
Aber die Arbeiter*innenklasse muss ihre eigene Partei aufbauen!
Nicușor-Daniel Dan, der Bürgermeister von Bukarest und Gründer der neo-liberalen USR (Union Rettet Rumänien | rumänisch Uniunea Salvați România)), gewann die zweite Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen, was das Ende einer sechsmonatigen Periode voller politischer Entwicklungen markierte. Als “unabhängiger” Kandidat, unterstützt durch liberale Parteien, europäische Großunternehmen und die Concordia Gruppe, eine von Rumäniens größten Arbeitgeber*innenorganisationen, wird Dan höchstwahrscheinlich die Position des Präsidenten für die nächsten fünf Jahre innehaben.
Von Andi Muresan, Rumänien (erstmals veröffentlicht 3. Juni 2025)
Die Wahl war polarisierend in den zwei Wochen zwischen den Runden. Legitime Wut gegenüber den Auswirkungen des Kapitalismus und liberaler Politik war einer ebenso legitimen Angst vor Rechtspopulismus gegenübergestellt, welcher im Westen und kürzlich auch im Balkan an Stärke gewinnt (für mehr Informationen zu dem Hintergrund der Wahlen, siehe: Romania’s political chaos – court annuls presidential election, parliamentary parties struggle to form coalition).
Die zweite Runde ein zweites Mal
Unmittelbar nach der ersten Runde der Wahlen wurde es klar, dass die rumänische Bevölkerung, von parlamentarischen Politiker*innen bis zu den ärmsten Schichten der Arbeiter*innenklasse, massiv polarisiert sein würde. Dies war nicht nur aufgrund des Ausmaßes an Unterstützung für die zwei Kandidaten abzusehen, sondern auch von oben injiziert worden, durch die Mainstream-Medien und die Stellungnahmen verschiedener Politiker*innen. Sie ergriffen die Gelegenheit, den Eindruck eines “culture war” (engl. Kulturkampf) nach amerikanischem Vorbild zu erzeugen.
In den USA, für mehrere Jahrzehnte, ist es der bürgerlichen Klasse gelungen, die Unterschiede zwischen den zwei dominierenden Parteien, den Demokraten und den Republikanern, zu übertreiben. Obwohl sie von derselben Klasse von Milliardär*innen unterstützt und finanziert werden, wurden die Demokraten und Republikaner lange als grundlegend gegensätzlich betrachtet.
Ähnlich haben die rumänische bürgerliche Presse und rumänische Politiker*inne sowie auch ihrer Unterstützer*innen im Westen, Nicușors Politik überspitzt. Beispielsweise wurde er als ein wahrer Verbündeter queerer Menschen und Frauen, trotz seiner klaren queerphoben und misogynen Politik, behandelt. Dies wird reflektiert in seiner Loyalität zu der ‘traditionellen Familie’ als Grundeinheit der bürgerlichen Klassengesellschaft.
Nicușors diplomatische Sprache eines klassischen bürgerlichen Politikers erlaubte die Schaffung eines Bildes von einem Mann, beiderseits tolerant und christlich, patriotisch und europäisch. Kurz gefasst, die Verkörperung von Liberalismus und des gesamten Post-kalten-Krieg-Systems, welches sich nun im Niedergang befindet.
In Kontrast wurde Simion als eine existentielle Gefahr gegenüber dem Liberalismus präsentiert. Der Rechtspopulist versprach radikale Änderungen und wurde, von einigen der am meisten Entrechteten in der Gesellschaft, als Hoffnungsträger wahrgenommen. Nicușors Kampagne sagte, dass Simion Trump ähnlich wäre und queerphobe sowie rassistische Ansichten vertrat. Wiederum stellte Simions Lager Nicușor als einen erbitterten Kämpfer gegen Nationalismus, Patriotismus und sämtliche traditionellen Werte dar.
Liberale Politiker*innen verurteilten Simion beiderseits als Faschist und Kommunist; ein Sieg Simons würde den Kollaps von allem Zivilisierten mit sich bringen.
Keiner der Kandidaten war jedoch wirklich daran interessiert, den Status der gleichgeschlechtlichen Ehe (die derzeit illegal ist) oder Abtreibung (die legal, aber für viele unzugänglich ist) zu ändern.
Was benötigt wird, ist eine klare Analyse ihrer Politik, ungetrübt durch den Nebel der Wahl.
Beide Kandidaten haben eine ähnliche Politik, von allem aus der wirtschaftlichen Richtung, zu Fragen wie sie Klassenkonflikte zwischen der Arbeiter*innenklasse und der bürgerlichen Klasse navigieren und wie sie Haushalte priorisieren wollen, auf sehr unterschiedliche Weisen befürwortet.
Beide Kandidaten plädieren für strenge Austeritätsmaßnahmen, ähnlich zu oder viel schlimmer als die “Little Train Ordinance” (engl. Kleine Zug Verordnung). Dies war ein Kürzungs- und Lohnfrierungspaket, das die Regierung Anfang des Jahres einführte, während sie Steuererhöhungen für Rumäniens reichste und mächtigste Bürgerlichen vermied (den einheitlichen Steuersatz beibehielt und ihnen sogar zusätzliche Steuererleichterungen versprach).
Folglich diente der zweiwöchige Kampagnen “culture war”, welcher wahrscheinlich genauso schnell verschwinden wird, wie er gekommen ist, dem Bürgertum einen klaren Zweck, indem er Sparmaßnahmen als notwendig und unvermeidlich darstellte, um die Haushaltskrise zu überwinden. Zwei politische Lager, die über Nacht zu den einzigen beiden existierenden Formen der Politik wurden, präsentierten dieselbe Armut, aber verkauften sie unterschiedlich.
Jedoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen: Wessen Interessen entsprechend sie diese Maßnahmen implementieren wollen.
Wie hat Nicușor gewonnen?
Diese traurige Situation wurde von dem Großteil der Bevölkerung als negatives Votum angesehen. Im Fall des neuen Präsidenten, gewann Nicușor dank einer starken Mobilisierung aus verschiedenen sozialen Schichten gegen den “Souveränismus”. Nicușors begeisterte Anhänger*innen, die von der städtischen Mittelschicht, Akademikern und von westlichen Konzernen finanzierten NGOs repräsentiert werden, machten nur eine lautstarke Minderheit der Gesamtstimmen aus. Genau wie die xenophoben, misogynen und ultra-nationalistischen Wähler, die Simion unterstützen, nur eine Minderheit waren.
Vor dem Hintergrund einer Online-Kampagne, mit einer klaren euro-liberalen Neigung, rief eine überraschende Anzahl an öffentlichen Persönlichkeiten die Menschen dazu auf, für Nicușor Dan zu stimmen. Dies präsentiert die Wahl im Rahmen der russophoben Kriegspropaganda und vermittelt die Idee, dass eine EU-Mitgliedschaft in den Wahlen auf dem Spiel steht.
Allerdings steht diese Narrative im Widerspruch mit der von den Rechtspopulisten adoptierten Pro-USA-Haltung, anstelle einer Position, welche Pro-EU oder Pro-Russland wäre. George Simion war in den letzten Wochen ebenfalls durch die EU gereist und hatte sich mit Verbündeten der sogenannten „Souveränisten“-Bewegung getroffen, einer spezifisch westlichen, rechtsextremen politischen Strömung.
Zusätzlich zu den Ängsten vor möglichen Angriffen auf Frauen, queere Menschen und andere Gruppen, die spezifischer Unterdrückung ausgesetzt sind, kamen zudem Bedenken über einen möglichen wirtschaftlichen Schock durch weitere Angriffe der Europäischen Kommission hinzu, was Nicușors Stimmenanteil in der zweiten Runde steigerte. Dies betraf besonders Arbeiter*innen, welche in der ersten Runde nicht gewählt hatten.
Im Fall der Wahl in Szeklerland, im Osten Transsilvaniens, mit einer mehrheitlichen nicht-rumänischen Bevölkerung, stellte das Votum eine Entscheidung zwischen souveränistischer Politik, beliebt durch die Assoziation mit Ungarns Ministerpräsident Orbán, und einer Stimme gegen rumänischen Chauvinismus dar. Die letztere Position wurde von Kandidaten, unterstützt durch die RMDSZ/UDMR (Demokratische Union der Ungarn in Rumänien | ungarisch Romániai Magyar Demokrata Szövetség; rumänisch Uniunea Democrată Maghiară din România), die Partei der ungarisch-sprechenden Bürgerlichen der Region, vorgebracht.
Während der Kampagne deutete Orbán seine Unterstützung Simions subtil an, zog diese aber schnell zurück. Orbán bestätigte seine Unterstützung für die RMDSZ nach einer Welle von Kritik in Ungarn, die seine Entscheidung als Verrat an der ungarischsprachigen Bevölkerung einstuften.
Was passiert jetzt?
In der Nacht, in welcher die Stimmen gezählt wurden, lagen beiderseits George Simion als auch Nicușor Dan für eine Weile in der Führung. Sofort nachdem die ersten Stimmen zusammengezählt wurden, deklarierte sich Simion selbst als Präsident von Rumänien, auf eine Weise, welche an Donald Trumps Schachzug in 2020 erinnerte.
Dies hielt allerdings keinen Tag an. Simion behauptet nun, dass die Wahlen manipuliert wurden, und beruft sich dabei auf die Unterstützung, die die bürgerliche Klasse in Europa Nicușor in der Kampagne gab, sowie auf Nicușors angeblichen Stimmenkauf. Der CCR (Verfassungsgerichtshof von Rumänien | rumänisch Curtea Constituțională a României) lehnte Nicușors Antrag auf eine Annullierung der Wahlen prompt ab. Es scheint, als wollte die herrschende Klasse, wenigstens für einen Augenblick, die Vertiefung der Krise, in welcher sie sich befindet, weiter vermeiden.
Simions Facebook Post verkündete, dass er den Antrag auf eine Annullierung gestellt habe und dass er von der Opposition aus weiter kämpfen werde. Diese Stellungnahme erhielt über einhunderttausend Likes. Dies signalisiert, dass Simion zwar einen politischen Rückschlag hinnehmen musste, dieser jedoch nur vorübergehend ist.
In der Abwesenheit einer politischen Alternative für die Arbeiter*innenklasse, werden die AUR (Allianz für die Vereinigung Rumänen | rumänisch Alianța pentru Unirea Românilor) und andere Rechtspopulist*innen durch viele Menschen, welche aufgebracht aufgrund der schädlichen Auswirkungen des liberalen Kapitalismus sind, als Haupt-Oppositionskraft gesehen. Obwohl Simion und Georgescu ähnliche politische Ansichten wie Nicușor vertreten, erwarten sie, dass sie nach fünf Jahren in der Opposition, höchstens, auf dem Rücken der abnehmenden Popularität von Nicușor Dan aufsteigen werden. Wenn, nach vier Jahren von Joe Biden, Trump an die Macht zurückkehren kann, könnte sich die gleiche Situation in den kommenden Jahren in Rumänien abspielen.
Obwohl Nicușor derzeit, während dem Verfassen dieses Artikels, eine Art politische Flitterwochen genießt und seine enthusiastischen Wähler*innen seinen Sieg feiern, wird diese Situation nicht lange anhalten.
Wie viele andere Staatsoberhäupter, die seit 2020 Wahlen gewonnen haben, muss der neue Präsident unter zunehmend drastischen Klassenkonflikten regieren. Früher oder später wird Nicușor Dan letztendlich die reichsten Kapitalist*innen klar unterstützen, was zu einem ernsthaften Rückgang seiner Popularität führen wird.
Der neue Präsident ist unter militanten Arbeiter*innen und Sozialist*innen als wahrer Kämpfer im Klassenkampf bekannt, der auf der Seite des Bürgertums kämpft. Wie Simion hat auch Nicușor Dan wiederholt erklärt, dass er die Einheitssteuer weiterhin verteidigen wird und sich klar gegen progressive Besteuerung stellt. Somit werden die reichsten Arbeitgeber*innen in Rumänien weiterhin den gleichen Prozentsatz ihres Einkommens zahlen wie die prekärsten Arbeitnehmer*innen. Dies bedeutet, dass die Arbeiter*innenklasse letztendlich unverhältnismäßig für alles zahlen wird, was der Haushalt beinhaltet.
Militarisierung
Nicușor Dan hält es für eine Priorität mehr Geld für die Militarisierung auszugeben; motiviert durch die Intention der bürgerlichen Klasse den Waffenmarkt zu erweitern. Dies wird heißen, dass das Geld, was für die versprochenen Lohnerhöhungen, neue Jobs, Bildung und Gesundheitsversorgung, etc., “nicht existiert”, stattdessen an deutsche und amerikanische Waffenunternehmen umgeleitet werden wird. Es ist wichtig zu beachten, dass der einzige Unterschied bei einem Sieg von Simion nur einen höheren Anteil amerikanischer und rumänischer Rüstungsunternehmen im Vergleich zu deutschen Rüstungsunternehmen bedeutet hätte.
Gerechtfertigt damit, dass die Militarisierung “Sicherheit” erbringen soll, dient diese nur als Ausrede der bürgerlichen Klasse, um sicherzustellen, dass ein immer geringer werdender Prozentsatz des Staatshaushalts für soziale Dienstleistungen verwendet wird, die die Arbeiter*innenklasse benötigt. Dies geht Hand in Hand mit Kriegspropaganda. Diese war allgegenwärtig in der Wahlkampagne. Sie stellte Krieg als unvermeidlich dar. Die Menschen auf der anderen Seite der möglichen Frontlinien werden auf rassistische Weise dehumanisiert, um einen Angstzustand innerhalb der rumänischen Population aufrechtzuerhalten, als wären sie in Gefahr, von wilden Tieren attackiert zu werden.
In diesem Fall nimmt die Propaganda die Form von Russophobie an. Dies ist eine monströse Union von nationalistischen Ansichten, übriggeblieben durch [Nicolae] Ceaușescus [1] Skepsis gegenüber der Kreml – ein Vermächtnis an das rumänische Bürgertum von heute – und die neue Kampagne der Angstmacherei gegen Russland in Ländern, wie Deutschland, um die Interessen des europäischen Imperialismus in der Ukraine zu unterstützen. Wie Putins anti-ukrainische Propaganda in Unterstützung der reaktionären Invasion der Ukraine, hat dieses Vorgehen kein anderes Ziel als die Spaltung der Arbeiter*innenklasse entlang nationaler Linien. Dies ermächtigt die herrschende Klasse in ihrem Kampf gegeneinander um die Vorherrschaft über die Märkte und Ressourcen in Osteuropa.
In den nächsten fünf Jahren, mehr als jemals zuvor, werden wir immer mehr Propaganda dieser Art sehen. Es ist wichtig, dass sich Arbeiter*innen und Sozialist*innen dieser widersetzen. Rumänische Angestellte werden immer mehr mit russischen Arbeiter*innen gemeinsam haben, als mit rumänischen oder europäischen Arbeitgeber*innen. Die Lösung für die Arbeiter*innenklasse kann nur durch eine Arbeiter*innenpolitik zustandekommen, unabhängig von den USA, der EU, Russland oder jeglicher anderer imperialistischer Großmächte.
Eine Antikriegsbewegung, vereint auf beiden Seiten der Frontlinien, und basierend auf Streiks in den Rüstungsfabriken um die militärische Maschine auf beiden Seiten zu stoppen, würde die Macht haben die Grausamkeit zu unterbinden und den Weg zu einer Welt frei von Kriegen für Profite aufzeigen.
Aber vorerst lautet die Frage: Wer zahlt für die Militarisierung? Die Antwort der kapitalistischen Politiker*innen ist klar: die Arbeiter*innenklasse.
Selbst wenn sie versprechen, dass das Geld für Panzer nicht von den Schulen und Krankenhäusern genommen wird, sondern durch eine simple Reform des Staatsapparates, erinnernd an Trumps Vorgehen zu Beginn seiner aktuellen Amtszeit, werden Nicușor und die nächste Regierung höchstwahrscheinlich mit der Wahl zwischen Militarisierung und dem Wohlergehen der Mehrheit konfrontiert. Wie bei Deutschland, was kürzlich die Obergrenze für die maximale Höhe der Schulden, die aufgenommen werden können, aufgehoben hat – wobei die “Notwendigkeit” für Militarisierung als Hauptargument angeführt wurde – ist es sehr wahrscheinlich, dass wir in den nächsten fünf Jahren große Veränderungen in der Wirtschaft sehen werden, um arbeiter*innenfeindliche Politik wie Militarisierung zu unterstützen.
Die unterfinanzierten, fast nicht-funktionsfähigen Schulen und Krankenhäuser sind zudem praktisch für die politische Tradition, aus der Nicușor-Daniel Dan stammt. Als Gründer der USR ist er radikal für Privatisierung.
Eine Taktik, welche zur Rechtfertigung von Privatisierungen in anderen Ländern und im Laufe der Geschichte genutzt wurde, ist die Verringerung der Gelder für Gesundheit, Bildung und andere soziale Dienstleistungen, bis sie praktisch nicht mehr funktionieren. Die einzige Lösung, die sie für dieses von ihnen selbst verursachte Problem anbieten, ist die Umwandlung von Schulen und Krankenhäusern in private Unternehmen, die von privaten Eigentümer*innen geführt werden.
Während eines Streiks der Bukarester U-Bahn-Arbeiter*innen sagte Nicușor, dass Streiks “unmoralisch” seien, und führte einen intensiven Kampf mit den Angestellten, die sich weigerten, viel zu niedrige Löhne zu akzeptieren. Ob man nun für den Staat arbeitet oder nicht, der neue Präsident möchte, dass man den Mund hält und so wenig wie möglich bezahlt bekommt, während die Preise weiter steigen.
Ein solcher Schritt würde nicht nur die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer*innen im Bildungs- und Gesundheitswesen verringern, sondern auch das Wohlergehen der Menschen streichen. Das Ziel der bürgerlichen Politiker*innen ist es, für diese Institutionen lediglich Gewinne für die Arbeitgeber*innen zu generieren. Der Fakt, dass neoliberale Politiker*innen behaupten, dass diese Änderungen gut für die Menschen wären (indem sie behaupten, dass “der Staat unfähig” sei, soziale Dienstleistungen zu verwalten, während sie gleichzeitig die höchsten Positionen in der Staatsführung einnehmen), macht die Heuchelei nur offensichtlicher.
Die Privatisierung sozialer Dienstleistungen würde mehr bewirken, als nur die Verwaltung von Bürokrat*innen des bürgerlichen Staates an einzelne Bosse direkt zu übertragen; sie würden ihren Charakter als Sozialdienstleistungen gänzlich verlieren.
Das Programm von George Simion und der AUR ist fast wortwörtlich dasselbe. Es ist jedoch durchaus möglich, dass sie versuchen werden, die Proteste zu kooptieren, die entstehen werden, wenn Nicușor versuchen sollte die Gesundheitsversorgung oder Bildung teilweise zu privatisieren.
In solch einem Szenario, wird die radikalste Schicht der Arbeiter*innenbewegung einen Kampf gegen die Kooptation der Proteste durch bürgerliche Politiker*innen führen müssen. Die politische Unabhängigkeit der Anti-Privatisierung-, Anti-Austeritäts-Proteste müssen durch eine Führung der Arbeiter*innenklasse sichergestellt werden.
Sie sollten sich auch auf Streiks konzentrieren, auf die Einstellung wirtschaftlicher Aktivität, die das Bürgertum direkt in der Tasche trifft, und über einen einfachen Protestmarsch hinausgeht.
Nicușor Dan träumt höchstwahrscheinlich von privater Bildung und Gesundheitssystemen. Er wird jedoch solche Ambitionen vertagen, falls er der Meinung sein sollte, dass sie zu großen sozialen Auswirkungen, Streiks und Proteste oder zum Anstieg der Beliebtheit der “Souveränisten”-Opposition führen würden.
Im Falle bescheidener Austeritätsmaßnahmen ist Nicușor Dan höchstwahrscheinlich bereit, den Kampf gegen alle Gegner aufzunehmen. Wir müssen uns jetzt darauf vorbereiten, uns als Arbeiterklasse dagegen zu stellen. Jede Gehaltskürzung oder Lohnsperre, jeder Abbau von Zuschüssen oder Renten, jeder Abbau von Sozialleistungen sind kein “notwendiges Übel”, sondern eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse.
PSD, Regierung oder Opposition?
Die Haushaltskrise wurde durch das Fehlen einer Besteuerung der Reichen und die ständige Umleitung von Geld an Unternehmen und Bosse sowie die Krise der Profitrate verursacht. Angesichts dessen drängen die Eliten für weitere Kürzungen, Militarisierung oder jegliche Maßnahmen, die sicherstellen können, dass die Rate, mit der sie Geld in ihre eigenen Taschen fließen lassen, nicht stärker sinkt als sie es bereits getan hat. Gleichzeitig werden Arbeiter*innen, für die die Lebenshaltungskosten weiter steigen, in eine Lage versetzt, in welcher sie gegen die Sparmaßnahmen ankämpfen müssen. Arbeiter*innen werden möglicherweise auch in die Offensive gehen und Löhne fordern müssen, welche mit der Inflationsrate Schritt halten.
Das Subjekt der Austerität wird zweifellos eines der polarisierendsten Themen der kommenden Jahre werden. Allein die Antizipation der Möglichkeit, dass unter Nicușor solche Maßnahmen implementiert werden, sorgt für Angst, beiderseits in der USR als auch PNL (Nationalliberale Partei | rumänisch Partidul Național Liberal), welche sich (höchst berechtigt) auf eine Abnahme der Popularität in den nächsten fünf Jahren nach dem Anfang dieser Attacken vorbereiten.
Die liberalen Parteien und der Rechtspopulismus scheinen in einen Konflikt mit klar definierten Regeln verwickelt zu sein. Welche Partei auch immer die zweite Runde gewonnen hätte, hätte die “Reformen” im Interesse des Kapitals durchgeführt und versucht, ihre Entscheidungen als die “besseren für die Wirtschaft” zu rechtfertigen. Die Opposition hätte versucht, die Wut der Bevölkerung auszunutzen.
Nach dem Abschluss der zweiten Wahlrunde beschloss Marcel Ciolacu von der Präsidentschaft der PSD (Sozialdemokratische Partei in Rumänien | rumänisch Partidul Social Democrat) zurückzutreten. Der Fakt, dass Crin Antonescu, der Kandidat von der durch die PSD geführten Koalition, die erste Runde nicht überstand, war der Tropfen, der bei der Partei das Fass zum Überlaufen brachte. Die PSD unterstützte in der zweiten Runde keinen Kandidaten öffentlich, teils aufgrund der Unzufriedenheit mit der Tendenz Richtung PNL-ismus und USR-ismus, welche von den unteren Ebenen der Partei zum Ausdruck gebracht wurde.
Die zwei Tendenzen, die nun innerhalb der PSD kollidieren, scheinen aufzuzeigen, dass eine Fraktion in die Opposition gehen will, um eine Minderheitsregierung der Liberalen zu bilden, während die andere näher an diese Parteien treten und ihren eurozentrischen Diskurs adoptieren möchte. Dies bedeutet eine Unterstützung von Austerität, wenn es im Namen der EU geschieht. Die Ersten von ihnen genießen die Unterstützung der Parteibasis. Die PSD-Führung strebt an, den Kurs der zunehmend rechten Strömung beizubehalten, auf dem Rumäniens erste kapitalistische Partei seit Jahren ist, und tritt somit mit der PNL und der USR in die Regierung ein.
Der neue PSD Präsident, Sorin Grindeanu, differenziert sich von Ciolacu nur in einem Aspekt; er priorisiert Stabilität in der Partei und behauptet, bereit zu sein, interne Diskussionen zu führen, bis eine Entscheidung getroffen wird, die keine politischen Spaltungen verursacht. Nach Grindeanus Übernahme der Präsidentschaft der Partei haben sich mehrere einflussreiche Persönlichkeiten der PSD offen gegen einen Eintritt in die Regierung oder für einen Wandel hin zu einer “wirklichen sozialdemokratischen Doktrin” positioniert.
Akteure wie Victor Negreanu sehen die Notwendigkeit darin, den Eindruck einer Alternative zu den beiden anderen politischen Richtungen zu erwecken. Er beschreibt sich selbst als Gegner beider Strömungen und behauptet, dass “der Kampf gegen Extremismus und Libertarismus anhält”. Er schlägt als Alternative vor, dass “die PSD-Doktrin die Menschen und ihre Probleme sein muss”.
Wir sind zwar der Meinung, dass eine Alternative zur Austerität mehr als notwendig ist, aber wir wissen, dass die PSD, die die arbeitende Bevölkerung in diesem Jahr zur Austerität verurteilte, kein anderes Interesse hat, als die Relevanz zurückzugewinnen, die sie scheinbar über Nacht verloren hat.
Wie mit jeder PSD-Aktion seit ihrer Gründung ist eine mögliche Bewegung zur Opposition im Parlament, als Kontrolle gegen Sparmaßnahmen, eine Position, in die die PSD durch den Druck gezwungen wird, den sie von der Arbeiter*innenklasse erwartet.
Die PSD ist die Partei der “sozialen Partnerschaft”, sie versucht Arbeiter*innen und Arbeitgeber*innen, welche zwei Gruppen mit vollkommen gegensätzlichen Interessen sind, an einen Tisch zu bringen. Der Fakt, dass das Bürgertum immer so scheint als würde es, auf Kosten der Arbeiter*innenklasse, das bekommen was es will ist kein Versehen. Sie verfügen dort über die Macht, wo es am wichtigsten ist, am Arbeitsplatz. Deshalb schaffen Diskussionen am selben Tisch nur Illusionen, dass etwas nur durch Worte geändert werden kann, während die wirkliche Macht in den Händen der Bosse verbleibt.
Die PSD ist für die momentane politische Situation zu beschuldigen. Immer mehr Arbeiter*innen wählen “Souveränisten” oder Liberale als Protest gegen sie.
Die Lösung für einige PSD-Mitglieder besteht darin, die PSD von ihrer in den letzten Monaten eingenommenen Haltung hinsichtlich enger Beziehungen mit dem CCR und einem Justizwesen, mit zunehmend antidemokratischen Tendenzen, zu distanzieren. Sie wollen, dass die PSD eine westliche sozialdemokratische Politik mit einem größeren Fokus auf Sozialhilfe annimmt. Die westlichen Parteien, die sie nachahmen wollen, sind jedoch auch berüchtigt dafür, die arbeitende Bevölkerung zu verraten und letztendlich Sparmaßnahmen zu erzwingen. Dies zeigt sich am jüngsten Beispiel in der Labour-Regierung von Keir Starmer im Vereinigten Königreich.
Um erfolgreich Arbeiter*innen und Jugendliche gegen Austerität zu verteidigen und für zunehmend bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen, können wir uns auf keine dieser politischen Lager verlassen, von den „Souveränisten“ bis zu den Liberalen oder der PSD. Der einzige Kontext, in welchem die PSD es wenigstens versucht, vorzutäuschen, dass sie sich auf unsere Seite schlägt, ist nur durch Druck von unten. Dies geschieht durch Streikaktionen und Druck innerhalb der Gewerkschaften. Dies macht der PSD Angst.
Die mächtigste und uneingeschränkteste Form des Widerstands ist und bleibt der Klassenkampf. Für alle, die sich jeder Art von Austerität und jedem anderen Angriff auf die Arbeiter*innenklasse in all ihrer Vielfalt widersetzen wollen, ist dies der einzige Weg nach vorn.
Eine neue politische Kraft wird benötigt, solange die Energie der Arbeiterklasse in den kommenden Jahren nicht unter die Erde gezogen wird oder zu einer bloßen Wählerbasis für die PSD oder, schlimmer noch, für eine rechtspopulistische Partei mit einer unterdrückerischen und spalterischen Politik wird.
Der Kampf um eine solche Kraft kann mit den Gewerkschaften beginnen, von Nicușor Dans altem Erzfeind, den größten Arbeiter*innenorganisationen. Aber sie müssen zuerst als Waffe des Klassenkampfes von der aktuellen Führung zurückgewonnen werden, die in vielen Fällen den Interessen der Arbeiter verräterisch gegenübersteht und den bürgerlichen Politiker*innen untertan ist.
In den wirtschaftlichen Kämpfen, die zwischen den Arbeiter*innen und den Austeritäts-hungrigen Bossen und ihren politischen Repräsentant*innen stattfinden werden, werden Arbeiter*innen die Gewerkschaftsbürokratie durchbrechen müssen.
Militante Gewerkschaften, die von bürokratischen Händen zurückerobert wurden, werden die Grundlage für eine echte politische Alternative sein – eine Arbeiter*innenpartei mit sozialistischer Politik. Eine solche Partei könnte mehr erreichen als das Versprechen, dass es nicht schlimmer wird. Sie würde auch gegen die großen Konzerne, ob EU, USA oder rumänisch, für eine andere Gesellschaft kämpfen, in der der einzige Zweck der Wirtschaft die Bedürfnisse der Mehrheit sind, basierend auf öffentlichem Eigentum und demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Arbeiter*innen. Der Aufbau einer politischen Bewegung, die für den Machtwechsel hin zur Arbeiter*innenklasse im Rahmen einer sozialistischen Transformation kämpft, ist entscheidend.
In der Abwesenheit einer solchen eigenen Partei, wollen bürgerliche Politiker*innen, unabhängig von ihrer politischen Farbe, uns dazu zu zwingen, unser Schicksal bis zur nächsten Wahl zu akzeptieren oder eine falsche Opposition, die dieselbe Machtposition wie sie erzielt, zu unterstützen. Zeigen wir ihnen, dass es nicht in ihrer Hand liegt!
Lasst uns bis zu den nächsten Wahlen die Arbeiter*innenbewegung so weit wie möglich vorantragen! Eine Alternative ist möglich, lasst sie uns aufbauen!
[1] Ehemaliger Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei, Staatspräsident und Vorsitzender des Staatsrates von 1965 bis 1989 und Diktator im stalinistischen Regime in Rumänien bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion.

