
Gemeineigentum ist keine Utopie
Wir dokumentieren eine Rede von Thorsten Donnermeier, Vertrauensmann bei VW Kassel, bei einer Betriebsversammlung am 04.06.2025.
Kolleginnen und Kollegen,
Leiharbeiter sollen hier bei VW weggeputzt werden wie tote Fliegen von der Fensterscheibe. 35.000 Stellen sollen bei VW abgebaut werden. Arbeitsplatzvernichtung ist in der Automobil- und Zulieferindustrie an der Tagesordnung, mit dramatischen Folgen für die Regionen. Was die Deindustrialisierung bedeutet, kennen wir noch aus der Nachwendezeit in den neuen Bundesländern. Da wachsen Bäume aus den Häusern.
Die Kapitalrendite ist heilig, und um sie hochzuhalten, geht es uns ans Leder. Was passiert mit den Reichtümern, welche wir mit unserer Hände Arbeit erwirtschaftet haben? Einen unsinnigen Tunnel möchte Herr Porsche bei Salzburg bauen lassen, damit er es bequemer hat beim Autofahren, hin zu seiner Villa.
Kolleginnen und Kollegen, wie viele Leiharbeiter und Befristete könnten mit diesem Geld weiter beschäftigt werden? Wie viele Stellen könnte man mit den Profiten der Eigentümerfamilien durch die Arbeitszeitverkürzung erhalten? Der eine baut sich einen Privattunnel und die anderen stehen ohne Arbeit da und müssen um ihre Existenz fürchten. In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Hier wird deutlich, dass diese Eigentumsformen an Produktionsmitteln uns schaden. Der neueste Hit: Umstellung der Produktion auf Kriegsproduktion. Folgende Worte waren am 13.3.2025 auf der Internetseite von „Auto Motor Sport“ zu lesen: Volkswagenchef Blume will den Konzern mit Militäraufgaben betrauen. So Herrn Blums Aussage auf einer Investorenkonferenz. Finanziert wird der Rüstungswahn selbstverständlich durch Steuern, also von uns, den Lohnabhängigen.
Kolleginnen und Kollegen, was könnten wir für schöne Dinge mit diesen Geldern finanzieren? Von Arbeitszeitverkürzung bis hin zu einem guten Gesundheitssystem. Kriegswaffen und Kriegsmaterial nutzt niemandem, die breite Bevölkerung wird zum Opfer. Kriegsprofiteure sitzen geschützt im Bunker und schauen sich das Ganze aus sicherer Entfernung an. Sterben sollen Leute wie wir, Menschen, die eine andere Sprache sprechen und vielleicht etwas anderes zu Mittag essen.
Wir entscheiden nicht, andere entscheiden, was und unter welchen Bedingungen produziert wird. Besser wäre es, wenn wir darüber entscheiden würden. Die Erkenntnis der Arbeiterbewegung aus den beiden Weltkriegen war Vergesellschaftung und damit Demokratisierung der Konzerne, damit wir selbst entscheiden, was und unter welchen Bedingungen produziert wird. Deshalb finden wir Vergesellschaftung und Gemeineigentum im §15 des Grundgesetzes und in der IG Metall-Satzung unter §2 wieder. Friedensbewegung, Klimagerechtigkeitsbewegung und Beschäftigte greifen diese Forderungen wieder auf.
Kolleginnen und Kollegen, VW entstand durch eine Blutspur von Zwangsarbeit in Wolfsburg. VW, gebaut auf dem Fundament von Kriegsverbrechen, darf nie mehr Kriegsmaterial produzieren! Unsere eigene Volkswagengeschichte lässt keinen anderen Schluss zu: Nur noch Produkte, die niemandem schaden, sollen bei VW produziert werden. Kriegsmaterial, ob mit oder ohne Kanone, gehört nicht dazu. ÖPNV-Produkte und Straßenbahnen machen Sinn für eine gute Zukunft. Jede Vernunft spricht dafür, die Kapitalinteressen sprechen dagegen.
Kolleginnen und Kollegen, Vergesellschaftung und Gemeineigentum ist keine Utopie, sondern ist zur Gegenwartsaufgabe geworden, damit wir demokratisch in den Betrieben entscheiden können über Arbeitsbedingungen und Produkte: eine Debatte, die wir in den Gewerkschaften, Betrieben und in der Gesellschaft führen müssen.
Zum Schluss: Immer wieder ist zu hören, die Zeiten sind schlecht. Ich füge hinzu: nicht die Zeiten sind schlecht, sondern die Machtverhältnisse. Diese gilt es zu verändern. Haltet zusammen. Ich wünsche euch einen schönen Urlaub.