
Robin: Das ist unser Ziel, wir können die Forderung aber als Tarifpartei nicht im Rahmen von Tarifverhandlungen stellen, weil politische Streiks in diesem Land nicht erlaubt sind. Deshalb müssen wir für eine Gleichbehandlung, also für den TVÖD, streiken. Die Entscheidung für den TVÖD muss bei der Politik gefällt werden.
André: Und da müssen wir die Politik mal hart ins Gericht nehmen, denn die Politiker werden von uns nicht an Versprechungen gemessen, sondern an Taten. Wir haben in Bild, Ton und Schrift, dass im Koalitionsvertrag festgelegt wurde, dass die CFM integriert wird und die Bezahlung nach TVÖD schnellstmöglich erfolgt. Versprechungen sind aber nicht dafür da, dass man sie nicht einhält, sondern dass man sie umsetzt.
Absolut. Das kennen wir aber in Berlin. Es gab hier eine Volksabstimmung zur Enteignung der großen Immobilienkonzerne und die Umsetzung davon ist auch auf der Strecke geblieben. Was denkt Ihr, woran es liegt, dass die Umsetzung solcher Sachen nicht erfolgt?
Robin: Es wird immer vorgeschoben, dass angeblich nicht genug Geld da ist. Die genehmigten Investitionskosten sollen aber nicht ins Personal fließen. Ich denke, es scheitert am Willen.
André: Wenn wir wirklich so wichtig sind, dass man uns eine Notdienstvereinbarung aufdrückt, die zum Himmel schreit, dann soll man uns auch dementsprechend bezahlen.
Robin: Wenn wir zurückgeführt würden bzw. den TVÖD erreichen, wäre das auch für andere Tarifauseinandersetzungen ein Aushängeschild. Das würde einen bundesweiten Ruck und anderen Tarifkämpfen einen Aufschwung geben. Einen solchen Präzedenzfall wollen die Charité und die Politik sicher auch verhindern.
Könnt Ihr die Situation mit der Notdienstvereinbarung kurz erklären?
André: Wir haben eine Klage bekommen, wo der Streik per einstweiliger Verfügung untersagt werden sollte. Das wurde abgewehrt, aber der Plan war, uns eine Notdienstvereinbarung aufzuzwingen, die es den Kolleginnen und Kollegen sehr erschwert, ihr demokratisches Recht des Streiks wahrzunehmen. Der Notdienst lag zum Teil weit über der Tagesplanung für den Normalbetrieb. Das ist aus meiner Sicht dann kein Notdienst mehr.
Robin: Das hat uns insbesondere in der Reinigung, beim Wirtschaftstransport, der Leitwarte und der Sterilisation den Streik sehr erschwert. Das sind die Bereiche, wo die Auswirkungen des Streiks ab dem ersten Tag zu spüren sind. Da wurden Notdienste eingefordert, die in der realen Dienstbesetzung monatelang nicht erfüllt wurden.
Notdienst über Normalbetrieb bedeutet ja eigentlich, dass der Normalbetrieb für die Kolleginnen und Kollegen nicht akzeptabel ist und dass er die Patientenversorgung gefährdet.
Robin: Genau. Nicht der Streik gefährdet die Patienten, sondern der Normalbetrieb.
André: Und wenn man das mal zu Ende denkt, müssten unsere Chefs jetzt kiloweise Gefährdungsanzeigen schreiben. Das wäre der Umkehrschluss aus dieser Notdienstvereinbarung.
Mittlerweile gibt es da einen Kompromiss und eine Einigung auf eine etwas andere Notdienstvereinbarung, so dass wieder mehr Kolleginnen und Kollegen streiken können. Ihr habt auf eine mögliche bundesweite Ausstrahlung eines Erfolgs Eures Kampfes hingewiesen. Seht Ihr Euren Kampf denn in diesem Kontext von bundesweiten gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen?
André: Wir sind mit der Krankenhausbewegung vernetzt und wir sollten das im Kontext sehen. Es gäbe bei einem Erfolg eine große Auswirkung. So hatten auch die Erfolge von Kämpfen in der Vergangenheit beim Botanischen Garten oder den Vivantes-Tochtergesellschaften für uns eine große Bedeutung. Das haben wir schon im Blick.
Welche Bedeutung hat für Euch Solidarität und wie sieht diese aus?
André: Wir bekommen sehr viel Solidarität aus anderen Krankenhäusern und Betrieben. Das ist eine wichtige moralische Unterstützung. Es ist wichtig, das Gefühl zu haben, nicht alleine zu sein.
Robin: Die Solidarität ist eine krasse Motivation. Der Rückhalt ist groß und nicht nur aus der Charité, auch von den Ärzten, sondern auch von anderen streikenden Belegschaften, wie BSR und BVG, aber auch aus anderen Krankenhäusern bundesweit. Wir hatten auch umgekehrt in der Vergangenheit Solidarität geübt und das jetzt zurückzubekommen ist fantastisch und spielt eine Rolle dabei, dass die öffentliche Wahrnehmung unseres Streiks diesmal deutlich höher ist.
Wie schätzt Ihr die Entschlossenheit der Belegschaft ein?
Robin: Sehr stark. Sowohl die Urabstimmung mit 99,4 Prozent als auch alle anderen Abstimmungen für den Streik, auch der Beschluss auch am Wochenende zu streiken, zeigt die Motivation.
André: Weil es uns einfach reicht.
Robin: Genau, uns bleibt auch keine andere Wahl mehr. Die Kolleginnen und Kollegen sagen: Es reicht. Ich gehe jetzt auf die Straße, gehe demonstrieren, um leben zu können und nicht nur am Existenzminimum zu überleben.
Was würdet Ihr Euch wünschen?
André: Wir wünschen uns nichts, sondern wir fordern. Wir fordern, dass die Politik zu ihren Worten steht und jetzt endlich mal ein verhandlungsfähiges Angebot kommt auf Basis des TVÖD und nicht auf Basis des Zukunftsvertrags, den die Geschäftsleitung will.
Robin: Mein Wunsch ist, dass die Solidarität so hoch bleibt, sowohl bei den Gewerkschaftsmitgliedern der CFM als auch bei der Öffentlichkeit. Uns ist bewusst, dass wir hier im Krankenhaus arbeiten und es zu Einschränkungen kommt. Niemand von uns ist traurig, wenn das hier schnell über die Bühne geht und wir nicht mehr streiken müssen, weil wir den TVÖD bekommen. Alle von uns wollen die Patientenversorgung zu hundert Prozent bringen, aber so kann es nicht weiter gehen. Viele verlassen ja auch die CFM, weil sie mit dem Geld ihr Leben nicht bestreiten können.
André: Man muss ja auch sehen: Wir machen Krankenhaus möglich. Geht es uns schlecht, geht es dem Krankenhaus schlecht.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Euren Streik!

“Ich finde die Stimmung, die ist knallhart”
Interview mit einem CFM Beschäftigten am Streikposten
Mitglieder der Sol Berlin unterstützen schon länger den Streik der Beschäftigten bei der CFM (Charité Facility Management). Folgendes Interview führten wir am Streikposten am Standort der Charité Mitte mit einem CFM Beschäftigten vom Krankentransport:
Guten Morgen! Erstmal, warum streikst du heute hier?
Ja, weil ich glaube, dass es hier in der CFM eine große Ungerechtigkeit gibt, wie die Mitarbeiter entlohnt werden und wie ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Im Prinzip geht es darum, dass die gestellten Mitarbeiter der Charité wesentlich mehr entlohnt werden als wir von der CFM. Und das ist einfach eine große Ungerechtigkeit und zeugt halt eben von einer zwei Klassengesellschaft.
Und jetzt streikt ihr jetzt ja schon ein paar Tage, wie ist so die Stimmung, wie läuft der Streik?
Also ich finde die Stimmung, die ist knallhart. Bei vielen tritt aber so ein bisschen Unmut auf, weil sich der Streik auch so in die Länge zieht. Viele haben halt Schwierigkeiten auch mit dem Streikgeld, das macht vielen zu schaffen. Deswegen wird nicht komplett durchgestreikt, sondern mal hier, mal da. Sodass man sich das irgendwie einteilt mit den Streitagen, weißt du. Also ich komme damit zurecht, weil ich mich schon ein paar Jahre irgendwie so unbewusst darauf vorbereitet habe. So eine längere Auszeit.
Und wenn jetzt Kai Wegner jetzt hier vor dir stehen würde, was würdest du ihm sagen?
Ui, ui, ui, Kai Wegner? Erstmal schöne Frisur [lach]. Nein, ich würde ihn darauf aufmerksam machen, auf sein Versprechen, was er auch vor ein paar Jahren gegeben hat. Nämlich, dass die Töchter wieder zurückgeführt werden in die Charité. Gleicher Lohn für gleicher Arbeit!
Vielen Dank und einen erfolgreichen Streiktag noch!